Die automatische Vervollständigung von Suchbegriffen bringt Google derzeit viel Ärger ein. Dass der Konzern ausgerechnet bei Bettina Wulff auf Stur schaltet, könnte ganz andere Gründe haben.

Stuttgart - Google legt fest, welche Websites unter den ersten zehn Ergebnissen einer Suche angezeigt werden. Da die Mehrheit der Nutzer nur diese Treffer wahrnimmt, bestimmt ein einzelnes Unternehmen darüber, welcher Ausschnitt der Wirklichkeit als Wirklichkeit zählt. Ganz ähnlich funktioniert die automatische Vervollständigung. Wer ein Stichwort in die Google-Suchmaske eingibt, dem werden Vorschläge gemacht, wie sich die Suche verfeinern lässt. Unter Umständen wird man so auf Zusammenhänge gestoßen, auf die man sonst gar nicht gekommen wäre.

 

In beiden Fällen lässt sich der Konzern nicht in die Karten schauen; die Rechenverfahren sind geheim. Nur einen Punkt hebt Google hervor: Die vorgeschlagenen Stichworte werden von der Mehrheit der Nutzer bestimmt und nicht vom Konzern. „Die Google-Rechner erstellen eine Liste der Abfragen, also der Begriffe, die von den Nutzern eingegeben werden“, erklärt Wolfgang Sander-Beuermann, Leiter des Suchmaschinenlabors der Universität Hannover. Gibt man etwa „Stuttgart“ ein, dann werden jene Begriffe ermittelt, die am häufigsten als nächstes eingegeben werden. In vielen Fällen sind das „VfB“ und „Flughafen“. Doch Google zeigt womöglich andere Vorschläge an, denn die Ergebnisse werden zusätzlich personalisiert. Grundlage dafür ist die Datenspur, die jeder Nutzer mit seinen Klicks auf bestimmte Links hinterlässt. Und es fließt in die Suchergebnisse ein, wo ein Rechner steht. Gibt es eine deutsche und eine englische Version eines Nachrichtenportals, wird man von einem in Deutschland beheimateten Rechner zum deutschsprachigen Angebot geführt.

Das Problem bei der automatischen Vervollständigung ist, dass sie mitunter zu ungewollten Ergebnissen führt. Nach dem Schneeballsystem führen die Klicks dazu, dass ihr immer noch mehr Menschen folgen. „Wir haben das vor Jahren einmal selbst ausprobiert“, erzählt Sander-Beuermann. „Dabei haben wir schnell gemerkt, dass da eine Dynamik entsteht, die sich unserer Kontrolle entzieht.“

Ist Max Mosley der Grund?

Für Google wäre es ein Leichtes, die Wortkombinationen auszuwerten und im Zweifelsfall zu löschen. „Es war in der Vergangenheit schon häufig zu beobachten, dass dies auch geschieht. Warum Google jetzt ausgerechnet bei Frau Wulff auf stur schaltet, ist ein Rätsel.“ Die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten wehrt sich dagegen, dass ihr Name mit vorgeschlagen Begriffen wie „Escort“ kombiniert wird, die sie in ein schlechtes Licht rücken.

Die Vermutung liegt nahe, dass diese Haltung mit einem anderen Fall zusammenhängt, der gerade die Google-Anwälte beschäftigt. Der frühere Motorsport-Präsident Max Mosley erstattete bei der Staatsanwaltschaft Hamburg Mitte Juni Strafanzeige gegen den Konzern. Die strittigen Bilder einer privaten Sex-Party wurden zwar mittlerweile für illegal erklärt. Über Googles Bildersuche sind sie aber immer noch zu finden. Vielleicht will Google nun Härte zeigen, um nicht eine Flut von ähnlich gelagerten Klagen auszulösen. Denn im Fall Mosley wäre es mit ein paar Löschbefehlen nicht getan: „Was die Anwälte da von Google verlangen, ist ein prophylaktischer Ausschluss bestimmter Zusammenhänge. Das ist technisch weit weniger trivial als das nachträgliche Löschen von Wortkombinationen – falls es überhaupt machbar ist“, sagt Sander-Beuermann. Darüber hinaus würde eine solche Praxis an Zensur grenzen. Der Forscher plädiert dafür, in Deutschland nach dem Vorbild Österreichs eine unabhängige Schiedsstelle einzuführen, an die sich Betroffene wie Bettina Wulff wenden könnten.