Züge zu besprühen, ist illegal. Trotzdem gibt es Sprayer, die genau das tun. Einer dieser Sprayer hat uns ein Interview gegeben. Er erzählt vom Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei - und dass er keinerlei Gewissensbisse hat.

Stuttgart - Wer ohne Erlaubnis ein Bild auf fremdes Eigentum sprüht, handelt  illegal. Ungenehmigte Graffiti auf Zügen - und somit auf Eigentum der Deutschen Bahn - bilden da keine Ausnahme. Trotzdem scheinen gerade S-Bahnen und Regionalzüge Graffiti- Sprüher magisch anzuziehen: 2012 verzeichnete die Bundespolizei allein im Bereich des Verkehrs- und Tarifbundes Stuttgart mehr als tausend Graffitistraftaten. Wer erwischt wird, dem drohen hohe Geldbußen, Wiederholungstäter können in schweren Fällen sogar mit mehrmonatigem Freiheitsentzug bestraft werden.

 

Dennoch riskieren viele Sprüher immer wieder ihre Ersparnisse oder ihre Freiheit, um ihr Bild auf einem Zugwagon durch die Stadt fahren zu sehen. Doch was motiviert die Sprüher zu ihren illegalen Aktionen? Wo sehen sie den Reiz im Besprühen von Zügen und wie gehen sie mit der Verfolgung durch die Polizei um? Ein Stuttgarter Graffiti-Sprüher war dazu bereit, uns einige Fragen zu beantworten. Seinen Namen wollte er allerdings öffentlich nicht nennen.

Wo liegt für dich als Sprüher der Reiz im Besprühen von S-Bahnen und anderen Zügen?

Im Graffitibereich ist es für mich der Reiz schlechthin. Ich finde, dass man sich als Sprüher besonders auf Zügen beweisen kann.

Weshalb besonders auf Zügen? Immerhin gibt es genügend andere Flächen.

Weil es teilweise sehr viel schwieriger ist, einen Zug zu bemalen, da herrschen ganz andere Bedingungen. Wenn ich zum Beispiel ein gutes Bild auf einen Zug male, verschafft mir das viel mehr Befriedigung als wenn ich dasselbe Bild unter eine Brücke gemalt hätte. Da hätte ich in der Regel mehr Zeit gehabt als am Zug, und das nimmt dem Ganzen ein bisschen den Reiz. An Zügen hat man nicht viel Zeit und die Voraussetzungen sind allgemein schwierig. Wenn ich da trotzdem ein stimmiges Bild zustande bekomme und das Konzept verwirklichen kann, das ich mir für das Bild überlegt habe, dann bin ich natürlich doppelt zufrieden.

Hast du dich als Sprüher auf Züge spezialisiert?

Nicht ganz. Es gibt zwar Leute, die sich auf ein bestimmtes Medium festgelegt haben und dafür auch bekannt sind, ich selber male aber gelegentlich auch auf andere Flächen. Hauptsächlich sind es aber tatsächlich Züge, das war auch von Anfang an mein Ziel. Darauf, auf Züge zu malen, habe ich eine ganze Weile lang hingearbeitet.

Warum betreibst du Graffiti illegal? In und um Stuttgart gibt es einige Wände, auf denen das Sprühen erlaubt ist.

Im Moment wäre mir das zu entspannt. Wenn ich legal male, weiß ich, dass ich den ganzen Tag dafür Zeit habe und dass da eigentlich nichts dazwischen kommen kann. Es ist schon vorher klar, dass ich das Bild so an die Wand bekomme, wie ich mir das vorgestellt habe. Und das ist langweilig, da fehlt mir die Spannung. Zu viel Zeit bremst mich aus. Aber Einstellungen ändern sich, ich werde bestimmt irgendwann auf legale Arbeiten umsteigen, wenn ich im illegalen Bereich erreicht habe, was ich erreichen wollte.

Keine Gewissensbisse

Du bist dir  bewusst, dass du etwas Illegales tust. Hast du deswegen Gewissensbisse?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich kenne natürlich die rechtliche Seite der Geschichte und verstehe, dass Polizei und Staatsanwaltschaft da ermitteln müssen, das ist schließlich ihr Job. Dass das, was ich tue verboten ist, ist schon richtig, aber auf meine emotionale Lage hat das eigentlich keine Auswirkungen.

Empfindest du so etwas wie den Reiz des Verbotenen“?

Die Illegalität ist auf jeden Fall ein Aspekt, der die Sache spannend macht. Mich motiviert zwar hauptsächlich der Gedanke, unter schwierigen Umständen immer bessere Bilder auf den Zug zu bekommen, aber der „Reiz des Verbotenen“ spielt ganz klar auch eine Rolle.

Gerade deshalb, weil deine Aktionen verboten sind, ist dir die Polizei wohl ständig auf den Versen. Fühlst du dich dadurch unter Druck gesetzt?

Sagen wir es so: Die Polizei ist fit, die haben schon einen sehr genauen Plan davon, was sie zu tun haben. Damit kann ich mich aber arrangieren. Unter Druck setzt einen das natürlich trotzdem. Gerade wenn man mitbekommt, dass sie jemanden hochgenommen haben, merkt man wieder, dass man sehr vorsichtig sein muss. Wenn man nachlässig wird, kann man das ziemlich schnell bereuen.

Wirst du deswegen auch im Alltag vorsichtiger?

Ich war in Sachen Graffiti schon immer sehr vorsichtig, noch mehr Vorsicht ist bei mir momentan nicht nötig. Ich achte zum Beispiel sehr genau darauf, wem ich was erzähle. Es ist nicht so, dass ich in meinem Bekanntenkreis ein Staatsgeheimnis daraus mache, dass ich sprühe. Aber nähere Informationen dazu bekommt eigentlich kaum jemand. Denn im Endeffekt könnte jeder für dich zur Falle werden - selbst dann, wenn sich jemand vor den Falschen verplappert und dich damit aus Versehen verpfeift.

Katz und Maus mit der Polizei

Es ist eine gängige Methode der Polizei, mitten in der Nacht mit Durchsuchungsbefehl bei Verdächtigen vor der Tür zu stehen. Ist es ein Klischee, dass die Polizei dabei sofort über kistenweise Sprühdosen und Graffiti-Fotos stolpert?

Wie andere das handhaben weiß ich nicht, aber bei mir ist es ziemlich aufgeräumt, zumindest was Graffiti angeht (lacht). Mit manchen Sachen muss man eben ein bisschen aufpassen. Es kann jederzeit etwas schiefgehen, und das kann ich nun mal nicht voraussehen. Da ist es gut, wenn man vorbereitet ist.

Empfindest du die Aktivität als Graffiti-Sprüher und die Verfolgung durch die Polizei als eine Art Katz-und-Maus-Spiel?

Ja, in gewisser Weise schon. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem beide Seiten sich das Vorgehen des Anderen genau ansehen und dann immer intelligenter vorgehen, man fordert sich schon gegenseitig. Sagen wir es so: Wenn die Katze plötzlich viele Mäuse erwischt, dann suchen sich die anderen Mäuse eben andere Wege zum Käse. Und wenn die Katze dann plötzlich gar keine mehr fängt, wird sie sich sicher auch eine andere Strategie überlegen.