Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Hormonell aufgeladenes Gewalt- und Konfliktpotenzial

Soweit die politische und strafrechtliche Seite des Grapschens. Doch wie steht es um die gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen, pädagogischen und psychologischen Implikationen dieses weit verbreiteten, statistisch aber kaum zu erfassenden Phänomens?

 

Was die Zahl der Grapscher-Übergriffe in Frei- und Hallenbädern betrifft herrscht Unklarheit. Nach Aussage des baden-württembergischen Innenministeriums ist die Tendenz im ersten Halbjahr 2016 gegenüber 2015 leicht steigend. Im vergangenen Jahr wurden 89 Sexualdelikte in Frei- und Hallenbädernangezeigt.

In Niedersachsen haben sich die Zahlen sogar verdoppelt. Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es deutlich mehr Delikte. Hier fragt die Polizei nach der Nationalität der Täter. Knapp die Hälfte der Beschuldigten seien demzufolge Zuwanderer. Vor allem junge Migranten würden in Gruppen grapschen und drängeln.

Brisant und brandgefährlich

Die Tatsache, dass in Bädern gegrapscht wird, ist keineswegs neu. Genauso wenig wie das hormonell aufgeladene Gewalt- und Konfliktpotenzial, dass sich besonders an schwülen Tagen in Freiluftzonen anstaut und entlädt. Neu dagegen ist die intensive Berichterstattung in den Medien. Und die Tatsache, dass für viele Einheimische vor allem eine Gruppe als Täter infrage kommt: Flüchtlinge und Migranten.

Es ist gerade die Vermengung ganz verschiedener Ebenen – der politischen (Flüchtlingskrise), kulturellen (männerdominierte Gesellschaften in arabischen Ländern), religiösen (Frauen haben im Islam weniger Rechte) und der psychologischen (Angst der Bevölkerungsmehrheit vor dem „Fremden“) –, die das Thema so brisant und brandgefährlich macht.

„Nein heißt Nein" – juristische Dimension des Grapschens

Was als Diskussion über eine eher moderate Verschärfung rund um den Paragrafen 177 des Strafgesetzbuches (StGB) begonnen hatte, ist zu einer gesellschaftspolitischen Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Frauen und Männern, Religion und Kultur, Einheimische und Migranten geworden.

„Nein heißt Nein“: Dieser Grundsatz bedeutet, dass sich nicht nur derjenige strafbar macht, der Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Demnächst soll ausreichen, wenn sich der Täter (meist ein Mann) über den „erkennbaren Willen“ des Opfers (meist eine Frau) hinwegsetzt.

Wer „gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person“ sexuelle Handlungen vornimmt, muss mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Die Strafhöhe steigt, je intensiver der Gewalteinsatz bei der Tat ist. Der Strafrahmen reicht von sechs Monaten Mindest- und fünf Jahren Höchststrafe. Neu hinzu kommt der Straftatbestand sexueller Angriffe aus einer Gruppe heraus.

Grapschen und Gruppe

Der Straftatbestand der sexuellen Belästigung wird als Paragraf 184i in das StGB neu eingeführt. Strafbar ist demnach, eine andere Person „in sexuell bestimmter Weise körperlich zu berühren und so zu belästigen“. Damit sollen vor allem die Fälle geahndet werden, in denen Frauen gegen deren Willen an die Brust, an den Po oder in den Schritt gefasst wird.

Bisher gab es diesen Straftatbestand nicht. Übergriffe dieser Art mussten entweder als Beleidigung verfolgt werden – oder wurden erst gar nicht verfolgt, weil die Aussicht auf Erfolg gering war.

Um die Gesetzesverschärfung ringen die Parteien schon seit langem. Die Silvesternacht 2015/16 hat die Diskussion erheblich angeheizt und die Entschlussfreudigkeit der Politiker befeuert. Als Konsequenz sind jetzt auch aufdringliches Grapschen und sexuelle Attacken aus der Gruppe als Straftatbestände festgeschrieben. Solche Sexualdelikte seien ein „neues und gewichtiges Phänomen“, das für Opfer ein „erhöhtes Gefahrenpotenzial“ berge und strafrechtlich bisher nicht voll erfasst sei.

Grapschen und Grapscher – Eine Spurensuche

Hormonell aufgeladenes Gewalt- und Konfliktpotenzial

Soweit die politische und strafrechtliche Seite des Grapschens. Doch wie steht es um die gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen, pädagogischen und psychologischen Implikationen dieses weit verbreiteten, statistisch aber kaum zu erfassenden Phänomens?

Was die Zahl der Grapscher-Übergriffe in Frei- und Hallenbädern betrifft herrscht Unklarheit. Nach Aussage des baden-württembergischen Innenministeriums ist die Tendenz im ersten Halbjahr 2016 gegenüber 2015 leicht steigend. Im vergangenen Jahr wurden 89 Sexualdelikte in Frei- und Hallenbädernangezeigt.

In Niedersachsen haben sich die Zahlen sogar verdoppelt. Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es deutlich mehr Delikte. Hier fragt die Polizei nach der Nationalität der Täter. Knapp die Hälfte der Beschuldigten seien demzufolge Zuwanderer. Vor allem junge Migranten würden in Gruppen grapschen und drängeln.

Brisant und brandgefährlich

Die Tatsache, dass in Bädern gegrapscht wird, ist keineswegs neu. Genauso wenig wie das hormonell aufgeladene Gewalt- und Konfliktpotenzial, dass sich besonders an schwülen Tagen in Freiluftzonen anstaut und entlädt. Neu dagegen ist die intensive Berichterstattung in den Medien. Und die Tatsache, dass für viele Einheimische vor allem eine Gruppe als Täter infrage kommt: Flüchtlinge und Migranten.

Es ist gerade die Vermengung ganz verschiedener Ebenen – der politischen (Flüchtlingskrise), kulturellen (männerdominierte Gesellschaften in arabischen Ländern), religiösen (Frauen haben im Islam weniger Rechte) und der psychologischen (Angst der Bevölkerungsmehrheit vor dem „Fremden“) –, die das Thema so brisant und brandgefährlich macht.

Grapscher gab es schon immer und überall

Wie der Blick in die Wörterbücher bereits gezeigt hat (was auch für das Grimmsche Wörterbuch von 1838ff. gilt), ist Grapschen weder eine Erfindung der Postmoderne noch eine Domäne bestimmter gesellschaftlicher Gruppen oder gar einer einzelnen Religion.

Grapschen ist so alt wie die Menschheit. Eine Geißel der Frauen, unter der Ägypterinnen und Tunesierinnen genauso zu leiden haben wie Chinesinnen und Australierinnen, Deutsche und Italienerinnen.

In Japan beispielsweise werden Perverse und Sittenstrolche „Chikan“ genannt. Sie treiben ihr Unwesen in den überfüllten Pendlerzügen, in denen sie Frauen sexuell berühren, um daraus Lustgewinn zu ziehen. Obwohl dies eine Straftat ist, kommt es seitens der betroffenen Frauen - aus Scham oder aufgrund geringer Erfolgsaussichten einer Klage – nur selten zur Anzeige.