Die Finanzaufsicht Bafin klärt über nicht-regulierte Geldanlagen auf. Sie wehrt sich gegen Kritik, zu wenig vor schwarzen Schafen gewarnt zu haben.

Stuttgart - Fälle wie die des Windparkfinanzierers Prokon und des Frankfurter Immobilienfondsanbieters S&K erregen die Gemüter. Bei Prokon bangen 75 000 Anleger um ihr eingesetztes Geld, bei S&K ist den Geldgebern bereits ein Schaden von 200 Millionen Euro entstanden. In beiden Fällen lautet der Vorwurf, die Initiatoren hätten ein Schnellballsystem betrieben. Und in beiden Fällen wusste die deutsche Finanzaufsicht Bafin, wie das Geschäftsmodell gestrickt war. Warum ist die Kontrollbehörde nicht eingeschritten? Anleger und Anwälte machen ihr deshalb schwere Vorwürfe und vergleichen sie mit den berühmten drei Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

 

Die in Bonn und Frankfurt ansässigen Aufseher weisen die Kritik entschieden zurück. Die Rechtslage in Deutschland sei so, dass die Bafin Anbieter am sogenannten grauen Kapitalmarkt nicht beaufsichtigt. Sie prüft lediglich, ob ein Prospekt etwa für Genussscheine oder Fondsanteile vollständig ist und den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt – sofern überhaupt ein Prospekt erstellt werden muss. Dies bedeute aber nicht, dass die Bafin das Unternehmen oder sein Geschäftsmodell abgesegnet oder zugelassen hat, heißt es klipp und klar in der gerade erschienenen Bafin-Broschüre „Grauer Markt und schwarze Schafe“. Die Anlagen würden nicht auf Werthaltigkeit oder Seriosität hin untersucht.

Die Aufseher dürfen sich öffentlich nicht negativ äußern

Die Finanzaufseher unterlägen einer sehr weit gehenden Verschwiegenheitspflicht, sagt Olivier Gohr, Kapitalmarktexperte bei der Bafin, auf der Finanzmesse Invest. Sie dürfe nicht sagen, dieses oder jenes Unternehmen sei böse. Sie dürfe lediglich veröffentlichen, welche Maßnahmen sie im Einzelfall ergriffen habe, etwa wenn jemand illegal Gelder eingesammelt hat und deshalb sein Geschäft abwickeln muss.

Nicht jedes Angebot am grauen Kapitalmarkt sei „obszön“, sagt Gohr. Umgekehrt seien aber auch nicht alle Angebote des regulären Kapitalmarktes seriös. Darunter fasst die Bafin Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister zusammen, die für ihre Tätigkeit eine gesetzliche Erlaubnis brauchen und von der Aufsicht laufend kontrolliert werden. Am grauen Kapitalmarkt brauchen die Akteure keine behördliche Zulassung. Zu dem Segment gehören Unternehmensbeteiligungen, Genussrechte und andere Schuldverschreibungen, Direktinvestments in Rohstoffe oder Metalle, Crowdfunding sowie Darlehen mit sogenannten Nachrangklauseln. Bei letzteren wird ein Darlehen nur zurückgezahlt, wenn der Darlehensgeber dadurch nicht insolvent wird.

Von wegen grau: eigentlich schillern die Angebote bunt

Eigentlich müsste der graue Kapitalmarkt Regenbogenkapitalmarkt heißen, meinen die Aufseher – so vielfältig seien die Angebote: Gründungsfinanzierungen, Unternehmensanleihen und Kapital für die Energiewende gehörten dazu. Auch sei es legitim, dass kleine Unternehmen die hohen Kosten vermeiden wollten, die mit einer Beaufsichtigung verbunden sind. „Die Existenz eines legalen grauen Kapitalmarktes ist an sich kein regulatorischer Missstand, sondern Ausdruck der Grundsätze von Gewerbefreiheit und Privatautonomie“, schreibt ein Mitarbeiter des Grundsatz-Referates im jüngsten „Bafin-Journal“. Der Artikel hat Aufsehen erregt. So mancher Leser wundert sich, dass ausgerechnet die staatlichen Kontrolleure den grauen Kapitalmarkt reinwaschen.

Die Bafin bestreitet aber gar nicht, dass sich in dem Segment auch viele schwarze Schafe tummeln. Wie kann man die erkennen? Etwa wenn Anbieter mit hohen Renditen über dem allgemeinen Marktniveau locken, eine Anlage als bombensicher dargestellt wird, Anleger zu Neuinvestitionen genötigt werden oder sich die schon erwähnten Nachrangklauseln im Vertrag finden. Hellhörig sollte man auch werden, wenn eine Nachschusspflicht besteht, also das Verlustrisiko über das eingesetzte Kapital hinaus geht.

„Lesen Sie den Vertrag gründlich“, rät Bafin-Experte Gohr. Einzig der Vertrag und nicht blumige Werbeversprechen würden vor Gericht als Beweis akzeptiert. Gohr ermuntert Anleger, die Aufsicht über zweifelhafte Angebote zu informieren. Nur dann könne sie aktiv werden und gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft einschalten. Schämen müsse sich niemand, wenn er auf ein verlockendes Angebot hereinfällt, sagt Gohr und fügt tröstend hinzu: „Das passiert in den besten Familien.“

Finanzmesse Invest

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Am Samstag noch können sich interessierte Anleger auf der Invest über Geldanlage, Börsentrends, Rohstoffe und Vermögensverwaltung auf dem Stuttgarter Messegelände informieren. Die Messe, die zum 15. Mal stattfindet, läuft seit Freitag. In den Messehallen gibt es zahlreiche Veranstaltungen und Vorträge.

Tickets
Die Tageskarte einschließlich VVS-Fahrkarte kostet regulär 25 Euro, ermäßigt 14 Euro. Die Messe ist am Samstag von 9.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.