In ihrer Krisensitzung haben die EZB-Räte entschieden, die Notfallkredite für griechische Banken aufrecht zu erhalten. Das Programm bleibt aber bei 90 Milliarden Euro gedeckelt. Kritiker sind der Ansicht, die EZB müsse diese Gelder stoppen – was gravierende Konsequenzen für Griechenland hätte.

Stuttgart - Kunst neigt zu Übertreibungen. „Außer Betrieb“ projizierte der Düsseldorfer Lichtkünstler Oliver Bienkowski am vergangenen Donnerstagabend auf die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Näher erklären wollte Bienkowski sein neustes Werk nicht. „Wir wollen das extra offenlassen, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann“, sagte der Lichtkünstler.

 

Realistisch betrachtet lag der Lichtkünstler mit seiner Aussage allerdings ziemlich daneben. Es ist vor allem die Europäische Zentralbank, die seit Monaten in der Schuldenkrise der Eurozone als einzige europäische Institution ihre Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Und auch am Montag waren alle Blicke sie gerichtet. Würden die Währungshüter einen Zusammenbruch des griechischen Finanzsystems nach dem ablehnenden Referendum des griechischen Volks weiterhin verhindern? Oder würde die EZB weiterhin „Konkursverschleppung“ betreiben, wie einige Kritiker der Notenbank vorwerfen?

In ihrer Krisensitzung entschieden die EZB-Räte, die Notfallkredite für griechische Banken aufrecht zu erhalten. Das Programm bleibt bei knapp 90 Milliarden Euro gedeckelt. Diese Ela-Notkredite („Emergency Liquidity Assistance“) sind seit Monaten die einzige Geldquelle der griechischen Banken. Dreht die EZB diesen Geldhahn zu, ist eine Pleite der Kreditinstitute nach Einschätzung von Ökonomen nicht mehr abzuwenden. Kritiker sind längst der Ansicht, über Ela würden marode Banken künstlich am Leben gehalten, die EZB müsse diese Gelder daher stoppen.

„Tagesration“ von 60 Euro

Nicht nur vor den Wahllokalen in Griechenland hatten die Menschen am Sonntag Schlange gestanden, sondern auch vor den Geldautomaten der seit einer Woche geschlossenen Banken. Sie wollten dort ihre „Tagesration“ von 60 Euro abheben. Auf diesen Höchstbetrag sind Auszahlungen seit Montag vergangener Woche gedeckelt. Wie am Montag bekannt wurde, bleiben die griechischen Banken noch bis Mittwoch geschlossen. Für zusätzliche Unruhe unter den Menschen sorgte am Wochenende das Eingeständnis der Präsidentin des griechischen Bankenverbands, Louka Katseli, das Liquiditätspolster der Banken reiche nicht mehr lange. Wenn bald kein frisches Geld fließt, seien die Automaten leer. Ohne die Einführung der Kapitalverkehrskontrollen, mit denen Abhebungen begrenzt und Auslandsüberweisungen praktisch verboten wurden, wären die griechischen Banken bereits am Ende.

Auch von politischer Seite gab es die Forderung, die Ela-Kredite nicht zu kappen. „Derzeit gibt es ein Niveau an Liquidität, das nicht verringert werden kann“, sagte Frankreichs Finanzminister Michel Sapin. Allerdings entscheide die EZB in völliger Unabhängigkeit, fügte er hinzu. Die Hilfen summieren sich auf 88,8 Milliarden Euro. Das entspricht fast 50 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts.

Doch die Ela-Kredite sind umstritten. Kritiker sehen darin eine versteckte Staatsfinanzierung, die der EZB verboten ist. Meinungsverschiedenheiten gibt es im EZB-Rat auch darüber, ob die Sicherheiten, die Griechenlands Banken für die Notkredite hinterlegen, niedriger bewertet werden müssten, seit das Land am 30. Juni gegenüber dem Internationalen Währungsfonds seine Zahlungen einstellte. Frisches Bargeld, das wohl aus Frankfurt eingeflogen werden müsste, könnte die akuten Liquiditätsengpässe der Institute zwar lindern. Aber es gibt ein weiteres Problem: Die vier systemrelevanten griechischen Banken brauchen neues Kapital. Vor allem die Rückstellungen für wachsende Kreditausfälle zehren am Kapital.

Zwangsabgabe auf Einlagen über 100.000 Euro

Im zweiten, 2012 geschnürten Griechenland-Rettungspaket waren für die Rettung der griechischen Banken 50 Milliarden Euro vorgesehen. Davon wurden 10,9 Milliarden Euro bisher nicht abgerufen. Diese Gelder stehen allerdings seit vergangener Woche nicht mehr zur Verfügung – sie verfielen, als am 30. Juni das Hilfsprogramm auslief. Dass sich private Investoren finden, die jetzt den griechischen Banken das benötigte Kapital zuschießen, ist sehr unwahrscheinlich.

Die Euro-Staaten dürften es jedoch zur Bedingung machen, dass die griechischen Einleger mit einer Zwangsabgabe auf ihre Guthaben an den Kosten der Bankenrettung beteiligt werden – wie 2013 in Zypern. Dort wurden Einlagen von über 100 000 Euro mit einer Zwangsabgabe von rund 50 Prozent herangezogen. Die Einleger bekamen für ihr Geld weitgehend wertlose Aktien. Die Regierung versichert seit Tagen, die Einlagen seien nicht in Gefahr. Zwar sind Guthaben bis zu 100 000 Euro versichert. Aber im Ernstfall ist dieses Versprechen wenig wert. Der für den Fall von Insolvenzen von den Banken gebildete Einlagensicherungsfonds enthält nach Angaben aus Branchenkreisen nur etwa drei Milliarden Euro. Die Einlagen belaufen sich dagegen auf 122 Milliarden Euro.

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