Wenige Tage vor dem geplanten Sondergipfel zur Griechenland-Krise mehren sich die Forderungen nach einem Schuldenerlass.

Berlin - Wenige Tage vor dem geplanten Sondergipfel der Euro-Länder zur Griechenland-Krise mehren sich die Forderungen nach einem Schuldenerlass. Wirtschaftsexperten bezeichnen diesen radikalsten der vieldiskutierten Lösungsansätze als unumgänglich. Das Institut der Deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) empfiehlt bereits erste Abschreibungen. Aus Sicht von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann würde ein Schuldenschnitt die Situation Griechenlands allerdings nicht verbessern.

 

Am Donnerstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten in Brüssel, um einen Rettungsplan für Griechenland unter Dach und Fach zu bringen. Wie dieser aussehen soll, ist weiter unklar. Diskutiert wird vor allem, ob und in welchem Umfang Banken und Versicherungen an der Rettung beteiligt werden.

Commerzbank-Chef Martin Blessing hatte in der vergangenen Woche vorgeschlagen, dass Gläubiger ihre griechischen Staatspapiere in 30 Jahre laufende Papiere mit einem Zinssatz von 3,5 Prozent umtauschen sollten, dabei aber einen Abschlag von 30 Prozent hinnehmen müssten.

Wirtschaftsweiser: Euro-Rettungsschirm beteiligen

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz bezeichnete einen Schuldenschnitt als „unausweichlich und zudem für gerechtfertigt“. Allerdings müsse die Umschuldung so gestaltet werden, „dass daraus für die Euro-Zone kein Desaster erwächst“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dem Nachrichtenmagazin „Focus“.

„Eine Möglichkeit bestünde darin, dass der derzeitige Euro-Rettungsschirm EFSF griechische Staatspapiere mit einem gehörigen Abschlag in von ihm ausgegebene und garantierte Anleihen umtauscht“, erklärte Franz. Damit sei der sogenannte Haircut realisiert. Es müsse ferner diskutiert werden, ob das Umtauschangebot auch für Portugal und Irland gelte. „Für Griechenland allein rechnen wir mit rund 170 Milliarden Euro, mit denen dieser Umtausch bei dem Rettungsschirm zu Buche schlagen würde“, sagte Franz.

Die deutsche Industrie sieht neben einem Schuldenerlass auch wirtschaftliche Wiederaufbauhilfen für Griechenland als notwendig an. In einem Brief von BDI-Präsident Hans-Peter Keitel an Führungskräfte der deutschen Industrie heißt es nach Informationen der „Bild am Sonntag“ :„Erstens muss die Gesamtschuldenlast des Landes auf ein tragfähiges Niveau gesenkt werden. Zweitens braucht Griechenland einen Business-Plan im Sinne eines Schumanplans.“ Mit dem Schumanplan wurde der deutschen Montanindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Beine geholfen.

Wirtschaftsprüfer rechnen bereits

Das IDW rät Banken schon jetzt zu einer raschen Abschreibung von Griechenland-Anleihen. Angesichts der Diskussion über einen möglichen Schuldenschnitt habe das IDW den deutschen Kreditinstituten empfohlen, Abschreibungen auf diese Papiere bereits in den Abschlüssen für das erste Halbjahr 2011 vorzunehmen, berichtete das Magazin „Euro am Sonntag“. „Eine außerordentliche Abschreibung der Griechenland-Anleihen im ersten Halbjahr 2011 würde einer vorsichtigen Einschätzung folgen“, sagte Vorstand Klaus-Peter Feld der Zeitung.

Bezogen auf das nominelle Griechenland-Engagement aller deutschen Banken von rund 17 Milliarden Euro läge das Abschreibungsvolumen bei dem derzeit diskutierten Schuldenschnitt von 30 Prozent bei etwa fünf Milliarden Euro, rechnete das Institut vor. Die Commerzbank mit einem Griechenland-Portfolio von drei Milliarden Euro müsste knapp eine Milliarde Euro abschreiben.

Bundesbank-Chef warnt vor Umschuldung

Bundesbank-Präsident Weidmann gab jedoch zu bedenken, dass ein Schuldenerlass die Probleme Griechenlands nicht lösen würde: „Griechenland konsumiert deutlich mehr als es erwirtschaftet, der Staatshaushalt weist hohe Defizite auf. So lange sich daran nichts ändert, schafft selbst ein Schuldenschnitt keine wirkliche Besserung“, sagte Weidmann der „Bild am Sonntag“.

Die zuletzt von Experten ins Spiel gebrachten Eurobonds bringen aus Sicht von Weidmann keine Besserung, im Gegenteil. „Nichts würde die Anreize für eine solide Haushaltspolitik rascher und dauerhafter zerstören als eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden“, erklärte der Bundesbank-Chef. Bei einem solchen Schritt müssten die europäischen und vor allem die deutschen Steuerzahler für die gesamten griechischen Staatsschulden einstehen.

SPD-Finanzexperte Joachim Poß warf Weidmann unterdessen vor, „in dieser Frage wegen der spezifischen Interessen der Europäischen Zentralbank gefangen“ zu sein. Weidmann sollte nicht „die vermeintlichen Interessen der Steuerzahler als Alibi benutzen“, erklärte Poß. Die Europäische Zentralbank (EZB) lehnt eine Beteiligung des Privatsektors an der Griechenland-Rettung ab, da die großen Ratingagenturen diese Option als „begrenzten Zahlungsausfall“ werten würde. Die Währungshüter befürchten, dass die Risikoaufschläge - also die Zinsen - in Folge auch für andere Länder steigen könnten.