Griechenlands Wirtschaftsminister Chrisochoidis will Zweifel am Reformwillen zerstreuen. Und wirbt in dramatischer Lage um Verständnis.

Brüssel/Stuttgart - Griechenlands Wirtschaftsminister Chrisochoidis will Zweifel am Reformwillen zerstreuen. Und wirbt in dramatischer Lage um Verständnis.

 

Herr Minister, vergangene Woche sind die Finanzexperten der Troika unzufrieden aus Athen abgereist. Seither zweifeln viele wieder am Spar- und Reformwillen Griechenlands. Zu Recht?

Die Antwort darauf hat die Regierung am Dienstagabend gegeben, als wir schwierige Entscheidungen getroffen haben. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass wir unsere Verpflichtungen erfüllen. Dass es dabei Druck auf uns gibt, ist doch logisch. Unsere Finanzlage und die der Eurozone hängen davon ab.

Dass es nach Plan läuft, können Sie nicht behaupten.

Das mache ich auch nicht - erst recht nicht als Minister, der für Wachstum zuständig ist. Die griechische Wirtschaft stirbt. Tag für Tag sehe ich, wie eigentlich gesunde Unternehmen pleitegehen. Wir sollten einen kranken Mann heilen und nicht töten.

Warum ist die Rezession aus Ihrer Sicht tiefer und anhaltender, als Ihnen vorhergesagt wurde?

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren massive Ausgabenkürzungen und Reformen umgesetzt. Wir haben Gehälter und Pensionen gekürzt, die Bevölkerung leidet. Den Preis dafür, dass wir als öffentliche Hand dieses riesige Sparziel angehen, zahlt der Privatsektor. Wir würgen die Wirtschaft ab, weil wir hohe Steuersätze, auch für Unternehmen, eingeführt haben. Das mit Abstand größte Problem Griechenlands ist jetzt die fehlende Liquidität der Banken, die de facto geschlossen sind. Kleine und mittlere Unternehmen bekommen keinen Kredit mehr.

Die Ausgaben zu kürzen hat funktioniert. Nun sind die Menschen verärgert und wehren sich gegen Strukturreformen, die Wachstum ermöglichen sollen. Teilen Sie diese Analyse vieler Experten?

Ja. Die Balance zwischen Kürzungen und dem Schutz des Privatsektors zu halten ist schwierig. Neben den neuen Maßnahmen versuche ich, etwa neue Förderprogramme für unsere Exportunternehmen zu kreieren. Das läuft zurzeit sehr gut - wir verzeichnen bei den Ausfuhren ein Plus von 40 Prozent. Diese Firmen sorgen für zehn Prozent unseres Bruttoinlandproduktes. Es ist also entscheidend, sie zu stützen. Daraus soll ein neues Wirtschaftsmodell erwachsen, wettbewerbsfähig und produktiv.

Brauchen Sie dafür weitere europäische Hilfe?

Erste Priorität ist die Umschuldung - die Umsetzung der Eurogipfel-Beschlüsse vom 21. Juli. Wir brauchen aber Hilfe, um die Kreditklemme unserer Banken zu überwinden. Auch benötigen wir technische Unterstützung und einen Transfer von Knowhow, speziell beim Umbau der Verwaltung. Die EU-Staaten haben viel Erfahrung mit solchen Reformen. Und natürlich bitten wir auch um Verständnis unserer Partner. Wir fühlen uns als Teil dieser europäischen Familie und wollen das auch bleiben.

Dazu muss das Land wieder wachsen. Nur wann?

Ich hoffe, dass wir im zweiten Quartal nächsten Jahres erste Signale für Wachstum sehen werden.

Ihr Finanzminister hat gerade gesagt, die Ziele beim Defizitabbau in diesem Jahr und die Wachstumsprognosen für das nächste seien nicht zu halten. Hat sich das mit den neuen Beschlüssen geändert?

Das Defizit wird höher sein als vereinbart, aber das ist der Rezession geschuldet. Die vielen Arbeitslosen zahlen nicht mehr in die Sozialkassen ein, der Haushalt muss diese Lücke schließen. Mit den neuen Maßnahmen wird das Defizit ein Stück niedriger ausfallen, aber es scheint unmöglich, die ursprüngliche Zielmarke von 7,6 Prozent zu erreichen.

Wenn die Troika feststellt, dass die Vorgaben nicht erreicht werden, will Berlin kein weiteres Geld geben.

Das Problem ist nicht ein Prozentpunkt mehr oder weniger. Die Troika will sehen, dass wir voranschreiten und die Reformen anpacken. Wir haben doch zwei Möglichkeiten: Entweder setzen wir diese Reformen nach den Regeln unseres demokratischen Landes um. Oder wir machen es anders, es gibt eine soziale Katastrophe, und Griechenland kollabiert.

Sie verlangen also mehr Zeit?

Ja. Dann werden wir diese Krise auch überwinden.