Am Mittwochabend trafen sich in Brüssel erneut die Euro-Finanzminister – doch nach gerade einmal eineinhalb Stunden wird das Treffen vertagt. Forderungen der Gläubiger haben eine schnelle Einigung mit Athen wieder unwahrscheinlicher gemacht.

Brüssel/Athen - Ein solches Szenario hat Angela Merkel wohl nicht im Auge gehabt, als sie nach dem Euro-Krisengipfel in der Nacht zu Dienstag erklärte, nun müsse „mit Hoch- und Nachdruck“ gearbeitet werden, um das griechische Drama in der Kürze der Zeit noch zu einem guten Ende zu bringen. Stattdessen herrschte am Mittwoch in Brüssel Ernüchterung. „Unsere Experten haben zwar die ganze Nacht mit ihren griechischen Kollegen verhandelt“, berichtete jemand von der Europäischen Zentralbank (EZB), „aber es hat seit Montag eigentlich keine Fortschritte mehr gegeben: Wir liegen in fast allen Punkten noch auseinander.“

 

Der ohnehin auf Kante genähte Zeitplan sah eigentlich etwas Anderes vor: Die Staats- und Regierungschefs hatten die neuen griechischen Spar- und Reformvorschlägen vom Montag als gute Grundlage für eine Einigung bewertet. Die Athener Regierung sollte sich rechtzeitig vor der nächsten Sondersitzung der Euro-Finanzminister am Mittwochabend mit EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) auf ein „staff level agreement“ verständigen. Darin müssen en detail die künftigen Haushaltskennzahlen sowie die Reformmaßnahmen aufgelistet sein, die Griechenland im Gegenzug für den dringend benötigten Hilfskredit über 7,2 Milliarden Euro umsetzen muss. Zudem wird niedergelegt, welche Beschlüsse das griechische Parlament vor einer möglichen Auszahlung fassen muss, um die Ernsthaftigkeit des Reformwillens zu beweisen.

Bis zum späten Mittwochnachmittag lag dieses entscheidende Dokument aber nicht vor – und der EZB-Beamte hielt es auch für ausgeschlossen, dass die Minister es bei ihrer Ankunft vorfinden würden: „Ein ausformuliertes Papier kann es schon zeitlich nicht mehr geben, wir müssen froh sein, wenn wir eine formlose Einigung erzielen.“

Geldgeber fordern Korrekturen

Gearbeitet wurde daran im Gebäude der EU-Kommission, wo Hausherr Jean-Claude Juncker, EZB-Präsident Mario Draghi, IWF-Chefin und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem erst die Position der Gläubiger absteckten und diese anschließend direkt mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras darüber verhandelten. „Griechenland wird sich an der ein oder anderen Stelle noch bewegen müssen“, hieß es dazu in deutschen Regierungskreisen.

Klar war zu diesem Zeitpunkt bereits, dass sich die Geldgeber nicht mit kleinen Änderungen an den griechischen Vorschlägen vom Montag zufrieden geben würden. So wurden am Nachmittag fünf von zehn Punkten aus dem aktuellen Verhandlungsdokument der Öffentlichkeit zugespielt. Darin wimmelt es von Korrekturen und Ergänzungen in roter Farbe. So fordern die Gläubiger etwa, dass eine Mehrwertsteuererhöhung den Gegenwert von einem Prozent der Wirtschaftsleistung an Mehreinnahmen bringt – Athen hat „nur“ 0,74 Prozent angeboten, um seine Bürger nicht noch stärker zu belasten. Im Steuerrecht sollen Ermäßigungen für Bauern fallen. Die vom Tsipras angekündigte Einmalabgabe von zwölf Prozent auf Unternehmensgewinne jenseits von 500 000 Euro haben die Gläubiger einfach durchgestrichen.

Bundesfinanzministerium: „Wir kaufen nicht die Katze im Sack“

Entsprechend entrüstet hatte sich Tsipras, der dieses Papier natürlich früher zu Gesicht bekommen hatte, bereits vor seinem Abflug aus Athen geäußert: „Eine wiederholte Ablehnung alternativer Spar- und Reformmaßnahmen durch bestimmte Institutionen hat es noch nie gegeben – weder in Irland noch in Portugal.“ Entgegen der Behauptung der Gläubigerseite, man ziehe an einem Strang, spielte Tsipras damit auf die besonders harte IWF-Position an. Zudem hieß es, für Berlin sei „eine Lösung ohne den IWF nicht denkbar“. Tsipras teilte via Twitter zugleich mit: „Die seltsame Haltung der Gläubiger scheint nahezulegen, dass es kein Interesse an einer Einigung gibt oder Spezialinteressen verfolgt werden.“

Vor dem Hintergrund der neuen Gegenforderungen der Geldgeber schwanden die Chancen auf eine Einigung am Nachmittag von Minute zu Minute. Die Sinnhaftigkeit eines weiteren Ministertreffens am Abend stand ebenfalls zunehmend in Frage, da selbst im Fall einer formlosen Einigung zwischen den Troika-Institutionen und Griechenland weiterer Beratungsbedarf herrschte. „Wir werden nicht die Katze im Sack kaufen“, hieß es im Bundesfinanzministerium. Vor einer etwaigen Zustimmung zu einer Einigung müsste diese eingehend von der Runde der Euro-Staatssekretäre geprüft werden, ehe die Minister ihren Segen geben könnten, hieß es.

Am Ende saßen die Minister gerade einmal anderthalb Stunden zusammen – dann hieß es, das Treffen sei auf Donnerstagmittag vertagt. Der ursprüngliche Plan, wonach die Minister am Abend Beschlüsse für den EU-Gipfel am Donnerstag vorbereiten sollten, war damit obsolet. Wieder einmal.