Ankerinvestor bei der Deutschen Bank wird Hamad bin Dschassim bin Dschaber al-Thani. Im engeren finanzpolitischen Zirkel der Herrscherfamilie Katars spielt der 55-Jährige eine führende Rolle. Seine Interessen sind allerdings vielfältig.

Stuttgart - Katar beflügelt die Fantasie. Das winzige Land fasziniert und polarisiert, gilt als märchenhaft reich und rätselhaft verschlossen. Der Däumling am Persischen Golf gehört zu den treibenden Kräften gegen Syriens Diktator Baschar al-Assad, unterhält gleichermaßen gute Beziehungen zu Iran und Israel. Seit 1998 beherbergt er das Hauptquartier der US-Truppen im Nahen Osten, seit Kurzem auch ein Verbindungsbüro der afghanischen Taliban. Rund um den Globus suchen seine Emissäre mit Milliardensummen nach lukrativen Industriebeteiligungen – angesehene Marken, Zukunftstechnik, Banken und Umwelt-Knowhow. Aufgrund der enormen Gasvorkommen zählt das Golfemirat zu den reichsten Ländern der Welt, ist ökonomisch ein Riese und bleibt dennoch mit seinen 250 000 einheimischen Bewohnern demografisch ein Zwerg.

 

Der Cousin begründet des moderne Katar

Als Schöpfer des modernen Katar gilt der Cousin des neuen Großaktionärs der Deutschen Bank: Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani. Von 1995 bis 2013 formte der 62-Jährige in knapp zwei Jahrzehnten aus der verschlafenen Halbinsel ein internationales Wirtschaftsimperium. „Wenn eines Tages Öl und Gas erschöpft sind, werden wir nicht wieder zurück auf unsere Kamele steigen“, pflegte er zu scherzen. Die Hauptstadt Doha stieg auf zum globalen politischen Gastgeber, nicht nur für die Welthandelsrunde, auch für die Arabische Liga, den Golf-Kooperationsrat und die Opec. 2022 soll hier erstmals die Fußball-WM in einem arabischen Land ausgetragen werden.

Mitte 2013 reichte Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani die Macht freiwillig weiter, im Nahen und Mittleren Osten eine staatsmännische Rarität. Per königlichem Dekret und Fernsehansprache hob er seinen 34-jährigen Sohn Tamim auf den Thron, der Viertgeborene unter seinen Nachkommen. Die Zeiten als Regierungschef und Außenminister des reichen Kleinstaates sind für Hamad bin Dschassim bin Dschaber al-Thani seither vorbei. Doch im engeren finanzpolitischen Zirkel der Herrscherfamilie spielt der 55-Jährige weiter eine führende Rolle.

Seine Laufbahn im Kabinett des Golfemirats Katar begann er 1989 als Landwirtschaftsminister. Der in Doha geborene Großinvestor besuchte mehrere Universitäten in Katar, im Libanon, schließlich in Großbritannien. Der Scheich hat arabischen Medien zufolge zwei Ehefrauen und mindestens 14 Kinder. In Katar gehören ihm zahlreiche Unternehmen, unter anderem in den Bereichen Bau und Investitionen. Zu seinem Vermögen gibt es widersprüchliche Angaben. Arabische Medien schreiben, das Vermögen das Herrscherhauses sei letztlich das Vermögen des Landes.

Kritik aus der arabischen Welt

Politisch geriet Hamad bin Dschassim bin Dschaber al-Thani in der arabischen Welt bereits in die Kritik, weil er sowohl zur schiitischen Hisbollah-Bewegung im Libanon Kontakt hielt als auch zu Israel. Der Scheich erwarb sich vor allem als Außenminister einen Ruf als diplomatischer Strippenzieher in regionalen Krisen. Derweil hat die neue politische Führung um Thronerbe Tamim bin Hamad al-Thani außenpolitisch ein fragiles Erbe übernommen. In der westlichen Welt ist das Emirat wegen seines Umgangs mit den Arbeitsmigranten aus Pakistan, Bangladesch und den Philippinen auf den WM-Großbaustellen in Misskredit geraten. In der arabischen Welt hat Katar wegen seiner Sympathie für die ägyptischen Muslimbrüder an Ansehen verloren. Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten zogen demonstrativ ihre Botschafter aus Doha ab. So wächst bei den Untertanen des jungen katarischen Fürsten die Sorge um die Zukunft ihrer Heimat, denn viele fürchten, dass Katar längst in einer falschen internationalen Gewichtsklasse boxt – und eines Tages hart zu Boden gehen könnte.