Nach dem Feuer in der Unterkunft an der Kirchheimer Straße mit neun Verletzten rätselt die Polizei noch über die Brandursache. Ein fremdenfeindlicher Anschlag gilt indes als fast ausgeschlossen. Als wahrscheinlicher gilt ein technischer Defekt. Am Montag rücken Spezialisten an.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart-Heumaden - Erleichterung macht sich am späten Samstagnachmittag bei den Helfern und den Betroffenen breit: Niemand ist bei dem Feuer in der Flüchtlingsunterkunft im Sillenbucher Stadtteil Heumaden lebensgefährlich oder gar tödlich verletzt worden. Auch als die Einsatzkräfte wegen der Einsturzgefahr des zerstörten Gebäudeteils erst Stunden nach dem Löschen die verkohlten Schuttberge durchsuchen, gibt es keine grausige Entdeckung. Zudem hat die Stadtverwaltung für die fast 70 Bewohner des Gebäudes an der Kirchheimer Straße in wenigen Stunden Ersatzquartiere organisiert.

 

Ein fremdenfeindlicher Anschlag, der zunächst als Brandursache in Betracht gekommen war, kann laut Polizei „nahezu ausgeschlossen“ werden. „Das ist noch einmal glimpflich ausgegangen“, zeigte sich die Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer erleichtert. Sie war am Vormittag mit Mitarbeitern der Stadt zum Brandort geeilt. Der OB-Kandidat von CDU, FDP und Freien Wählern, Sebastian Turner, war zu diesem Zeitpunkt bereits da.

Das Feuer versperrt die Fluchtwege

Frühmorgens war die Lage ebenso brenzlig wie unübersichtlich. Um 5.53 Uhr gingen die ersten Notrufe bei der Polizei und der Feuerwehr ein. Die Asylbewerberunterkunft besteht aus drei Gebäuden, in denen 130 Flüchtlinge wohnen. Im größten, dreistöckigen Gebäude schlugen Flammen aus den oberen Fenstern. Rasch bildete sich eine weithin sichtbare Rauchsäule über dem Gebäude. Nachbarn im Asylbewerberhaus reißen viele der Bewohner in der brennenden Unterkunft aus dem Schlaf. Zwar konnten sich fast alle 30 akut vom Feuer bedrohten Bewohner aus eigener Kraft retten. Das Feuer und der Rauch versperrten aber einigen Asylbewerbern den Weg über das Treppenhaus ins Freie. Ein 26-Jähriger knotete daher im zweiten Stock Bettlaken und Vorhänge zusammen und seilte sich mit seiner im fünften Monat schwangeren Freundin ab. Mindestens zwei Flüchtlinge brachten sich mit Sprüngen aus dem ersten Stock in Sicherheit.

Um 6.02 trafen die ersten Helfer der Berufsfeuerwehr aus Stuttgart und der ehrenamtlichen Abteilungen aus Heumaden, Birkach und Degerloch-Hoffeld ein. Unmittelbar danach habe die Brandbekämpfung begonnen, teilte die Feuerwehr mit. Insgesamt sind 90 Helfer im Einsatz. Wegen der großen Hitze halten die Asylbewerber Abstand vom Feuer, suchen in dem Durcheinander nach Angehörigen und Freunden und kümmern sich auch um Verletzte. Um 6.44 Uhr hatte die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Doch noch Stunden später drohten letzte Glutnester aufzuglimmen. Bis zum Mittag wurde deshalb noch Löschwasser gespritzt.

Nach und nach trafen rund 40 Einsatzkräfte des Rettungsdienstes und ehrenamtliche Helfer des Roten Kreuzes ein, um die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Außerdem stand ein SSB-Linienbus zur Verfügung, in dem viele Bewohner zunächst einmal Unterschlupf fanden.

Neun Bewohner wurden verletzt, zwei von ihnen – ein 41- und ein 47-Jähriger – durch Brandwunden und Rauchgasvergiftungen sogar schwer. Unter den Verletzten sind keine Kinder. Die Schadenshöhe wird auf mehrere 100 000 Euro geschätzt. Die Brandursache ist noch nicht geklärt. Laut der Polizei gehe man aber nicht von einem Anschlag aus. „Das ist auszuschließen, weil keine entsprechenden Spuren festgestellt werden konnten“, sagt ein Sprecher der Polizei und dementierte aufkeimende Gerüchte – vor genau 20 Jahren, am 24. August 1992, gingen die Bilder der massiven Übergriffe von Rostock-Lichtenhagen um die Welt, als rechte Randalierer Asylbewerber attackierten und Molotowcocktails gegen ein Wohnheim warfen.

Vorwürfe werden laut

Am Samstagabend konkretisierte die Polizei die Brandurasche. Demnach gebe es eine „gewisse Wahrscheinlichkeit für einen technischen Defekt“, so ein Polizeisprecher. Man hoffe, dass Experten in den nächsten Tagen noch Genaueres ermittelten. Der Aussage von Hausbewohnern, es sei vor wenigen Wochen nach einem starken Regen Wasser ins Haus eingedrungen und habe einen Kurzschluss verursacht, widersprach die Heimleitung: „Es ist zwar bei einem heftigen Unwetter etwas Regenwasser ins Haus geraten – aber vor allem, weil ein Bewohner ein Fenster offen gelassen hatte“, sagte der Hausmeister Karl-Heinz Lubotzki. „Es gab aber keinen Kurzschluss und keinen Brand. Die Feuerwehr musste damals die Tür zur Wohnung gewaltsam öffnen, um das Fenster zu schließen.“ Ob die Rauchmelder, die in den Fluren der Unterkunft montiert sind, angeschlagen haben, ist unklar. Laut Lubotzki wurden sie vor wenigen Wochen bei einer Brandschutzbegehung kontrolliert.