Von Laufrad zum Safety-Rad: Das Technoseum in Mannheim zeigt eine Sonderschau über Geschichte und Entwicklung des Fahrrads.

Mannheim - Sie ist eines der Prachtstücke der Schau: schlank, schnittig, gelb lackiert und dekoriert mit schwarzen Streifen. Die historische Laufmaschine ist ein echter Blickfang. Gebaut wurde sie 1820 mit einer Lizenz des Erfinders Karl Drais für das niederländische Königshaus, dem sie bis heute gehört. Vom Freitag an empfängt sie zusammen mit einem halben Dutzend durchweg ebenbürtiger Museumsstücke die Besucher der neuen Landesausstellung im Mannheimer Technoseum. Unter dem Titel „2 Räder – 200 Jahre, Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrrades“ stimmt sie auf das Jubiläumsjahr 2017 ein. Die Laufmaschine des Freiherrn von Drais gilt als erstes Zweirad und Meilenstein der Mobilitätsgeschichte.

 

Am 12. Juni 1817 hat er mit dem von ihm konstruierten „Sitz auf Rädern“ seine erste große Ausfahrt unternommen. Sie führte ihn vom Mannheimer Stadtzentrum etwa sieben Kilometer weit in den Vorort Rheinau. Hin und zurück brauchte er eine Stunde, und damit war er deutlich schneller als die Postkutsche.

Großer Erfolg war dem Erfinder in den folgenden Jahren gleichwohl nicht beschieden. „Die Jungfernfahrt war einer der Augenblicke, in denen Geschichte beginnt. Nur kam sie 50 Jahre zu früh, und womöglich fand sie auch im falschen Land statt“, erklärt Thomas Kosche, der Kurator der Mannheimer Schau. Denn Baden lag damals bei der technisch-industriellen Entwicklung im Vergleich mit England, Frankreich oder der Schweiz um Jahrzehnte zurück. Es gab dort, so erfährt man in der Ausstellung, keinen wirksamen Patenschutz, dafür viele politische und administrative Widerstände und kaum einen Markt für die bahnbrechende Idee des Freiherrn.

Kaum jemand konnte sich ein Laufrad leisten

Es waren schwierige Zeiten im deutschen Südwesten. Die einfachen Leute lebten nach Kriegen mit Frankreich und infolge von Ernteausfällen am Rande des Existenzminimums. Die Mehrheit der Bevölkerung, berichtet Kosche, „konnte an eine teure Anschaffung wie eine Laufmaschine nicht einmal denken“. Dafür hat man in besseren Kreisen begeistert zugegriffen. An das Haus Fürstenberg, das Leihgaben für die Mannheimer Ausstellung zur Verfügung gestellt hat, hat Drais mehrere seiner Lizenz-Räder verkauft. Im Haus Leiningen in Amorbach hat man – nach dem Drais’schen Vorbild – für den fürstlichen Nachwuchs bei einem unbekannten Hersteller eine Kinderlaufmaschine mit Stützrädern in Auftrag gegeben. Dieser hat dabei wie nebenbei den Prototyp aller Kinderdreiräder geschaffen.

Ein neues Kapitel begann, als die Franzosen 1869 dem Laufrad erstmals Pedale verpassten und das Velociped auf den Markt brachten. Damit mussten die Radler endgültig die Füße vom Boden nehmen und besser balancieren. Fast schon artistische Fähigkeiten waren gefragt, als 1885 das erste Hochrad kam. Mit dem Sicherheitsrad – dem „Safety“ aus England – hat das Rad dann 1888 seine bis heute gültige Grundform erreicht. Vom Freizeitgerät der besseren Kreise wurde es mehr und mehr zum Alltagsgegenstand und Transportmittel für Arbeiter und Angestellte. Das italienische Militär ist einst mit dem Rad in die Schlacht gezogen, die Engländer sind im zweiten Weltkrieg sogar samt ihren Bikes mit dem Fallschirm abgesprungen.

„Das Fahrrad funktioniert immer und überall. Es erlaubt Mobilität in allen halbwegs bewohnbaren Regionen der Welt, es ist erschwinglich, und mit etwas technischem Sachverstand kann es jeder selbst warten“, sagt Kosche. „Daher wird es auch noch wichtig sein, wenn das Auto mit Verbrennungsmotor längst ausgedient hat.“