Das Große Ägyptische Museum in Giseh nimmt nach mehr als einem Jahrzehnt Gestalt an. In der Schlussphase des Baus geht den Verantwortlichen jedoch allmählich das Geld aus. Man hofft auch auf Hilfe aus Europa.

Tarek Tawfik ist Wissenschaftler, ein nüchterner Mann, der seine Worte mit Bedacht wählt. Nur wenn er am Rande der Großbaustelle in Giseh steht, scheint sich die künftige Pracht des „Großen Ägyptischen Museums“ bereits in seiner Fantasie zu entfalten. „So wird die gesamte Szenerie einmal aussehen“, schwärmt er. „Oben die Galerien des Tutanchamun, dort die 25 Meter hohe Glasfassade mit einem atemberaubenden Blick auf die Pyramiden. Seine Hand zeigt auf die gigantische Öffnung am Kopf des lang gezogenen grauen Betonkörpers, über dem neun Baukräne in den Himmel ragen. Ab und zu summt einer der Motoren, Gehämmer und Gelächter schallen herüber. Die Arbeiter zimmern gerade an den Holzverschalungen für das Dach.

 

Seit gut einem Jahr ist der 44-jährige in Bonn promovierte Ägyptologe Chef des größten und ehrgeizigsten Kulturprojektes seiner Heimat. Als kleiner Junge konnte er die Pyramiden von Ferne sehen, wenn er auf den Dachboden seines Kairoer Elternhauses kletterte. Das neue Megamuseum soll er nun zu einem Touristenmagnet mit Weltgeltung formen. Erstmals werden sämtliche 6000 Fundstücke aus der Grabkammer des Tutanchamun zu sehen sein, zusammen mit 45 000 weiteren Kostbarkeiten der altägyptischen Geschichte, von denen zwei Drittel bisher noch nie ausgestellt waren. Berühmte in aller Welt verstreute Exponate, wie die Nofretete in Berlin, die Tanis-Sphinx in Paris oder der Rosetta Stein in London, sollen ständig per Liveübertragung zugeschaltet werden, um am Nil eine Art globales pharaonisches Hypermuseum zu schaffen.

Auf seinem Computer hütet Tarek Tawfik die Animationen der Eingangshalle mit der 12 Meter hohen und 83 Tonnen schweren Granitstatue von Ramses II., der majestätischen Freitreppe hoch zum Prachtareal von Tutanchamun sowie dem einzigartigen Pyramiden-Panorama. Umhüllt werden soll der Bau von einer luftigen Fassade aus 140 000 transparenten Dreiecken, alle in verschiedenen Größen, die das fertige Museum nachts wie eine gigantische Alabaster-Skulptur erscheinen lassen.

45 000 Quadratmeter Ausstellungfläche

Das entscheidende Finale jedoch steht dem Megaprojekt noch bevor. 2002 legte der damalige Staatschef Hosni Mubarak den Grundstein. Im Jahr darauf gewann das irische Architektenbüro Heneghan Peng den Unesco-Wettbewerb für den Komplex mit seinen 45 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. 2008 waren die vier großen Lagerräume und Versorgungsbauten fertig. 2010 nahm das Konservierungszentrum mit seinen zwölf Werkstätten und Laboratorien die Arbeit auf. Auf die Operationstische der 70 Experten kommt fast alles, was in ägyptischer Erde gefunden wurde. 12 000 Exponate für das neue Museum haben die Experten in den letzten Jahren bereits aufgearbeitet, die bisher in den Katakomben des alten Ägyptischen Museums am Tahrir-Platz lagerten.

Medhat Abdallah leitet die Abteilung für Holzrestauration. Für Prachtstücke, wie das goldene Bett des jugendlichen Tutanchamun, brauchen seine Spezialisten etwa ein Jahr. Der Rahmen ist mit Textil belegt, in die dünne Gipsschicht wurden Verzierungen eingraviert und anschließend mit Blattgold versiegelt. Ein britischer Restaurator überzog vor einigen Jahrzehnten alles mit einer schützenden Wachsschicht, die jedoch dunklen Feinstaub anzieht und die Konturen der Gravuren verschwommen macht. Jetzt lässt der promovierte Reha-Chef Abdallah den falschen Wachs in monatelanger Arbeit wieder entfernen.

Auf einem anderen Tisch liegen die fein dekorierten Stöcke und Jagdbögen aus dem wohl berühmtesten Grab der Weltgeschichte. Das Zentrum der Großwerkstatt beherrschen drei hölzerne Sarkophage, inmitten von Pinseln, Chemikalienflaschen, Mikroskopen und Spezialstaubsaugern. „Es fehlt an nichts, wir haben alle Geräte, die wie brauchen“, versichert Abdallah. Schließlich will Ägypten das Institut zu einem internationalen Restaurationszentrum für den gesamten Nahen und Mittleren Osten ausbauen.

Die Eröffnung wurde bereits drei Mal ausgerufen

Im Jahr 2012, ein Jahr nach dem Arabischen Frühling, begann dann der Bau des dicksten Brockens: das eigentliche Museum. Drei Mal wurde die Eröffnung bereits ausgerufen – zuerst 2015, dann 2017. Inzwischen steht der Zeiger auf Mitte 2018. „Auch dieses Datum ist eine riesige Herausforderung“, räumt Tawfik ein. Denn nicht nur die Zeit, auch die Baukosten laufen den Planern davon. 1,1 Milliarden Dollar soll das pharaonische Weltmuseum am Ende kosten, die laufenden Mittel für den Betrieb und die Restauration der Exponate kommen noch obendrauf. Rund 550 Millionen Dollar haben die ägyptischen Bauherren bisher beisammen. Den Löwenanteil steuerte Japan mit einem 300-Millionen-Großkredit bei.

Selbst wenn Tokio ein zweites Mal in seine tiefen Taschen greift, fehlen immer noch 400 Millionen Dollar, die Kairo nun vor allem in Europa einwerben will. „Wir erwarten auch eine Beteiligung der EU, damit wir diesen wichtigen Teil des kulturellen Erbes Ägyptens der ganzen Welt zugänglich machen können“, argumentiert Tawfik. Inzwischen hat er mit allen großen Museen des Nachbarkontinents Kontakt aufgenommen, angefangen vom Ägyptischen Museum in Berlin über das British Museum in London und dem Museo Egizio in Turin bis zum Louvre in Paris.