Der Grünen-Politiker Matthias Gastel setzt auf die Solidarität des Fellbacher Raums gegen den Nord-Ost-Ring. Für ihn persönlich sei das Projekt „Quatsch“.

Fellbach - Über postmortales Siechtum weiß ein Experte wie Professor Karl-Friedrich Börne aus den Münsteraner „Tatorten“ bestens Bescheid. Ähnliche medizinische Phänomene sind derzeit allerdings auch im Großraum Stuttgart zu beobachten: Eine „schöne Leich“ steigt plötzlich aus der Gruft – und bestimmt mehr denn je die öffentliche Diskussion speziell im vorderen Remstal.

 

Dieser vermeintlich Verblichene ist natürlich der Stuttgarter Nord-Ost-Ring. Dessen wundersame Wiederauferstehung forciert haben bekanntlich die Bundestagsabgeordneten Joachim Pfeiffer (Wahlkreis Waiblingen) und Norbert Barthle (Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd), beide CDU.

Als Bundespolitiker hat Gastel das große Ganze im Blick

Einer, der die beiden Christdemokraten aus nahezu täglicher Arbeit bestens kennt, ist der Grünen-Abgeordnete Matthias Gastel aus Filderstadt. Als Bundespolitiker hat er das große Ganze in der Republik im Blick – aber kaum ein Projekt beschäftigt ihn so häufig wie der Nord-Ost-Ring. Einige Male hat er auch in Fellbach schon über die Gefahr dieser autobahnähnlichen Trasse referiert. Im Gespräch mit unserer Redaktion scheint der Grünen-Abgeordnete die Lage aber nicht ganz so dramatisch zu sehen wie manche Lokalpolitiker. So erklärte etwa der Fraktionschef der Freien Wähler/Freien Demokraten, Ulrich Lenk, vor einigen Wochen: „Die Lage ist aus Fellbacher Sicht ernster denn je.“

Natürlich ist auch Gastel ein erklärter Gegner dieser Straße. Aber schneidige Töne hat er im Telefoninterview mit unserer Redaktion eher selten im Repertoire. „Ich pflege nach Möglichkeit sachlich zu bleiben“, beschreibt der 47-Jährige seine Devise, „man soll die Themen deutlich benennen, aber ohne Kraftausdrücke“. Dennoch ist klar: Der Nord-Ost-Ring ist „nicht notwendig, nicht sinnvoll“. Diesen zu bauen wäre „einfach nur dumm“. Er bringe keine Entlastungsfunktion für Stuttgart und wäre mit dem Flächenverbrauch ein starker ökologischer Eingriff auf dem Schmidener Feld.

Gegenwind aus der Region befürwortet der Grünen-Politiker

Dass von den Befürwortern zuletzt die Feinstaubproblematik im Stuttgarter Kessel als Argument gebracht wird, hält Gastel für „grotesk“. Statt bei verstopften Straßen auf noch mehr Straßen müsse man auf den Ausbau der Schiene setzen.

Den Kampf gegen den Nord-Ost-Ring sieht der Grüne im Übrigen als keineswegs aussichtslos an. Er sei im Bundesverkehrswegeplan nur im weiteren und nicht im vordringlichen Bedarf eingestuft. Angesichts der bescheidenen Planungskapazitäten in der Landes-Verkehrsverwaltung seien andere Ausbauten dringender und auch wahrscheinlicher – etwa die A 8, die A 81 und die B 27. Dass auch die CDU in Fellbach Flagge zeigt, findet Gastel „super“ wie insgesamt „den massiven Gegenwind aus der Region“. Denn: „Gegen einen solchen Quatsch wie den Nord-Ost-Ring kann der Widerstand nicht groß genug sein – und da darf es auch keine Parteidisziplin geben.“

Gastel hat vielfältige berufliche Erfahrungen vorzuweisen – mit Ausbildung zum Außenhandelskaufmann und zum Altenpfleger, als Diplom-Sozialpädagoge und Diplom-Kaufmann. Zehn Jahre arbeitete er in der Jugendhilfe. Komplett handzahm gibt sich der gebürtige Stuttgarter aber nicht. So nimmt er neben seinen CDU-Bundestagskollegen auch die SPD aufs Korn. Im November 2016 nämlich stimmte die Große Koalition und somit auch die SPD im Verkehrsausschuss für die Fortsetzung des Bundesverkehrswegeplans – wodurch die Straße auf dem Schmidener Feld in den weiteren Bedarf gelangte. Sozialdemokraten – auch aus Fellbach – verwiesen hernach auf die „Koalitionszwänge“, denen man eben nicht habe ausweichen können.

Mit Duldung der SPD sei der Nord-Ost-Ring aus seinem Grab geklettert

Für Gastel ist die SPD deshalb in der Ablehnung des Nord-Ost-Rings „nicht wahrnehmbar gewesen, sondern hat leider dieses böse Spiel mitgespielt“. Gemeinsam mit den Grünen hätte man eine Mehrheit gegen die CDU gehabt. „Der Nord-Ost-Ring wäre vom Tisch gewesen, und das Land hätte ihn nicht einmal planen dürfen – mit Duldung der SPD ist nun der Nord-Ost-Ring wieder aus seinem Grab geklettert.“