Die deutschen Grundschüler können beim Lesen, Zuhören und Rechnen ganz überwiegend, was sie können müssen. Es fehlt allerdings an konkreten Förderkonzepten.

Stuttgart - Nach wie vor sind die soziale Herkunft und noch mehr eine Zuwanderungsgeschichte entscheidend für den Bildungserfolg eines Kindes. Das ist eine der zentralen Aussagen einer neuen Schulstudie. Vergangenes Jahr waren dafür Grundschüler der vierten Jahrgangsstufe in allen 16 Bundesländern in den Fächern Deutsch und Mathematik getestet worden.

 

Weitere Erkenntnisse der Bildungsforscher: die Mindestanforderungen an die Viertklässler werden jeweils von fast 90 Prozent der Schüler erreicht. Sogenannte Regelstandards erfüllen etwa zwei Drittel der Kinder. Beim Lesen sind Schüler in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen überdurchschnittlich, beim Zuhören ist es nur der bayerische Nachwuchs. Erst bei der Mathematik kann sich auch Baden-Württemberg ins Spitzenfeld mit Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt vorarbeiten. Schließlich zeigt sich, dass Mädchen im Lesen und Rechtschreiben besser sind als Jungen. Diese haben in der Mathematik gegenüber den Mädchen einen Vorsprung.

„Die Ergebnisse des Ländervergleichs belegen einen hohen Leistungsstand der Grundschülerinnen und Grundschüler.“ Das sagte der Präsident der Kultusministerkonferenz, der hamburgische Bildungssenator Ties Rabe (SPD) bei der Vorstellung der Untersuchung. „Dies ist auch auf die engagierte Arbeit der Lehrkräfte zurückzuführen.“ Deutlich werde aber, dass „je nach Land unterschiedlich große Gruppen von Schülerinnen und Schülern einer gezielten Förderung bedürfen, um das Leistungspotenzial besser auszuschöpfen“.

Es fehlt an konkreten Förderkonzepten

Seit dem Pisa-Schock vor gut zehn Jahren habe sich einiges getan, stellen die Forscher vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) fest. Es ergebe sich „ein Bild, das auf erhebliche Anstrengungen der Schulen im Bereich der Sprach- und Leseförderung hinweist“. „Gleichzeitig deuten die Ergebnisse aber auch darauf hin, dass es häufig an systematischer Förderung fehlt, die sich an konkreten Konzepten orientiert“, sagen die Gutachter. Das müsse man weiterentwickeln.

Dass die soziale Herkunft die von den Kindern erreichten Kompetenzen beeinflusst, gilt in allen Bundesländern. „Allerdings unterscheiden sich die Länder in der Stärke dieses Zusammenhangs“, heißt es in der Studie. Die bildungsbremsende Wirkung der sozialen Herkunft ist besonders stark in den Städten. Das zeigt sich daran, dass die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen mit schwächeren Ergebnissen aufwarten. Das gilt aber für alle Großstädte. Die IQB-Leute haben Städte mit mehr als 300 000 Einwohnern separat untersucht. Sie liegen in allen drei Fächern deutlich unter dem Bundeswert.

In Baden-Württemberg ist der Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und dem schulischen Kompetenzerwerb im Lesen gering, beim Zuhören durchschnittlich, in der Mathematik dagegen ausgeprägt. Darauf weist die Kultusministerin des Landes, Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) hin. „Wenn wir einen guten Schulerfolg haben wollen, müssen wir in der Grundschule stärker ansetzen“, sagte die Ministerin. Wichtig sei auch, die Sprachförderung im Kindergarten auszubauen. Das Land habe darum die Förderung um elf Millionen Euro erhöht.

82 Prozent der Grundschullehrer im Land sind Frauen

Kinder aus Zuwanderungsfamilien haben es besonders schwer, vor allem dann, wenn ihre Eltern sozial schwach sind, kein hohes Bildungsniveau haben und in der Familie nicht Deutsch gesprochen wird. Solche Familien leben vor allem in Großstädten. Im Bremen etwa hatten nur 58,5 Prozent der getesteten Kinder zwei in Deutschland geborene Elternteile. In Baden-Württemberg waren es 70,8 Prozent.

Die Studie befasst sich auch mit den Lehrkräften. Mit einem Frauenanteil von 82 Prozent sind die ausgewählten baden-württembergischen Schulen bundesweit die „männlichsten“ – in Sachsen-Anhalt wurden die Viertklässler zu 93 Prozent von Lehrerinnen unterrichtet. Doch sind die Grundschullehrer im Land mit am ältesten, 57 Prozent sind älter als 50, im Saarland dagegen sind fast 20 Prozent noch keine 30.

In Baden-Württemberg ist auch der Anteil fachfremd unterrichtender Lehrkräfte hoch. 34,8 Prozent – und damit im Ländervergleich die höchste Zahl – der Deutschlehrer haben ihr Fach nicht studiert. In der Mathematik sind es sogar 44,9 Prozent (nach Hamburg und Bremen am meisten). In Deutsch stellten die Bildungsforscher keinen signifikanten Zusammenhang mit schlechteren Bildungserfolgen der Schüler fest. In der Mathematik dagegen schon.

Dem ließe sich womöglich durch Fortbildung etwas abhelfen. Die Bildungsforscher entdeckten die „fortbildungsaktivsten Lehrkräfte“ in Bayern und Thüringen, in Baden-Württemberg sei diese Gruppe „vergleichsweise klein“.