Die Gruppe Nordlichter macht sich für die Interessen der Bewohner des Nordbahnhofviertels stark.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord - Seit dem Frühjahr fahren Tag und Nacht schwere Lastwagen durch das Nordbahnhofviertel, zum Teil im Zehn-Minuten-Takt, mitunter sogar sonntags“, schreibt die Gruppe Nordlichter in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Für Nacht- und Sonntagsfahren erteile das städtische Ordnungsamt Sondergenehmigungen: „Bitte sorgen Sie dafür, dass sämtliche Ausnahmegenehmigungen sofort zurückgenommen werden, keine weiteren erteilt werden und mindestens die Nacht- und Sonntagsruhe eingehalten wird“, heißt es weiter im Brief. Die Lastwagen fahren von und zur C2-Fläche, wo das Baulogistikfeld für Stuttgart 21 eingerichtet wird. Dazu plant die Bahn, eine separate Baulogistikstraße zu bauen. Beides soll bis Frühjahr 2014 fertig sein. Laut der Gruppe Nordlichter hinkt die Bahn aber den selbst gesetzten Terminen hinterher.

 

Auch auf einer Montagsdemo Ende Oktober hat Claudia Jechow, die Mitglied der Nordlichter ist, zum Baustellenverkehr im Nordbahnhofviertel gesprochen. Daraufhin stellten die Grünen im Gemeinderat einen Antrag, der mit „LKW-Terror im Nordbahnhofviertel“ überschrieben war: Darin wollten die Politiker wissen, wie der von der Bahn bestellte Immissionsbeauftragte zu erreichen sei, wie die Anwohner im Nordbahnhofviertel besser geschützt werden können, und wer wie überprüfe, ob der Planfeststellungsbeschluss eingehalten werde. „Momentan hat sich der LKW-Verkehr beruhigt, auch wenn vereinzelt nachts immer noch Lastwagen durchs Viertel fahren“, sagt Claudia Jechow. Es seien nach wie vor Fahrten außerhalb der genehmigten Touren dabei, aber jetzt, im Winter, nicht mehr so viele wie in den Sommermonaten. Man erwarte, dass es im Frühjahr wieder mehr werde.

Gruppe will sich für alle Anwohner einsetzen

Die Gruppe Nordlichter hat sich 2012 bei der Organisation eines Informationsstandes zu den Auswirkungen von Stuttgart 21 auf das Nordbahnhofviertel gegründet. Die Mitglieder sind gegen das Projekt Stuttgart 21. Seither trifft sich die Gruppe regelmäßig im Naturfreundehaus Steinbergle, gemeinsam verteilen die Mitglieder Informationsflugblätter im Quartier. Der Großteil der rund 30 Mitglieder wohnt im Nordbahnhofviertel. „Die Leute, die hier wohnen, werden noch viel erleiden in den nächsten Jahren, das ist vielen noch gar nicht bewusst“, sagt Claudia Jechow. Die Nordlichter möchten sich für alle Anwohner des Viertels einsetzen, auch für die Älteren und die Alleinstehenden im Viertel, und für die Flüchtlinge, die im ehemaligen Studentenwohnheim an der Nordbahnhofstraße leben. „Wir sind auch das Sprachrohr jener Leute, die sich nicht wehren können, die sich vielleicht nicht trauen, selbst etwas zu sagen“, sagt Jechow. Die Forderung der Gruppe ist so simpel wie umfassend: Es sollen keine Lastwagen mehr durch das Wohngebiet fahren dürfen. „Bei uns kommt alles zusammen, neben Stuttgart 21 wird ja auch das Staiger-Areal und bis zur Eckartstraße hinauf neu gebaut“, sagt Heidemarie Hug.

Seit dem Sommer veranstaltet der Verein Infoladen auf der Prag regelmäßig Stammtischtreffen mit Vertretern der Deutschen Bahn, bei denen die Details der Arbeiten im Nordbahnhofviertel besprochen werden. Auch die Gruppe Nordlichter hat bisher daran teilgenommen. Nun aber nicht mehr: „Wir dachten, wir müssen es auf jeden Fall probieren, obwohl wir skeptisch waren“, erklärt Anke Wollny. In ihrer Absage an Jupp Klegraf, den Vorsitzenden des Infoladens, schreibt die Gruppe: „Das letzte Treffen mit der Bahn war für uns sehr unbefriedigend, um nicht zu sagen reine Zeitverschwendung. So wurden unsere Fragen, die wir im Vorfeld gestellt hatten, von der Bahn nicht zufriedenstellend oder gar nicht beantwortet, oder es wurde darauf hingewiesen, dass man sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten kann.“ Anke Wollny ergänzt: „Die Bahn sagte dabei, man arbeite daran, die Erdaushubtransporte von der Straße auf die Schiene zu verlegen. Das ist aber im Planfeststellungsbeschluss so festgelegt, das muss die Bahn tun.“ Stattdessen werde dies aber als neue Lösung und als großes Entgegenkommen verkauft.

Nordlichter nehmen nicht mehr am Stammtisch teil

Auch was die vielen Lastwagenfahrten durchs Viertel angeht, ist die Gruppe enttäuscht von den Ergebnissen des Stammtischs. Hans-Jörg Jäkel fasst zusammen: „Bei den Treffen wird immer alles abgewiegelt. Es muss eine Bauaufsicht geben, die die Fahrten überwacht. Es muss jemand den Daumen drauf haben, wann welche Lastwagen fahren. Das kann doch nicht den Bürgern überlassen werden.“ Claudia Jechow stimmt zu: „Es kann nicht sein, dass die Bringschuld bei uns Anwohnern liegt. Ich kann nicht bei meinem Arbeitgeber anrufen und ihm sagen, dass ich erst später zur Arbeit komme, weil ich zuerst die Polizei rufen muss, weil wieder ein Lastwagen trotz Durchfahrverbot im Wohngebiet unterwegs ist.“

In der Konsequenz wollen die Nordlichter an den Stammtischen von Infoladen und Bahn nicht mehr teilnehmen. „Wir werden weiterhin deutlich auf all die Beeinträchtigungen hinweisen, die die Bewohner des Nordbahnhofviertels erleiden müssen“, heißt es im Absagebrief.