Der Aalener Fotograf Günther Bayerl hat die Schwäbische Alb porträtiert – und ist ihrem Zauber erlegen. Dem Leser geht es beim Betrachten des Bildbandes ebenso.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Neu-Ulm - Drei Jahre lang ist Günther Bayerl über die Schwäbische Alb gezogen. Unzählige Male hat er im Zelt am Waldrand oder im Auto übernachtet, um bereit zu sein, wenn am frühen Morgen das richtige Licht kam. Einmal hat ihm ein Sturm das Zelt weggeweht. Trotz heftigen Heuschnupfens wagte er sich im Sommer in blühende Wiesen. Und nicht selten harrte er bei Regen und Gewitter aus, um im günstigsten Augenblick auf den Auslöser drücken zu können. Entstanden ist ein Bildband über die Schwäbische Alb, der ungeheuer frisch und beseelt daherkommt.

 

Jahrelang dachte man angesichts der vielen Bücher mit Postkartenmotiven von Zoller, Teck und Ipf, dass sich die Alb fotografisch erschöpft habe. Weit gefehlt. Der 32-jährige Bayerl, auf der Ostalb in Aalen geboren und aufgewachsen, hatte bei dem Buch allerdings auch einen hohen Anspruch an sich selbst. Er wollte einen neuen Erzählfaden schaffen und führt nun mit den Bildern durch die Historie der Alb, von der Steinzeitkunst bis zu den Burgen des Mittelalters. Vor allem aber wollte er bei seinen Bildern weg vom „romantisierenden Blick auf die Alb“.

Dafür zog er alle Register der Fotografenkunst. Ein Bild der Heuneburg (oben) machte er an einem gewittrigen Tag und setzte zudem einen extremen Graufilter auf die Kamera – so konnte er minutenlang belichten, weshalb die ziehenden Wolken und das strömende Wasser der Donau ganz milchig aussehen und die keltische Höhenburg unwirklich erscheint. Bei anderen Motiven macht Günther Bayerl nächtliche „Lichtmalereien“, etwa vom Hohlenstein im Lonetal (kleines Bild oben) oder den Fischsauriern in Holzmaden: Er lässt die Blende der Kamera bis zu einer Viertelstunde offen und wandert, schwarz gekleidet, mit einem Scheinwerfer durchs Bild und leuchtet Bereiche unterschiedlich lange aus. Dadurch entstehen Fotos mit mystischem Hauch.

Ein Foto ist wie ein gutes Essen – die Zutaten sind nicht alles

Aber, da macht Günther Bayerl keinen Hehl daraus, er bearbeitet seine Bilder auch stark am Computer. In Ulm hat er, der als Sohn einer Arbeiterfamilie zunächst etwas Gescheites lernen wollte und Industriekaufmann wurde, „Digital Media“ studiert, und dabei lernte er neben dem Fotografieren auch den Umgang mit Programmen zur Bildbearbeitung. Bayerl vergleicht ein gelungenes Foto mit einem guten Essen: „Meine Bildidee, das Licht und die Kamera, das sind die sehr wichtigen Zutaten – doch genauso wichtig ist beim Fotografieren und beim Kochen, was man aus diesen Zutaten macht.“

Ein Glücksfall war, dass er sich für diesen Bildband „Spuren lesen auf der Schwäbischen Alb“ mit dem Journalisten – und frischgebackenen CDU-Landtagsabgeordneten – Raimund Haser aus dem Allgäu zusammentun konnte. Der unternahm das wirtschaftliche Risiko und brachte dennoch den Mut und den Willen auf, ein Buch mit hoher Qualität zu produzieren. Dies geht bis ins Detail: Zum Beispiel wurden bei der Bindung jeweils nur acht Seiten zusammengefasst, dadurch liegen die Seiten sehr flach, was doppelseitige Fotos besser wirken lässt. Auf Profit sei das Buch nicht ausgerichtet gewesen, und am Schluss hätte Bayerl lieber noch etwas von seinem spärlichen Honorar abgegeben, als am Niveau zu sparen, so viel Herzblut hing drin.

Natürlich nutzt der Bildband Günther Bayerl dennoch – als Vorzeigeobjekt bei potenziellen Kunden. Denn nach dem Studium hat sich der junge Fotograf im Jahr 2011 selbstständig gemacht. „Ich bin eigentlich sehr schwäbisch veranlagt und habe mir schon gut überlegt, ob ich davon wirklich leben kann.“ Aber die Vorstellung, als Angestellter in einem Fotostudio Passbilder zu machen und selbst bei schönstem Wetter die Jalousien runterlassen zu müssen, behagte ihm gar nicht: „Ich bin doch eher der Landschaftstyp.“

Die deutschen Welterbestätten sind das nächste Motiv

So wagte er den Sprung. Er muss immer noch kämpfen, aber er bekommt seine Aufträge. Die Firma Herrenknecht mit ihren Tunnelbohrmaschinen schickt Bayerl gerne mal für zwei Wochen nach China, um einen Beitrag fürs firmeneigene Magazin zu produzieren. Im vergangenen Jahr war er gleich viermal in Hongkong. Das kommt ihm gelegen, denn er reist unheimlich gerne, je weiter weg, desto besser. Ein halbes Jahr war er zum Studieren in Tasmanien, ein Vierteljahr in Lissabon. „Deutschland wollte ich mir eigentlich fürs Alter aufheben“, sagt er lachend.

Doch nun hat er nicht nur drei Jahre, auf das beste Motiv lauernd, auf der Schwäbischen Alb verbracht, sondern auch das nächste Buch führt ihn von seinem Wohnsitz Neu-Ulm aus quer durch Deutschland: Der Verlag Frederking und Thaler will 2017 einen XXL-Bildband über alle 40 Welterbestätten Deutschlands veröffentlichen, Günther Bayerl ist der alleinige Fotograf, die einheitliche Bildsprache zentrales Merkmal.

Schon wieder heißt es also tingeln für den Lockenkopf, mit Auto und Zelt.