Das neue Guttenberg-Buch "Vorerst gescheitert" bringt die "Zeit" und ihren Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in arge Erklärungsnöte.  

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Was ist nicht alles an medialer Häme ausgeschüttet worden über Karl-Theodor zu Guttenberg. Die meisten Kommentatoren geben seinem Comebackversuch - ob in der CSU oder mit neuer Partei - kaum eine Chance. Nun steht aber auch Giovanni di Lorenzo im Feuer. Der "Zeit"-Chefredakteur hatte mit Guttenberg das Interview geführt, das am Dienstag in Buchform unter dem Titel "Vorerst gescheitert" erschienen ist.

 

Viele "Zeit"-Leser sind entsetzt, weil es den Anschein hat, als beteilige sich ihre sonst so hochgeschätzte Zeitung an einer Kampagne zu Gunsten des Plagiators. Etliche Abbestellungen soll es nach dem vierseitigen Vorabdruck vorige Woche gegeben haben. Dies erklärt sich leicht, weil der eher gebildete "Zeit"-Leser wissenschaftlichen Betrügereien nicht so gleichgültig gegenübersteht wie etwa ein Leser der "Bild"-Zeitung. Diese hatte bekanntlich ihren Teil zum umfassend intonierten Auftritt beigetragen - auch im Wissen darum, dass ihr Publikum sehr viel gnädiger mit dem Rückkehrer im Büßergewand umgeht. Die "Zeit" hingegen muss auf zwei Seiten gut 50 Protestschreiben abdrucken, um dem auch in Internetforen verbreiteten Verdruss erst einmal ein Ventil zu geben. Die Überschrift: "Pfui! Pfui! Pfui!"

Di Lorenzo sah keinen ausreichenden Rücktrittsgrund

Giovanni di Lorenzo rechtfertigt sich im eigenen Blatt, dass der Freiburger Verleger Manuel Herder Anfang Oktober die Idee hatte, ein Gesprächsbuch herauszugeben - er selbst habe Guttenberg bis dahin nur flüchtig gekannt. Wenige Wochen später kam es zu dem dreitägigen Frage-Antwort-Spiel mit dem zurückgetretenen Verteidigungsminister in einem Londoner Hotel.

Im Februar, als "Dr. zu Guttenberg" in höchste Bedrängnis geriet, war di Lorenzo einer der wenigen Kommentatoren, die in den Fälschungen der Doktorarbeit keinen ausreichenden Rücktrittsgrund sahen. Auch deswegen hat der nun in den USA Lebende mit ihm das Interview geführt, das viele gerne gehabt hätten. Di Lorenzo bohrt darin kritischer nach als ein Gefälligkeitsjournalist - ein Streitgespräch, so wie er es darstellt, sieht aber anders aus.

Unter Marketinggesichtspunkten ein Volltreffer

Nunmehr stellt sich der Chefredakteur selbst die Frage, ob Guttenberg das Gespräch und die "Zeit" als Teil einer ausgeklügelten Strategie benutzt haben könnte. Eine schlüssige Antwort vermag er nicht zu geben. Und er erwähnt auch nicht, dass es intern brodelt: Teile der Redaktion sind unglücklich über das Zusammenspiel von Neuerscheinung und Vorabdruck. Der Graben lässt sich gut an der Rezension erkennen, die "Zeit online" veröffentlicht hat. Guttenberg sieht darin auch ohne Brille alt aus: Selten sei die Hybris eines Politikers so offenbar geworden, heißt es dort. Für ein politisches Amt könnte ihn niemand, der all das gelesen habe, ernsthaft noch in Erwägung ziehen. "Gefährlich" geradezu bleibe er angesichts seines "demagogischen Potenzials".

80.000 Exemplare umfasst die Startauflage des 200-seitigen Bändchens - und die ist längst verkauft. Der Herder Verlag lässt nachdrucken. Selbst in Talkshows reden sie sich darüber die Köpfe heiß; unter Marketinggesichtspunkten ist das Ganze ein Volltreffer. Für Guttenberg selbst dürften die Reaktionen der beste Gradmesser sein, was nun zu tun ist. Man wird also von ihm wieder hören - so oder so.