Mit K’uyuy will Verena Dittmann handgewebte Hängematten nach Deutschland bringen und Jugendliche in Südamerika eine neue Perspektive geben. Eine Firma und ein Herzensprojekt, bei dem sie für mehr als nur schwarze Zahlen kämpft.

Stuttgart - „Puh, hier lag ich schon lange nicht mehr drin“, sagt Verena Dittmann, als sie sich in die bunt gewebte Matte legt. In Bad Cannstatt hat sie ein Fleckchen gesucht, wo sie ihre Hängematte aufhängen kann. Nur wenige Meter von ihrem jetzigen Büro liegt ein wenig Grünfläche. Sonst hängt sie die komfortable Sitzmöglichkeit auf Festivals, Hochzeiten oder Tagungen auf. Für Auszeit und Erholung, versteht sich. Die 32-jährige Geschäftsfrau hat jedoch kaum Freizeit. „Ich mache beispielsweise erst die Steuer, dann die Produktentwicklung, dann hole ich die Ware beim Zoll…“, sagt sie. Fast Tag und Nacht arbeitet Dittmann für ihr eigenes Projekt: K’uyuy - aus Südamerika handgewebte Hängematten, dessen Produktion fair bezahlt und für den Käufer sichtbar ist. Laut Dittmann ist die handgewebte Hängematte ein Unikat auf dem deutschen Markt. 

 

„K’uyuy hat ein Dorfprojekt in Ecuador und eine Zusammenarbeit mit dem Centro Social Tio Antonio in Nicaragua. In beiden Projekten arbeiten wir mit Jugendlichen, die aufgrund verschiedener Behinderungen von ihren Familien verstoßen und von der Bevölkerung ausgegrenzt werden. Wir schenken diesen Jugendlichen eine neue Perspektive und helfen ihnen ihr tägliches Brot zu verdienen und so nicht auf der Straße leben zu müssen", erklärt Dittmann. In Ecuador leitet Maria Rosa die Webwerkstatt, deren Familie sogar versucht, das ganze Dorf einzubinden. In Nicaragua arbeitet Tio Antonio, ein Freund Dittmanns, mit den Jugendlichen und zunehmend mit Müttern mit behinderten Kindern. Der Lebensstandard ist in beiden Ländern jedoch noch sehr niedrig. „Die Leute leben wirklich von der Hand in den Mund“, sagt Dittmann. Das will sie ändern. Übersetzt bedeutet K’uyuy: Fäden miteinander verbinden. Dittmann will Welten miteinander verbinden.

2008 lebte sie selbst in Ecuador. Im Rahmen ihres Tourismus-Studiums machte die gebürtige Saarländerin ein Praktikum beim ehemaligen Deutschen Entwicklungsdienst. Die Aufgabe: Bestehende Projekte mit dem Tourismus verbinden. Jenes, das Dittmann begleitete, richtete sich an mehrere Generationen, die eine uralte Webkunst untereinander weitergaben und sich dadurch auch austauschen konnten. In diesem Projekt hatte Dittmann den ersten Kontakt zu Webern und Weberinnen. Danach schrieb sie Notizen in ihr kleines Ideenbuch. „Ich war dann noch in England, habe in Heilbronn interkulturelle Studien mit dem Schwerpunkt arabische Kultur und internationale BWL studiert, hatte in Köln und Berlin gearbeitet, und, und, und“, sagt sie.

Sie kämpft um schwarze Zahlen

Was Dittmann jedoch immer wieder auffiel war, dass sich alle Ideen in ihrem Büchlein um die Hängematten drehten. Selbst als es sie nach Stuttgart in die interne Kommunikation eines großen mittelständigen Unternehmens zog, dachte sie an die Arbeit in Ecuador. „An meinem 30. Geburtstag war dann die Gründung. Ich hatte beschlossen meinen Job aufzugeben und K’uyuy voranzutreiben“, sagt sie. Zwei Freunde schlossen sich ihr an - 2014 sollte ihr Jahr werden. Die Zusammenarbeit der drei Gesellschafter hielt jedoch nicht lange. Nachdem Dittmann und ihre Freunde im ersten Jahr viel Geld verloren hatten, trennten sich die Wege. „Zuerst hatten wir mit einem Mann in Ecuador zusammengearbeitet, mit dem wir durch die Webkunst Gefängnisinsassen bei der Resozialisierung helfen wollten - doch der machte sich mit dem investierten Geld davon. Dann gab es auch noch Schwierigkeiten mit einem Projekt in Peru." Die Hängematten kamen durchnässt an, es gab Probleme mit der Lagerung, auch wurde das falsche Material genutzt. Mehrere Tausend Euro Verlust. „Dass die anderen irgendwann ausgestiegen sind, kann ich verstehen“, sagt sie, „es muss in diesem Bereich ein Herzensprojekt sein, dass man es durchzieht.“

Dittmann hat deswegen nicht aufgegeben. Sie suchte nach Ausstellungsmöglichkeiten, neuen Partnern im Ausland und nach Investoren. Als sie den Spanier Tio Antonio kennenlernte, mit dem sie aktuell in Nicaragua zusammenarbeitet, ging es schließlich bergauf. „Jeder Ort und jedes Land in Südamerika hat seine eigene Webtradition. Mit ihm, Maria Rosa in Ecuador und den Einheimischen, entwickeln wir nun neue Produkte“, sagt Dittmann, "Ponchos zum Beispiel oder Tragetaschen." Während sich das Team dabei um eine gerechte Bezahlung der Arbeitenden kümmert, kämpft Dittmann noch monatlich um schwarze Zahlen. Denn davon leben kann sie nicht. "Handarbeit ist nicht gleich handgewebt, das macht es so schwer preislich konkurrenzfähig zu bleiben, deswegen bleibt für mich nichts hängen", sagt Dittmann. Lediglich durch Events, Accessoires oder Hängemattenständern, kann sie die Einnahmen erhöhen, sodass für sie auch etwas dabei rauskommen kann. Bis dahin sitzt sie noch allein in ihrem Büro in Bad Cannstatt und bleibt optimistisch: „In diesem Monat gingen 25 Bestellungen ein und es werden immer mehr Buchungen für Firmenveranstaltungen und andere Events - die Nachfragen steigen stetig. Es geht voran.“

Mehr Infos zu K’uyuy: Auf der Webseite des Veranstalters, am 18. Juni ist K’uyuy beim Markt „Stylekantine“ in der Mensa in S-Mitte vertreten.