Nachdem sich der Streit zwischen der Krankenkasse und den Pflegediensten wegen der neuen, restriktiven Bewilligungspraxis der DAK weiter zugespitzt hatte, soll nun ein runter Tisch eine Befriedung des Konflikts bringen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Im Streit um abgelehnte Leistungen in der häuslichen Krankenpflege geht die Krankenkasse DAK auf die Pflegedienste zu. Die Kasse räumt ein, bei Formulierungen in dem Fragebogen, der zur Bedarfsermittlung eingesetzt wird, Fehler gemacht zu haben, seit zwei Wochen sei dieser nicht mehr im Einsatz. Im Grundsatz blieb die Ersatzkasse bisher zwar bei ihrer scharfen Prüfpraxis. Für diese habe man sich auch wegen „Unstimmigkeiten“ bei der Abrechnung von Leistungen durch Pflegedienste entschieden. Das Diakonische Werk Württemberg hat diesen Vorwurf entschieden zurückgewiesen, damit lenke die DAK vom Problem ab. Inzwischen stehen die Zeichen aber auf Entspannung. Nächste Woche soll ein runder Tisch aller Beteiligten stattfinden. Und ein Teil der bisher abgelehnten Anträge von Versicherten ist nun doch genehmigt worden.

 

Wie berichtet, haben mehrere Pflegedienste und deren Verbände heftige Kritik daran geübt, dass die DAK in großem Umfang Anträge auf häusliche Krankenpflege teils hochbetagter Patienten ablehnt. Es geht etwa um Insulin-Injektionen, die Gabe von Medikamenten oder das Anlegen von Kompressionsverbänden. Voraussetzung für eine längerfristige Bewilligung ist, dass die Betroffenen einen Fragebogen ausfüllen. Die Kasse will wissen, wer in ihrem Umfeld lebt, ob dazu „neben Angehörigen auch Freunde und Nachbarn gehören, die Maßnahmen übernehmen können“ und vielleicht „eine Anleitung durch medizinisches Fachpersonal“ benötigen.

Die DAK weist den Vorwurf einer „pauschalen Ablehnung“ von Anträgen, die kranke Menschen gefährde, zurück. Anders als andere Kassen habe man Anträge bisher „kaum geprüft“, was man nun aber tue. Verglichen mit anderen Kassen habe man in diesem Bereich „extrem hohe Kosten“, so ein Sprecher (siehe „Kasse wegen steigender Ausgaben weiter unter Druck“). Die DAK führte aber noch ein anderes Argument ins Feld. „Wir haben Auffälligkeiten bei Abrechnungen von Pflegediensten festgestellt“, sagte der Sprecher. „Es wurden Dinge abgerechnet, die man nicht hätte abrechnen dürfen.“ Als Beispiel nannte er das Anlegen und Entfernen von Kompressionsstrümpfen. Die Strümpfe, aber auch die Tätigkeit eines Pflegedienstes müssten vom Arzt verordnet werden. Bundesweit habe man mehr als 10 000 Fälle festgestellt – rund 1200 im Land –, bei denen keine Verschreibung des Arztes vorliege. „Wir müssen da gegensteuern“, so der Sprecher.

Die Ablehnungsquote ist auf 6,7 Prozent gestiegen

Ändern wird die DAK den Fragebogen, über den es Beschwerden gegeben habe. Patienten monierten, dieser sei „unverständlich“ und „überfordere“ sie. „Den werden wir verändern, das sehen wir ein“, räumte der Kassensprecher ein.

Beim Diakonischen Werk Württemberg, das wie die Caritas der Diözese Rottenburg und der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) gegen das Vorgehen der DAK protestiert hat, empörte man sich über die jüngsten Äußerungen der DAK. „Da wird Nebel gemacht, um die eigentlichen Probleme zu verschleiern“, sagte eine Sprecherin des DWW. Natürlich handle es sich um ein pauschales Vorgehen der DAK, kritisiert die Sprecherin. So berichteten manche Sozialstationen – im DWW sind 180 mit 24 000 Betreuten organisiert –, dass die Anträge „annähernd von allen DAK-Versicherten“ abgelehnt würden. Alleine bei der Diakoniestation Stuttgart, dem mit 2500 Klienten größten Anbieter in der Landeshauptstadt, waren es bei 148 DAK-Versicherten 70 Fälle. „Das ist eine Rasenmähermethode“, erklärte die Sprecherin. Dass die Ersatzkasse nun den Eindruck erwecken wolle, die Pflegedienste rechneten falsch ab, sei schlicht „eine Gemeinheit“. Bei allen monierten Ablehnungen durch die Kasse handle es sich um Anträge auf Leistungen, die von Ärzten auch verordnet worden seien. Unterdessen sind 15 der 70 von Klienten der Diakoniestation Stuttgart abgelehnten Anträge genehmigt worden, allerdings nur für drei Monate.

Die DAK will den Konflikt nun offenbar nicht weiter eskalieren lassen und durch Gespräche lösen. „Am 20. August findet ein runder Tisch mit den Pflegeverbänden statt“, sagte ein Sprecher der Kasse. „Bis dahin haben wir Friedenspflicht vereinbart.“ Das Ziel sei, sich gütlich zu einigen.

Inzwischen ist die Politik auf den Konflikt aufmerksam geworden. Karin Maag, CDU-Bundestagsabgeordnete aus Stuttgart, sagte über die Praxis der DAK: „Das geht zu weit.“ Einzelfallprüfungen seien korrekt, aber nicht, wenn die Prüfungen wie beschrieben ein System haben. Mit dem umstrittenen Fragebogen habe die Kasse „zu viel gefragt“. Maag, die für die Union im Gesundheitsausschuss des Bundestages sitzt, stellte klar: häusliche Krankenpflege sei in einer alternden und von zunehmender Vereinzelung geprägten Gesellschaft oft sehr sinnvoll und werde zunehmen: „Die muss man eher ausbauen – und das haben wir auch vor.“

Kasse wegen steigender Ausgaben weiter unter Druck

Ersatzkasse Die DAK-Gesundheit ist mit rund 6,2 Millionen Versicherten die drittgrößte deutsche Krankenkasse. Sie hat ihren Sitz in Hamburg und ist 2012 aus dem Zusammenschluss der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) mit der BKK Gesundheit und der BKK Axel Springer hervorgegangen.

Probleme Die Ersatzkasse steht wegen der ungünstigen Altersstruktur ihrer Versicherten unter wirtschaftlichem Druck. Aufgrund der angespannten Finanzlage musste die DAK Anfang 2010 als eine der wenigen großen gesetzlichen Krankenkassen einen Zusatzbeitrag von acht Euro im Monat erheben. Die Folge war, dass hunderttausende Versicherte die Kasse verließen, was deren Strukturprobleme noch verschärfte.

Häusliche Krankenpflege Nach Angaben der DAK haben 2014 in Baden-Württemberg rund 121 000 Versicherte Einzelleistungen der häuslichen Krankenpflege beantragt. Dafür hat die Kasse 66 Millionen Euro ausgegeben. In den vergangenen Jahren seien die Kosten in diesem Bereich jährlich um zehn bis 20 Prozent gestiegen. Dies deutet sich auch 2015 an: Im ersten Halbjahr lag die Zahl der Anträge im Land bei rund 67 000. Sehr grob gerechnet entspricht dies einer erneuten Zunahme von zehn Prozent. Als Beleg für ihre Lage erklärt die Ersatzkasse, sie gebe im Jahr bundesweit 105 Millionen Euro mehr für häusliche Krankenpflege aus als etwa die Barmer und 95 Millionen Euro mehr als der Durchschnitt aller gesetzlichen Kassen.