Unterschiedlicher als die beiden Halbbrüder kann man nicht sein. Der labilere jüngere hat den älteren, einen Polizisten, schließlich dazu gebracht zusammen mit ihm einen Tankstelle zu überfallen. Das Motiv. der Polizist war pleite.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Rudersberg - Unterschiedlicher können die Lebensläufe wie die zweier Halbbrüder nicht sein, die sich zusammen mit einem dritten Angeklagten vor der Zweiten Jugendstrafkammer des Stuttgarter Landgerichts verantworten mussten. Diese hat sie am Freitag wegen schweren Raubes zu jeweils vier Jahren hinter Gittern verurteilt, den 20-jährigen als Heranwachsenden nach dem Jugend-, den 22-jährigen nach dem Erwachsenenstrafrecht. Ihr 21-jähriger Komplize erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe gemäß dem Jugendstrafrecht. Die drei hatten in wechselnder Besetzung zwei Überfälle auf Tankstellen in Rudersberg-Schlechtbach und in Alfdorf begangen (wir berichteten).

 

Zwei völlig verschiedene Lebensläufe

Zwei völlig verschiedene Leben

„Manchmal atmet man durch und ringt sich dann zu solch einer Entscheidung durch“, sagte die Vorsitzende Richterin Sina Rieberg angesichts der Bewährungsstrafe. Das Gericht habe dem 21-Jährigen, der eine furchtbare Kindheit hinter sich habe und sich seit dem 16. Lebensjahr allein durchschlage, eine erste Chance im Leben nicht verbauen wollen. Nachdem er von der Mutter und dem Stiefvater über Jahre hinweg misshandelt worden war, habe er nun Kontakt zu Onkel und Tante samt deren Großfamilie, die den jungen Mann herzlich aufgenommen habe. Der 21-Jährige sei zudem nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, habe weder Drogen- noch Alkoholprobleme. Seine Prognose für die Zukunft schätzt das Gericht als sehr gut ein.

Ganz anders sieht dagegen das Leben des 20-Jährigen aus, der mit dem 22-Jährigen den selben Vater hat. Während er vom 14. Lebensjahr an Drogen konsumierte und in der Schule massive Probleme hatte, war sein älterer Halbbruder das genaue Gegenteil. Nach einem Realschulabschluss mit der Note 1,6 brach er das Gymnasium ab, um seinen Traumberuf zu ergreifen und Polizist zu werden. Auch hier führte er sich tadellos. Dass er über seine Verhältnisse lebte, blieb anderen verborgen. Die Bitte des Vaters, sich um den jüngeren Halbbruder zu kümmern, hatte fatale Folgen.

Die Clique des Jüngeren faszinierte den 22-Jährigen immer mehr. Beide hatten jedoch Geldprobleme, der eine wegen seines Drogenkonsums, der andere, weil er auf zu großem Fuß lebte. „Irgendwann lässt man den Geist dann aus der Flasche“, umschrieb die Vorsitzende Richterin die Überlegungen der Brüder. Ein Überfall sollte sie aus der Geldnot befreien.

Softairpistolen versetzen Kassiererin in Todesangst

Das Urteil unter Tränen verfolgt

Am 22. September, einem Sonntag, war es so weit. Die Brüder hatten sich von der Freundin des einen und vom Vater Autos ausgeliehen. Dann stürmten sie gegen 21.20 Uhr in die Tankstelle in Schlechtbach. Die Kassiererinnen wurden mit Softairpistolen bedroht, die von echten nicht zu unterscheiden waren. Die eine erlebte den Überfall unter Todesangst, beide leiden noch heute unter psychischen Folgen.

Der Jüngere hatte seinen Anteil an den erbeuteten 6110 Euro bald verbraucht und beschloss einen weiteren Überfall. Zusammen mit dem 21-Jährigen erbeutete er am 10. November 1150 Euro in einer Tankstelle in Alfdorf. Für ihn ordnete das Gericht eine Drogentherapie an, die anderthalb Jahre dauern wird. Für ihn sieht die Zukunft besser aus als die Vergangenheit. Ganz anders für seinen Halbbruder: dieser muss sich von seinem Traumberuf verabschieden. Er verfolgte das Urteil unter Tränen.