Macht es die Tatsache für Sie einfacher, dass Sie nicht von den Bürgern, sondern vom Gemeinderat gewählt werden?
Natürlich. Schwierig ist es immer dann, wenn rechtliche Dinge tangiert sind, die den Bürgern unangenehm sind. Schauen Sie, zum Beispiel die Hindenburgstraße fällt in mein Dezernat. Wir werden diese Straße irgendwann ausbauen – und dann werden sich die Anwohner an den Erschließungskosten beteiligen müssen, weil sie bisher noch nichts gezahlt haben. Das wird sie nicht freuen, wir haben das aber juristisch überprüfen lassen. Ich habe einen Diensteid geschworen, dass ich die Rechtmäßigkeit als höchstes Gut achte – da kann ich solche Dinge nicht erlassen, nur weil Bürger böse auf mich sind.
Sind da die Weil der Städter speziell?
Nein. Wie überall gibt es auch hier viele Menschen, die schweigen, das aber verstehen. Auch wenn der kleine Teil der Bürger, der sich ärgert, sehr laut ist. Von diesen extrem lauten Bürgern darf man sich aber nicht beeinflussen lassen.
Da müssen Sie Ihre Emotionalität vor der Tür lassen.
Trotzdem bleibt man natürlich auch Mensch…
… bleiben Sie auch Frau? Spielt das eine Rolle?
Ja, das spielt eine Rolle und das macht es schwieriger – gerade bei meinem Dezernatszuschnitt. Die Erwartungen an eine Frau sind anders. Von einer Frau erwartet man, dass sie freundlich und ausgleichend ist, lieb, verbindend und kompromissbereit. Wenn Sie etwa ein Knöllchen bekommen, erwartet man von einer Frau eher, dass sie einen Kompromiss sucht und mal ein Auge zudrückt. Bei einem Mann würde es dann heißen: Der ist geradlinig.
Spielt das im Gemeinderat eine Rolle? Wie klappt hier die Zusammenarbeit? Immerhin elf Räte haben Sie nicht gewählt.
Ich weiß natürlich, dass sich einige Herrn Feigl gewünscht hätten. Ich arbeite trotzdem mit allen gut zusammen, das ist auch Teil unserer Professionalität.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister?
Das klappt als Duo sehr gut, auch deshalb, weil wir vom Typ her sehr verschieden sind. Und wir trennen die Dezernate und Themen. Die Krone-Post, die Innenstadt-Offensive, das Schulzentrum, darum kümmert er sich, das sind Beispiele seiner „Chef-Projekte“.
Wie gefällt Ihnen die Rolle als Chefin, die Sie jetzt seit vier Jahren einnehmen? Sie sind immerhin Chefin von etwa 100 Mitarbeitern.
Ich hätte gerne mehr Zeit für die Mitarbeiterführung. Aber durch die vielen Projekte, die wir zur Zeit hier in der Verwaltung stemmen, bleibt das teilweise auf der Strecke. Immer, wenn es Probleme gibt, muss man sich die Zeit nehmen, dann gibt es auch keinen Feierabend und keine Mittagspause, dann muss man zuhören. Was uns große Schwierigkeiten macht, ist, dass wir für eine Stadt unserer Größe sehr wenig Personal haben. Wir stellen fest, dass das einen Teil der Mitarbeiter belastet – und das ist für mich als Führungsperson sehr schwer zu begleiten. Ich bin oft hin- und hergerissen zwischen: Ich möchte, dass ein Projekt weitergeht. Ich habe aber auch die Verantwortung für die Gesundheit der Mitarbeiter, die natürlich vorgeht.
Hätten Sie nicht früher reagieren müssen, das Personal früher aufstocken müssen?
An dem Thema sind wir schon lange dran. So etwas ist aber immer ein längerer Entwicklungsweg. Auf der anderen Seite waren wir dankbar, dass wir relativ niedrige Personalkosten haben, auch wenn das Landratsamt uns angemahnt hat, dass wir angeblich zu hohe Personalkosten hätten. Das macht es uns auch schwer. Jetzt bin ich aber froh, dass wir eine Organisationsuntersuchung machen lassen konnten, um zu überprüfen, wie wir das Bauamt aufstocken.
Hätten Sie da nicht große Projekte, wie den Häugern, zurückstellen müssen, bis genügend Personal da ist?
Neue Wohngebiete standen seit meinem ersten Tag hier auf dem politischen Wunschzettel ganz oben. Wir haben den kleinen Personalstamm aber mit externer Unterstützung kompensiert.
Sie haben die Organisationsuntersuchung angesprochen. Daraufhin haben Sie sechs Stellen im Stadtbauamt ausgeschrieben. Wie läuft dort die Aufbauarbeit?
Das läuft gut. Außer für die Stelle des Tiefbauingenieurs haben wir sehr gute Bewerbungen bekommen. Es sieht so aus, als ob wir zum 1. Januar das Stadtbauamt personell wieder besser besetzen können. Das ist dringend notwendig, momentan laufen einige Projekte zu langsam. Und wenn dann noch solche Diskussionen – wie etwa um den Schweinestall der Familie Riehle – dazukommen, verzögert das natürlich den regulären Betrieb. Da geht’s jetzt aufwärts.
Woran merken die Weil der Städter, dass eine Susanne Widmaier jetzt seit vier Jahren Erste Beigeordnete ist?
Als ich begonnen habe, hat Bürgermeister Schreiber mir ein Blatt in die Hand gedrückt mit den Projekten, die ihm am meisten am Herzen liegen: etwa neue Wohngebiete, Bebauungspläne, Stadtwerke, den Masterplan Stadtmauer und die Wirtschaftsförderung und einiges mehr. Diese Themen sind wir alle angegangen. Wir arbeiten aber auch an kleineren Themen, etwa neuen Bestattungsformen.