Am Sonntag startet die Vorrunde der Handball-EM. Deutschlands erster Gegner ist Tschechien. Damit beginnt das Fiebern um die Olympia-Teilnahme.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Zahlenspiele sind im Sport ja gang und gäbe. So gesehen könnte das Gesetz der Serie für die deutschen Handballer nichts Gutes bedeuten. 2010 gab es Platz 10 bei der EM in Österreich; 2011 Platz 11 bei der WM in Schweden - und 2012 bei der EM in Serbien also Platz 12? Gemach, gemach. Mit so einem Fiasko rechnen selbst die größten Pessimisten im deutschen Lager trotz des Abwärtstrends der vergangenen Jahre nicht. Der hatte auch zur Folge, dass das Traineridol Heiner Brand im Sommer vorzeitig seinen Posten geräumt hat, den nun sein einstiger Assistent Martin Heuberger einnimmt. Dass dessen Wirken bisher - bei nur einem Sieg in fünf Länderspielen - nicht gerade von Erfolg gekrönt war, macht das Unterfangen in Serbien nicht leichter. Das Ziel dort lautet ganz klar: die Chancen auf die Olympiaqualifikation erhalten.

 

Welcher Rang dafür am Ende nötig ist, hängt angesichts eines komplizierten Modus von den Platzierungen der anderen Konkurrenten ab.

Der einflussreiche Berliner Bundesligamanager Bob Hanning hat zuletzt sogar offen für ein Scheitern bei der EM und damit einen Umbruch plädiert: "Je eher der eingeleitet wird, desto besser. Es bedarf eines Austausches von bis zu 50 Prozent des Kaders." Doch diese Meinung ist nicht mehrheitsfähig, der Druck allumfassend: Mehr denn je kämpft der Handball national in der Gunst des (Fernseh-)Publikums gegen Mannschaftssportarten wie Eishockey und vor allem Basketball. Deshalb sagt der Ligageschäftsführer Frank Bohmann: "Die Nationalmannschaft ist das Zugpferd des deutschen Handballs. Für die Liga wäre eine Olympiateilnahme extrem wichtig." Denn von einem Medaillenkandidaten spricht beim Weltmeister von 2007 niemand mehr. "Langfristig ist das sicher ein Ziel", sagt Martin Heuberger, der zunächst einmal andere Sorgen hat.

Michael Kraus fällt weiterhin aus

Nach dem Verzicht auf den Dauerpatienten Michael Kraus als Spielmacher fehlt ausgerechnet auf dieser strategisch wichtigen Position des Denkers und Lenkers internationale Klasse, die Michael Haaß (Göppingen) oder Martin Strobel (Lemgo) nur bedingt verkörpern. "Wenn ich nur 16 Mann nominieren darf, ist mir das Risiko zu hoch, einen Spieler als Joker mitzunehmen, ohne zu wissen, ob er überhaupt fit wird", sagte Heuberger zur Personalie Michael Kraus. Auf der anderen Seite könnte dieses Handicap natürlich auch als Ausrede herhalten, falls es mit der ersehnten Olympiaqualifikation nicht klappt.

Angesichts dieser Umstände kommt im Rückraum vor allem den Spielern auf der Halbposition größeres Gewicht zu, also links auf die zuletzt in der Liga stark verbesserten Pascal Hens und Lars Kaufmann und rechts auf Holger Glandorf und Adrian Pfahl. Generell stützt sich Heuberger auf den vorhandenen Kader, in dem Balinger Torhüter Martin Ziemer hat er einen der beiden Neulinge (neben Kreisläufer Wiencek) aus dem Aufgebot gestrichen.

Am Sonntag wird es dann ernst - zum Auftakt gegen Tschechien, gleich ein Schlüsselspiel für den weiteren Turnierverlauf. Der Außenseiter Mazedonien darf dann am Dienstag nicht unterschätzt werden, kann er im grenznahen Nis doch auf lautstarke Unterstützung seiner heißblütigen Fans zählen. Zum Abschluss wartet dann Schweden, der wiedererstarkte WM-Vierte. Die ersten drei Teams qualifizieren sich für die Hauptrunde - das sollte machbar sein. Wobei die Ergebnisse gegen die direkten Konkurrenten mitgenommen werden, so dass positive Resultate nötig sind, um im Turnierverlauf nicht früh auf der Strecke zu bleiben.

"Die Mentalität im Team stimmt"

Heuberger weiß: "Wir müssen uns in allen Mannschaftsteilen verbessern, um in Serbien bestehen zu können und den nächsten wichtigen Schritt auf dem Weg in Richtung London machen zu können." Sollte der vorzeitig in einer Sackgasse enden, wäre das der Super-GAU - und Deutschland erstmals nicht für Olympia qualifiziert.

Der Trainer Heuberger hat einen Vertrag bis 2014 und müsste diese Zeit dann auch zu einem (wie auch immer gearteten) Neuaufbau nutzen, während die Rolle des Co-Trainers Frank Carstens zunächst einmal auf dieses Turnier beschränkt ist. Danach muss man sehen, ob und wie sich die Doppelbelastung mit seinem Job als Coach beim SC Magdeburg vereinbaren lässt. "Die Art und Weise, wie die Mannschaft arbeitet, stimmt mich optimistisch. Die Spieler sind sehr konzentriert", sagte Carstens während der Vorbereitung.

So sieht es auch Oliver Roggisch, mit 33 Jahren der Routinier im Team, der sich der damit verbundenen Verantwortung bewusst ist: "Die Mentalität im Team stimmt", sagt der Abwehrchef der Rhein-Neckar Löwen. "Wir alle wollen zu Olympia. Deshalb ist in Serbien für uns jede Partie ein Endspiel." Wenn es denn nur schon das echte Finale am 29. Januar wäre.

Viele Wege zu Olympia

London Für Olympia qualifiziert ist Weltmeister Frankreich. Ein Qualifikationsturnier (6. bis 8. April) bestreiten die EM-Starter Dänemark, Spanien, Schweden, Island, Kroatien und Ungarn.

Modus Bei der EM werden unter den restlichen neun Nationen noch zwei Plätze für ein Qualifikationsturnier vergeben. Die gehen an die beiden bestplatzierten Teams, die noch nicht auf anderem Weg qualifiziert sind. Der Europameister ist direkt dabei. Sollte es Frankreich sein, geht das Ticket an den Finalgegner.