Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Wenn jemand ein Buch in einem großen Verlag veröffentlicht, dann bemüht sich der Verlag, dieses Buch zu vermarkten. Heyne präsentierte die Neuerscheinung „Jogginghosen-Henry“ auf seiner Homepage und ließ quer durch die Republik tausend Werbeplakate in Kneipen aufhängen. Der Verlag erwartet aber auch, dass der Autor selbst etwas dafür tut, dass sein Buch von möglichst vielen Freunden der Literatur entdeckt wird. Folglich postet Finkbeiner täglich bei Facebook Neuigkeiten über sich und sein Erstlingswerk, und in einem Youtube-Video sieht man den Autor lesend auf einem Rockfestival-Dixie-Klo. Ohne ständige Internetpräsenz geht nichts mehr.

 

Gleichzeitig versucht Hannes Finkbeiner, sein Produkt direkt an den Kunden zu bringen. Zu der WG-Lesung hat er 30 Exemplare vom „Jogginghosen-Henry“ mitgebracht und neben dem Bücherstapel einen Hut als Kasse platziert. Als Finkbeiner die ersten Sätze vorliest, sitzt er noch ruhig auf einem Metallhocker: „Lehrer habe ich immer als Wesen aus einer anderen Welt empfunden, als Außerirdische – nicht unbedingt böswillig, das nicht, aber sie kommunizieren in einer Sprache, die mir fremd und unverständlich war.“ Finkbeiner springt auf, wippt von einem Fuß auf den anderen und ruft: „Die Wolken waren schwarz, nicht grau, schwarz! Irgendwo, tief im Bauch des Schulgebäudes, fiel mit einem dumpfen Knall eine Tür ins Schloss – ich sag’ Ihnen, so fangen Horrorfilme an!“ An dieser Textstelle gibt es digitales Gewitterdonnern vom iPhone.

Schon die Veröffentlichung ist ein Erfolg

In Deutschland leben viele Menschen, die ihren Namen gerne auf einem Buchdeckel sehen würden. Allein beim Heyne Verlag landen pro Jahr rund 10 000 Manuskripte, veröffentlicht werden etwa 650 Titel. So gesehen, gehört Finkbeiner zu den erfolgreichen Autoren, was allerdings nichts über seinen wirtschaftlichen Erfolg sagt. Laut Künstlersozialkasse verdient ein Schriftsteller durchschnittlich weniger als ein Müllmann: monatlich 1400 Euro brutto.

Hannes Finkbeiner will nicht über seinen Vertrag mit Heyne sprechen. Geht man von den üblichen Konditionen in der Branche aus, hat er für den „Jogginghosen-Henry“ ein Garantiehonorar von 10 000 Euro bekommen. Zusätzliche Zahlungen erhält er nur, wenn mehr als 10 000 Exemplare verkauft werden – pro Stück etwa einen Euro. Finanziell betrachtet steht sein Aufwand von etwa einem Jahr Schreibarbeit also in einem Missverhältnis zu seinem Ertrag. Doch vielleicht spielt Geld keine große Rolle, wenn man genügend Anerkennung bekommt. Über die sozialen Netzwerke erreichen Finkbeiner Komplimente wie: „Unfassbar geiles Buch! Henry hat mich so gefesselt, dass ich ihn innerhalb von drei Tagen geschafft habe und jetzt enttäuscht bin, dass ich fertig bin.“ In solchen Momenten gibt es wohl nichts Schöneres, als Schriftsteller zu sein.