Von kommenden Dienstag an läuft die Serie „Crashing“ auf Sky mitsamt der amerikanischen Comedy-Elite. Thematisch geht es um eine kluge wie lustige Kritik am bürgerlichen Way of Life.

Stuttgart - Menschen, deren Aufgabe angeblich darin besteht, lustig zu sein, sind auch äußerlich häufig leicht erkennbar. Im Blitzlichtgewitter der Privatsender zum Beispiel machen sie ulkige Grimassen, tragen noch ulkigere Maskeraden und reißen ihre Gags dazu lauter als nötig. Im öffentlich-rechtlichen Resopal-Ambiente kommt Komik demgegenüber oft staatstragend daher, mit erhobenem Zeigefinger und offenem Hemdkragen. Beide Seiten sind nicht unbedingt stilsicher, aber auf eigene Art durchaus schillernd. Pete dagegen ist weder das eine noch das andere. Die Hauptperson der HBO-Serie „Crashing“ trägt das gestreifte Polohemd zur gebügelten Leinenhose und sieht auch sonst eher nach Schuhverkäufer als Witzbold aus. Kein Wunder, dass sein einziger Lacher für lange Zeit der eines Bekannten bleibt, dem Pete erzählt, Comedian werden zu wollen.

 

Wobei er das eigentlich schon längst ist. Denn Pete heißt auch im wahren Leben Pete, Nachname Holmes, und ist trotz oder wegen seines betulichen Dackelblicks ein Star der neueren amerikanischen Stand-up-Szene. Und wie zehn Jahre zuvor in seinem echten Leben, wird seine Filmfigur zum Auftakt von seiner Frau Jess (Lauren Lapkus) im Ehebett betrogen, woraufhin der gehörnte Gatte das gemütliche Heim im mittelständigen Brooklyn verlässt und auf den Straßen der Millionenmetropole landet, wo sich sodann auch der Serientitel erklärt: „Crashing“ steht fürs Einfallen Obdachloser in fremde Häuser.

Während Pete mit großer Hingabe, aber überschaubarem Talent versucht, als Komiker Fuß zu fassen, bezieht er nämlich fortan Folge für Folge die Ausziehsofas wechselnder Wohnungen zufälliger oder gezielter Bekanntschaften, von denen nicht wenige wie Holmes selbst zur Spaß-Elite an West- und Ostküste der USA zählen. Die Besetzungsliste liest sich bereits in der ersten Folge wie ein Who is Who angloamerikanischer Humorarbeit: Jeff Ross, Rachel Feinstein, Keith Robinson oder Gina Yashere in Episodenrollen, ganz zu schweigen von Artie Lange, Sarah Silverman und T.J. Miller, die acht Teile lang unter ihren Klarnamen mitspielen.

Dennoch ist „Crashing“ weit mehr als nur eine Nummernrevue beteiligter Showgrößen. In ihrem Umfeld wird vielmehr die Trostlosigkeit bürgerlich saturierter Daseinsformen geschildert, deren Protagonisten so sehr in Konventionen, Codes und Genügsamkeit erstarrt sind, dass ein Ausbruch nur über den Rinnstein denkbar scheint. Pete zum Beispiel – häuslich, religiös, auf apathische Art zufrieden – will gar nicht viel vom Leben und merkt erst, als das Verlangen danach wächst, wie sehr ihn die bisherige Lethargie am Umsetzen seiner Träume hindert. Holmes’ eigenes Drehbuch gießt diese Diskrepanz zwar vielfach in treffsichere Dialogkomik – als er es jedoch dem Komödienrevoluzzer („Jungfrau (40), männlich, sucht“) und Serienguru („Girls“) Judd Apatow zur Verfilmung vorschlug, winkte der Produzent zunächst ab: Zu traurig.

Dann aber übernahm er den melodramödiantischen Stoff doch, führte sogar Regie und machte das Ganze als Showrunner zu einer der angenehmsten Erscheinungen am rappelvollen Comedyhimmel unserer Zeit. Nicht weltbewegend, geschweige denn soziokulturell bedeutsam, nach holprigem Start aber vielfach klug und pointiert. Und das hat viel mit dem Hauptdarsteller zu tun. Sein zähes Ringen um Anerkennung außerhalb des gewohnten Biotops wirkt so authentisch, als entsprängen weit mehr als ein paar Anekdoten – die frühe Trennung, das anfängliche Scheitern – seiner realen Existenz. Und vom Staub kleiner Hinterhofbühnen hat der unscheinbare Zweimetermann in seiner Karriere ohnehin so viel geschluckt, dass sein Serien-Pete sehr glaubhaft wirkt.

Man kann ihn fast riechen – den Schweiß, der aus Holmes’ Träumen auf viele Bühnen getropft ist – bevor die Late-Nite-Stars John Oliver und Jimmy Fallon den 38-Jährigen bekannt gemacht haben. All dies lässt „Crashing“ zur entzückenden Coming-of-Age-Erzählung einer urbanen Mittelschicht werden, die vom vorgeblichen Arbeiterfreund Trump tief und tiefer in die Verunsicherung getrieben wird. Anspruchsvoller Humor braucht halt weder Grimasse noch Maskerade und schon gar keinen Lärm. Manchmal reicht bereits das Dutzendgesicht eines ganz gewöhnlichen Menschen und dessen Erfahrung mit dem Leben da draußen.