Nach weit mehr als 30 Jahren in der Rockmusik scheint bei Heinz Rudolf Kunze vieles harmonischer zu sein, stimmiger, weniger aufgesetzt. Das zeigt der 57-Jährige vor 500 Menschen im LKA in Stuttgart-Wangen.

Stuttgart - Er springt nicht mehr in einem albernen Bühnenkostümchen einher und macht auch keine Rumpelstilzchen-Mätzchen. Mittlerweile scheint er in sich selbst zu ruhen und mit seinem Schal um den Hals mehr den gelassenen Kulturgrafen aus Niedersachsen zu geben. Auch scheint nach weit mehr als dreißig Jahren in der Rockmusik Heinz Rudolf Kunzes vieles harmonischer zu sein, stimmiger, weniger aufgesetzt. Das Oberlehrer-Image, das er lange hatte, war wohl ein Durchgangsstadium. Jetzt rockt er zusammen mit seiner vierköpfigen Band namens Verstärkung kräftig mit dem Titel „Europas Sohn“ los. „Redet nicht Europa klein, man ist nur wer man ist, wenn man sich nicht vergisst“, so tönt der Mann trotzig-rotzig vor fünfhundert Besuchern im LKA.

 

Er war schon immer ein begabter Sprachspieler, kann dies aber heutzutage als 57-Jähriger sehr viel besser und selbstverständlicher in seine Musik einbringen. Das Eckige und Kantige vergangener Tage hat er damit abgelegt, auch wenn er sich anfangs an den Flügel setzt, um einige bedeutende Monologe zu sprechen, die ihn als eckigen und kantigen Kritiker der Verhältnisse ausweisen sollen. Er spuckt dabei über den neuen Angriffswillen des Bundespräsidenten Gift und Galle. Er setzt auch einen ätzenden Rundumschlag auf das Deutschland, wie es sich ihm präsentiert: „Alles wird gemacht, was geht. Und geht es nicht, so wird es nicht gemacht“.

Doch bald schon lässt er nur noch seine Songs sprechen. Jawohl, die Brille, der er auch einmal ein komplettes Album gewidmet hat, muss gelegentlich abgesetzt werden. Zum Spiel mit der Gitarre setzt er sie dann wieder auf. „Brillenfutteral“, unter anderem dieses Wort lässt er zu Beginn seines Auftritts auf der Zunge zergehen. Und wenn er schon am Rocken ist, setzt der Wulff-Sympathisant auch gleich noch seine vertonte Medienschelte „Schämt ihr euch nicht“ hinterher, um hinterher immer weiter zu allerlei raffiniert in seine Musik verpackten Zitaten zu wettern. Andeutungen an die für ihn stilbildenden siebziger Jahre werden hörbar, Pete Townsend oder Van Morrison: er ist ein sehr versierter Songschreiber geworden, der seine Songs auch einmal über vielfältig wechselnde oder garstig ätzende Harmonien führt.

So etwas gilt natürlich weniger für den Titel „Dein ist mein ganzes Herz“, seinen Hit aus dem Jahr 1985, der so etwas wie ein Gassenhauer sein wollte. „. . .Wir werden wie Riesen sein, uns wird die Welt zu klein“. Das Gefühl der Euphorie und des Optimismus zu fassen, gelingt Kunze. Den einleitenden Sequenzer dazu lässt der Keyboarder Matthias Ulmer tuckern, der vom Sänger als Stuttgarter vorgestellt wird. Die ganze Band, von Kunze als Verstärkung bezeichnet, spielt gut und gerne. Unter anderem kommt noch „Alles was sie will“ und „Wenn du nicht wiederkommst“. Kleine Hits. Kunze mit Verstärkung: stark.