Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Rollins’ Weltreise beginnt in Afghanistan, mit Dias aus US-Kampfhubschraubern (dazu später mehr) und einer Geschichte aus im wahrsten Sinne des Wortes vermintem Gelände. Weiter geht es mit Berichten seiner Reisen unter anderem in den Irak, den Iran, nach Kambodscha, Syrien, Bangladesch und Nordkorea, Mali, die Mongolei und in die Antarktis.

 

In seiner Roadtripschilderung aus Teheran geht er der sinnfälligen Frage nach, warum US-Bürger dort nicht zu den allerwillkommensten Gästen zählen. Bei seinen Szenen aus Vietnam räsoniert er über die Frage, warum dort Gespräche über den Tod und das Sterben für Amerikaner ein heikles Terrain bedeuten. Beides dient ihm – anders war es auch keinesfalls zu erwarten – zum obligatorisch-notwendigen Schlenker zu den politischen Verhältnissen in seinem Heimatland, dem Fett, das der jetzige Präsident weg bekommen muss und dem Distinktionsmerkmal, das einen seiner Vorvorgänger von Trump unterscheidet: George Bush Senior, sagt Rollins, dem man gewiss auch keine Nähe zu diesem Mann unterstellen darf, hatte wenigstens einen Core of Decency, einen Sinn für Anstand.

Denkbar buntes Kaleidoskop

Passabel Englisch muss man schon beherrschen, um ihm im Wizemann folgen zu können. Andererseits spricht er zwar rasend schnell, aber doch wohlakzentuiert und mit nicht übermäßig kompliziertem Vokabular, so dass man sich nach wenigen Minuten gut eingehört hat. Und ausblenden muss man – so viel Ehrlichkeit gehört bei diesem Mann dazu, der als Inbegriff der Integrität gilt und ein so aufrechter wie aufrichtiger Kämpfer für das Gute ist – auch die unauflösbare Ambivalenz, dass er zu den Krisenherden des Mittleren Osten als Gast des US-Militär-Unterhaltungsprogramms reiste, mit dem die dort kämpfenden Truppen bei Laune gehalten werden.

Was allerdings nichts an der Güte seines Vortrags ändert, dessen viele Worte in wenige Worte zu fassen schlichtweg unmöglich ist. Am Ende zeigt er die zwei erwähnten Fotos, die nicht von ihm stammen. Eines zeigt ihn beim Vorsingtermin bei seinem späteren Arbeitgeber Black Flag; das andere hat sein Schulfreund Ian MacKaye (Minor Threat/Fugazi/Dischord Records) aufgenommen, es zeigt den jungen Henry beim Skateboardfahren. Von dort schlägt Rollins gar noch kurz den Bogen zu seinem jetzt 92-jährigen Vater. Und so endet ein unglaublich buntes Kaleidoskop der Sinneseindrücke an einem warmherzigen, berührenden und zugleich hoch informativen sowie unterhaltsamen Abend mit einem wirklich klugen Kopf, der es überdies auch noch schafft, 135 Minuten wie einen Wimpernschlag vergehen zu lassen.