Der Schönbuchtunnel entspricht nicht mehr den Sicherheitsvorschriften. Er wird für 24 Millionen Euro saniert. Die Arbeiter müssen viel Lärm und Abgase aushalten.

Herrenberg - Der Stress fängt für Rolf Huber bereits morgens kurz vor 7 Uhr an. Weil er einen Umweg von etwa zehn Kilometern scheut, hat er, um zum Bürocontainer an der Baustelle zu gelangen, eine besondere Technik

 

entwickelt. Kurz vor dem Ende des Schönbuchtunnels Richtung Singen bremst er zunächst auf Tempo 50 ab, um dann noch einmal Gas zu geben, zu blinken und 50 Meter hinter dem Tunnelportal rechts in die Baustellenausfahrt abzubiegen. „Nur so habe ich im dichten Morgenverkehr einen sicheren Abstand“, sagt der 52 Jahre alte Bauingenieur und Projektleiter der Tunnelsanierung.

Lärmpegel von 90 Dezibel

In der Weströhre herrscht ohrenbetäubender Lärm. Dort schneiden Arbeiter der Baufirma Leonhard Weiss ein altes Löschwasserrohr auseinander, das beseitigt und durch eine neue Leitung ersetzt werden muss. Nur zwei Meter neben ihnen brandet der Autobahnverkehr Richtung Singen. Der Lärmpegel betrage wohl ungefähr 90 Dezibel, meint ein Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft aus Stuttgart. In der Mitte des Tunnels kurz vor Herrenberg hat er zwei Messgeräte postiert. Sie sollen genauen Aufschluss darüber geben, wie stark die Lärmbelastung wirklich ist. „Von 85 Dezibel an“, sagt der Experte, „ist ein Ohrenschutz Pflicht.“

Es gibt Ohrenklappen und weniger wirksame kleine Stöpsel aus Kunststoff für die Hörmuschel. „Jeder muss selber wissen, womit er klar kommt“, sagt der Polier von Leonhard Weiss, Wolfgang Leschert. Manche arbeiten ganz ohne Gehörschutz. „Den Druck hält man auf Dauer nicht aus, den man bei den Ohrenklappen bekommt“, sagt der 56-Jährige. Seine Kollegen verlegen neben den Wasserrohren auch Stromkabel. Zudem bringen sie in der Weströhre am Südportal die Stahlbewehrung an. Die riesigen Gitter sollen dem Portal wieder die nötige Stabilität geben. Sie waren verrostet, der Beton darüber hatte Löcher.

Die Röhren entsprechen nicht mehr den Sicherheitsstandards

Die im Jahr 1978 erbauten Röhren auf der Autobahn 81 entsprechen nicht mehr den heutigen Standards. Mit der 24 Millionen Euro teuren Sanierung soll der Tunnel vor allem sicherer werden. Die Vorschriften waren zuletzt im Jahr 2006 vor allem wegen der schweren Unglücke in Tunnels der Alpenregion verschärft worden, wo zahlreiche Menschen ein Opfer der Flammen wurden. Zum Glück hat es im Schönbuchtunnel bisher keine solchen Feuerszenarien gegeben. „Obgleich der Tunnel als veraltet gilt, auch in puncto Beleuchtung, hat es dort in den vergangenen Jahren nicht auffällig viele Kollisionen gegeben“, hatte Frank Buth, der Sprecher des Ludwigsburger Polizeipräsidiums, jüngst erklärt. Dennoch sieht der Bund nun einen dringenden Handlungsbedarf, nachdem die Renovierung auf Grund der komplexen Planung immer wieder verschoben worden ist.

Durch die Weströhre tost der Verkehr tagsüber einspurig in Richtung Singen. Tempo 60 ist erlaubt. „Doch kaum einer hält sich daran“, meint ein Bauarbeiter. Hin und wieder führte die Polizei Geschwindigkeitskontrollen durch. Doch darüber ist man auf der Baustelle nicht begeistert. Sie führen zu Bremsmanövern und zu gefährlichen Situationen an der 1,15 Meter hohen Abschrankung der Fahrbahn. Besser sei es, der Verkehr fließe. Immerhin: laut der Polizei gab es bisher nicht mehr Unfälle als sonst. Mit ein paar wenigen Blechschäden sei alles glimpflich verlaufen.

Zum Lärm kommen der Staub und die Abgase

„Als Arbeitsplatz ist der Tunnel ein Härtefall“, sagt Leschert. Denn zum Lärm kommen auch der Staub und die Abgase der Autos. Am Portal sei das noch einigermaßen erträglich. Normalerweise wird von 7 Uhr bis 12 Uhr durchgearbeitet, um voranzukommen. „Wenn es zu extrem wird, machen wir dazwischen auch Mal eine 20-minütige Pause“, erklärt der Polier. Und nach der Mittagspause greife man dann einigermaßen erholt nochmals bis 17 Uhr an. Lohnzuschläge gebe es keine. „Bisher ist noch kein Kollege deshalb an mich herangetreten. Doch wenn es soweit ist, werden wir verhandeln“, sagt Leschert und schmunzelt. Schlecht verdienen würde keiner. Im Monat kämen die Kollegen im Schnitt auf rund 2000 Euro netto.

Gearbeitet wird abschnittsweise. An den ersten drei Blöcken an einem Portal der Weströhre werden Drahtgeflechte montiert. Ein Block misst zehn Meter. Danach sind die ersten drei Blocks an den anderen Portalen an der Reihe. „Die restlichen Abschnitte sind unter der Erde und deshalb stabil“, sagt der Projektleiter Huber. Stolz ist der Bautrupp auf die neuen Brandabscheider, das sind 2,65 Meter lange und 1,10 Meter breite Wannen aus Stahlbeton, die alle 50 Meter vor dem Notgehweg einbaut werden. „Das ist ein Novum in Deutschland“, sagt Nemer Baker, der stellvertretende Bauleiter, der wie Huber aus dem Baureferat des Stuttgarter Regierungspräsidiums kommt, das die Federführung des Sanierungsprojekts hat. Sollte es im Tunnel brennende Flüssigkeiten geben, werden sie in der Wanne aufgefangen.

In zehn Metern Höhe arbeitet Florian Heiden

Um neue Rauchmeldekabel an der Tunneldecke zu verlegen, werden die Röhren nachts gesperrt. Bisher ist dies bei der Weströhre der Fall. „Es wird gebohrt. Es wäre zu gefährlich, wenn Betonbrocken herunter fallen würden“, erläutert Huber.

Nicht völlig ungefährlich ist der Job von Florian Heiden, der in etwa zehn Metern Höhe die alten Dehnfugen kontrolliert und glatt schleift. Hat er eine fertig, fährt er mit seiner Teleskophebebühne wieder hinunter. Nein, der Lärmpegel mache ihm nicht so viel aus, sagt der 25 Jahre alte Mitarbeiter der Firma Leonhard Weiss. „Es ist aber sehr kalt und windig da oben.“

Sanierung dauert zwei Jahre

Unter dem Sicherheitsaspekt sind auch Wände mit Türen wichtig, die in der Mitte des Tunnels den etwa drei Meter breiten und 25 Meter langen Zwischengang abdichten sollen, der die beiden Röhren miteinander verbindet. Im Brandfall sollen hier die Menschen Zuflucht finden. „Da sollten alle reingehen“, meint Baker.

Seit Anfang April sind die Sanierungsarbeiten im Gange und werden wohl noch rund zwei Jahre dauern. Das sei tatsächlich noch eine Weile hin, meint Baker. Doch sind Tunnelbauer die Mühen gewöhnt. Schließlich verfahre man an den Portalen in der Pilgerschrittbauweise, Block für Block. Und Rolf Huber hat morgens kurz vor 7 Uhr noch einige Male sein Abbiegemanöver zu bewältigen – um sicher zum Baucontainer zu gelangen.