Moscheen und Internationale Vereine sind wichtige Anlaufstellen für Flüchtlinge. Sie unterstützen die Neuankömmlinge beim Zurechtfinden in der neuen Heimat.

Herrenberg/Sindelfingen - Seyit Timur ist noch immer ganz überwältigt. „Mit einem solchen Ansturm hatten wir nicht gerechnet“, sagt der Vorsitzende des Türkischen Kulturzentrums Atib im Affstätter Tal in Herrenberg. „Der Hof war voll. Etwa 220 Leute haben mit uns am Sonntag das Ramdanfest gefeiert, davon waren mindestens die Hälfte Flüchtlinge.“ Nicht nur beim Fest zum Abschluss des Fastenmonats registrierte der kleine Verein mit knapp 100 Mitgliedern so viele Gäste. Während des gesamten Ramadans habe sich das Kulturzentrum mit einem eigenem Imam und einem Gebetsraum zur Anlaufstelle für Flüchtlinge aus Herrenberg entwickelt, berichtet Timur. An den Wochenenden kochten die Frauen des Vereins und luden abends zum gemeinsamen Fastenbrechen ein. Bis zu 300 Teilnehmer – darunter waren viele Syrer – zählte Timur an manchen Abenden auf dem Hof, auf den man Zelte gestellt hatte. „Im Winter hätten wir so etwas aus Platzgründen gar nicht machen können.“

 

Eingeladen zum Fest hatte der Verein auch die Flüchtlingsbeauftragte sowie die Ehrenamtskoordinatorin der Stadt. Doch beide hätten keine Zeit gehabt, bedauert Timur, betont aber: „Grundsätzlich arbeiten wir gut mit der Stadt zusammen.“

Vielen Flüchtlinge fehlt ein muttersprachlicher Ansprechpartner

„Die Moscheevereine engagieren sich sehr für die Integration der Flüchtlinge“, betont Ina Mohr, die Ehrenamtsbeauftragte der Stadt. Sie selbst habe gute Kontakte zur Ditib-Moschee an der Schießmauer. „Die haben verschiedene Projekte mit Flüchtlingen.“ 250 Asylbewerber leben zur Zeit in der Stadt. Die meisten davon in Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises, nur 21 in Unterkünften der Stadtverwaltung. „Viele Flüchtlinge fühlen sich hier verloren. Ihnen fehlt vor allem ein offizieller Ansprechpartner, der ihnen in ihrer Muttersprache erklärt, was wichtig ist“, sagt Mohamed Esmat. Der Deutsch-Ägypter, der seit 15 Jahren in Herrenberg lebt und gute Kontakte zu den Moscheen hat, dolmetscht häufig zwischen den Flüchtlingen und den Mitgliedern der Moscheegemeinden. „Mit der Sprache haben wir die gleichen Probleme wie die Deutschen. Aber wir wissen, wie es sich anfühlt, wenn man in der Fremde neu anfangen muss “, sagt Seyit Timur, der vor 38 Jahren als 13-Jähriger aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist. „Und wir sehen es als unsere Menschenpflicht an, zu helfen.“

„Die Moschee ist für uns ein Stück Heimat und Familienersatz. Einige Mitglieder haben uns sogar zuhause besucht“, sagt Sohaib D. Der 27-Jährige aus dem syrischen Aleppo lebt mit seiner Frau Ranin seit anderthalb Jahren in Herrenberg. „Wir kennen hier niemanden, haben keinen Kontakt zu Deutschen. In der Moschee treffen wir andere Syrer.“ Sein Wunsch: „Jemand, der uns mal zum Arzt begleitet oder einen Brief übersetzt.“ Doch eine solche Unterstützung sei auch für die Vereinsmitglieder schwierig, sagt Timur. Nur wenige könnten Arabisch.

Frauen helfen Frauen

Diese Probleme hat der muslimische Frauenverein Nisa in Sindelfingen nicht. „Wir haben in unserer Gruppe etwa zehn Arabisch sprechende Frauen“, berichtet Ola Momen. Die Ägypterin aus Holzgerlingen leitet die Flüchtlings-AG des Vereins. „Anfangs ging es vor allem ums Dolmetschen bei Behörden und Ärzten. Daraus entwickelte sich dann ein Netz an Angeboten: ein Schwimmkurs für Mädchen, eine Nähgruppe für Frauen, Pfadfinder, Ferienkurse.“ Die syrische Kochgruppe koche auf Wunsch für Feste und käme so in Kontakt zu Deutschen.

Etwa 60 Frauen und 200 Jugendliche erreiche Nisa mit seinen Angeboten, sagt Momen. „Flüchtlinge, die schon länger hier leben, sind mittlerweile zu Helferinnen geworden.“ Wert legt der Verein auf die Kooperation mit anderen Ehrenamtlichen in der Stadt. „Wir sind Mitglied im AK Asyl.“

Vor zwölf Jahren sei sie zum Studium nach Deutschland gekommen, berichtet Momen. „Der Anfang war sehr schwer.“ Jetzt sei sie gut integriert. „Ich will nun andern helfen, hier anzukommen .“

Der Platz im Kulturverein ist knapp

Atib
Der Herrenberger Türkisch-Islamische Kulturverein (Atib) wurde 1987 gegründet und gehört dem deutschen Dachverband Atib mit Sitz in Köln an. Er hat 96 Mitglieder plus 200 bis 300 Familienangehörige und steht auch Nichtmitgliedern offen. Der Verein hat einen Gebetsraum mit eigenem Iman, der seit drei Jahren vom türkischen Staat bezahlt wird. Das Zentrum ist klein: Es gibt den Gebetsraum, einen Jugendraum, eine Küche. Feste finden im Hof statt. „Wir brauchen dringend größere Räume. Die Stadt hat keine, uns fehlt das Geld“, so der Vorsitzende.

Nisa
Im multikultureller Verein, gegründet 2001, treffen sich muslimische Frauen aus dem deutschen, türkischen und arabischen Sprachraum. Die Mitglieder kooperieren mit anderen Vereinen und Behörden. Sie initiieren Projekte für Senioren, Frauen, Kinder und Jugendliche.