Die zweitkleinste Gemeinde im Kreis Böblingen, Hildrizhausen, feiert Ortsjubiläum. Ein Höhepunkt war am Samstag der Festakt, bei der auch die neue Chronik mit allerlei Anekdoten präsentiert wurde.

Hildrizhausen - Das hätte man der zweitkleinsten Gemeinde im Kreis nicht zugetraut: ein Intrigenspiel zwischen zwei Familien um die Besetzung der Pfarrstelle und ein Tüftler, der die Gemeinde am Schönbuchrand am liebsten zu einem Kurort gemacht hätte. Diese beiden Episoden und viele andere mehr aus der Geschichte Hildrizhausens hat die Kulturwissenschaftlerin und Archivarin Brigitte Popper in zweijähriger Arbeit zu Tage gefördert, in eine Chronik und einen Vortrag gepackt, den sie beim Festakt zur 900-Jahr-Feier der 3500-Seelen-Gemeinde am Samstagabend vor mehr als 500 Gästen hielt.

 

Reich ist der sonst eher arme Ort an Wasser. Schon seit Jahrhunderten versorgen die Quellen die Bevölkerung mit dem lebensnotwendigen Nass. Aber erst Adolf Friedrich Heim, der 1864 die Stelle des Junglehrers in der Gemeinde antritt, kommt auf die Idee das schmackhafte Wasser als Heilwasser zu verkaufen. Mehr noch: er träumt von einem Kurhaus mit Badebetrieb samt Kurhotel. Nach seiner Pensionierung Anfang des 20. Jahrhunderts versucht er die Geschäftsidee voranzutreiben. Holt sich einen Kaufmann als Kompagnon ins Boot, aber den Handel mit dem Heilwasser bringt er nicht zum Laufen. Dabei hat der Tüftler eine Anlage zum Waschen und Füllen von Wasserflaschen entwickelt und patentieren lassen. Nicht sein einziges Patent. Aber aus keinem kann Heim je Kapital schlagen. 1912 stirbt er.

Pfarrer wird Opfer einer Intrige

Jahre später platzt der Traum von „Bad Hildrizhausen“ mit Kurhaus und -hotel endgültig. „1937 lehnte der Landesfremdenverkehrsverband Württemberg-Hohenzollern die Anerkennung als Kurort ab, da die entsprechenden Einrichtungen fehlen“, sagte Brigitte Popper in ihrem Vortrag. Drei Jahre später verbietet auch noch das Böblinger Landratsamt Hildrizhausen das eigene Wasser als Heilwasser zu verkaufen. Weil sich darin „keine nennenswerte Konzentration von Mineralien“ nachweisen ließe, handle es sich bei dem reinen und hochwertigen Wasser nur um Tafelwasser.

Verbitterung über die geplatzten Kurbad-Pläne machte sich in der Gemeinde nicht breit. Ganz anders sah das bei Bartholomäus Eyselin aus. Tief enttäuscht verlässt er 1622 Hildrizhausen, wo er neun Jahre lang Pfarrer war. Eyselin, der sich mit zwei Werken unter anderem über die Württemberger einen Namen als Historiker der Landesgeschichte macht, wird Opfer einer Kabale. Die Eyselins und die Marquardts wetteifern um die Besetzung der Pfarr- und Schullehrerstellen. Die Konkurrenz der Familien scheint die Stimmung in dem Ort so vergiftet zu haben, dass schließlich Bartholomäus Eyselin nach Zuffenhausen versetzt wird. Seine Verbitterung darüber ist heute noch in einer Inschrift in der Nikomedeskirche nachzulesen.

Oder in der druckfrischen Ortschronik, die bei dem Festakt am Samstag, erstmals vorgestellt wurde. Das war ein Höhepunkt im Jubiläumsjahr der Gemeinde. Dass sie es dieses Jahr feiert, geht auf eine Entscheidung des Gemeinderats zurück. Weil es kein exaktes Datum der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes gibt, sondern nur einen Zeitraum zwischen 1105 und 1125, wählte das Ratsgremium die goldene Mitte als Termin.

Ortsjubiläum fast zwei Jahre organisiert

Zu dem Festakt fanden sich neben Ober- und Bürgermeistern von sieben Städten und Gemeinden aus dem Kreis auch Bundes- und Landtagsabgeordnete ein. Die Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) sprach die Grußworte für die grün-rote Landesregierung. Der nächste Termin in dem seit rund zwei Jahren vorbereiteten Festreigen ist auch schon längst organisiert: das Festwochenende Ende April, Anfang Mai. Dann wird auch wieder das Jubiläumsbier ausgeschenkt. 80 Hektoliter vom „1. Hausemer Fleckabräu“ ließ die Gemeinde bei der Schönbuchbrauerei in Böblingen brauen. Da aber der Rathauschef Matthias Schöck eine allseits bekannte Schwäche für Softdrinks hat, ließen sich die Hausemer etwas Besonderes für ihren Schultes einfallen: Beim Neujahrsempfang überraschten sie ihn mit einem „Schöcki Mix“. Der Drink findet sich allerdings nicht unter all den Jubiläums-Souvenirs wie T-Shirts, Postkartensets, Kalender und neuer Ortschronik.