Die Millionengrenze auf dem Spendenkonto der „Hilfe für den Nachbarn“ wurde schon vor Weihnachten geknackt: Bis zum 23. Dezember gingen 1 079 168, 85 Euro für bedürftige Menschen aus Stuttgart und der Region dort ein.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Die Millionengrenze auf dem Spendenkonto der „Hilfe für den Nachbarn“ ist geknackt: Bis zum 23. Dezember sind 1 079 168, 85 Euro für bedürftige Menschen in Stuttgart und der Region von den Lesern und Leserinnen der Stuttgarter Zeitung überwiesen worden. Eine stolze Summe, die erfahrungsgemäß bis Ende Januar auf 1,3 Millionen Euro anwachsen dürfte – so wie in den vergangenen Jahren auch. Ein Teil des Geldes wurde noch vor Weihnachten ausbezahlt.

 

Mehr als 400 Anträge haben die karitativen Organisationen in der Stadt Stuttgart und der Region im Advent bei der StZ-Weihnachtsaktion eingereicht – für Klientinnen und Klienten, die oftmals ohne eigenes Verschulden in Not geraten sind. Dabei ist „Hilfe für den Nachbarn“ längst eine Ganzjahreseinrichtung. In der vorangegangenen, von Oktober 2012 bis September 2013 währenden Spendensaison, waren insgesamt 1561 Anträge für Einzelpersonen und Familien bei dem gemeinnützigen StZ-Verein gestellt worden; eine Zahl, mit der der Verein auch diesmal wieder rechnet.

Mancher kommt alleine nicht mehr aus den roten Zahlen

Traditionell liegen die Spendenwünsche für sogenannte Weißware – Waschmaschinen, Kühlschränke und Küchenherde – ganz vorne, dicht gefolgt von Möbeln. Immer häufiger werden auch Anträge auf einen Zuschuss für Kosten gestellt, die in Zusammenhang mit einer Aus- oder Fortbildung stehen. Da ist zum Beispiel die Mutter, die weit unter ihren Möglichkeiten als Küchenhilfe arbeitet, aber eine kaufmännische Ausbildung absolvieren will und dadurch erhöhte Kinderbetreuungs- und Fahrkosten hat. Oder der junge Mann, der lange seine kranke Mutter pflegte und nun eine Lehrstelle als Heizungs- und Sanitärtechniker gefunden hat. Im Verlauf der Lehre muss er den Führerschein machen und kann diesen selbst mit Unterstützung der Verwandtschaft nur zu einem Teil selbst finanzieren.

Ob Winterkleidung, Vereinsbeiträge für Kinder, Fahrtkosten für alte Menschen oder Behinderte – die StZ-Aktion springt ein, wenn die staatliche Unterstützung zu kurz greift oder die Krankenkasse eine Finanzierung verweigert. Und „Hilfe für den Nachbarn“ kann manchmal auch Mittel gewähren, wenn Menschen in die Schuldenfalle geraten sind und aus eigener Kraft nicht mehr aus den roten Zahlen kommen. Solche Fälle werden besonders kritisch geprüft. Und Geld wird nur dann bewilligt, wenn so ein Vergleich mit den Gläubigern erzielt werden kann, der Klient eine Restsumme selbst aufbringt – und damit ein Neustart ohne Schuldenberg möglich ist. Manchmal sind es ein paar Hundert Euro, die über Wohl und Wehe entscheiden.

Die Schuldnerberatung betreutt 22 000 Menschen

Die zentrale Schuldnerberatung der Stadt, ein Zusammenschluss von Caritas-Verband, Evangelischer Gesellschaft und der Prävent-Sozial gGmH, hat aus ihren Statistiken für 2012 das typische Profil eines überschuldeten Stuttgarters entworfen: Er bezieht Arbeitslosengeld I, lebt alleine, ist krank, männlich, deutsch, ist zwischen 31 und 40 Jahren alt und hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Unter den maßgeblichen besonderen Belastungen, die zu einer Überschuldung führen, stehen gesundheitliche Probleme an erster Stelle, noch vor der Arbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen. Wer alleinerziehend ist, ist ebenfalls stark gefährdet.

Die Zahl der jugendlichen Schuldner unter 20 Jahren ist bundesweit zwar von 216 000 (2012) auf 213 000 (2013) zurückgegangen, aber bedenklich ist die Tatsache, dass diese Altersgruppe seit 2004 unter allen verschuldeten Menschen um rund 300 Prozent gestiegen ist. Die Stuttgarter Schuldnerberatung setzt deshalb auf Prävention bei Jugendlichen. Die 17 Fachkräfte sind für insgesamt 22 000 überschuldete Haushalte in der Landeshauptstadt zuständig.

Jeder achte Stuttgarter ist arm

Nach aktuellen Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes war 2012 jeder achte Stuttgarter arm. Das heißt, er hatte ein Einkommen, das nur 60 Prozent des Durchschnittseinkommens an seinem Wohnort beträgt. Die sogenannte Armutsgefährdungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt lag 2012 in Baden-Württemberg bei 953 Euro monatlich, wie Robert Gunderlach vom Statistischen Amt der Stadt berechnet hat. Für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren lag sie landesweit bei 2000 Euro.

Erfreulicherweise ist die Armutsrisikoquote in Stuttgart mit 13,4 Prozent im vergangenen Jahr gesunken und bewegt sich wieder auf dem Level von 2005. Gerade Frauen aber sind durch prekäre Arbeitsverhältnisse oder durch eine Scheidung stark gefährdet, und die Altersarmut in Stuttgart ist zu 58 Prozent weiblich. Frauen, die wegen familiärer Probleme, wegen Alkohol und Drogen sowie des Verlusts der Arbeit sogar das Dach über dem Kopf verloren haben, können in der Frauenpension unterkommen und werden dort betreut. „Hilfe für den Nachbarn“ unterstützt das Projekt finanziell.

Die Kinderarmut in Stuttgart liegt bei 14,4 Prozent

Besonders hart aber trifft Armut die Kinder. Jedes sechste unter 15 Jahren hat 2012 sogenanntes Sozialgeld, zum Beispiel durch den Hartz-IV-Satz der Eltern, erhalten. Das entspricht einer Kinderarmutsquote von 14,4 Prozent. Deshalb fördert „Hilfe für den Nachbarn“ jedes Jahr soziale Projekte wie das Frühstück für Kinder. Und in diesem Schuljahr erhält die Caritas 8000 Euro. Mit diesem Geld wird das Schulmittagessen für bedürftige Schüler bezahlt. Mit knurrendem Magen soll kein Kind den Tag verbringen müssen.

Hilfe für den Nachbarn

Das Spendenkonto:
IBAN DE53 6005 0101 0002 2262 22
BIC SOLADEST600
Kennwort: „Hilfe für den Nachbarn“

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