Die Hygienebedingungen in den Kliniken sind vielfach noch ungenügend. Das hat für tausende Patienten jedes Jahr tödliche Folgen. Nun sagt Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Krankenhaus-Keimen den Kampf an.

Berlin - Mehr als 18 Millionen Patienten werden Jahr für Jahr in deutschen Krankenhäusern behandelt. Etwa 10 000 bis 15 000 ziehen sich dabei eine tödlich verlaufende Krankenhausinfektion (nosokomiale Infektion) zu. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will nun mit einem Aktionsprogramm diese hohe Sterberate senken.

 

Dass der Mensch mit unzähligen Bakterien besiedelt ist, ist meist entweder völlig harmlos oder, zum Beispiel bei Verdauungsprozessen, sogar wichtig. Wenn allerdings Bakterien in Körperteile wie die Lunge, die Harnwege oder die Blutbahn gelangen, lösen diese Infektionen schwere Erkrankungen aus – und das vor allem bei sehr jungen, sehr kranken und sehr alten Patienten. Nosokomiale Infektionen treten auf, wo Ärzte Patienten mit invasiven Maßnahmen, beispielsweise Kathetern oder Beatmungsschläuchen, behandeln, Menschen auf engem Raum zusammen versorgt werden und häufig Antibiotika verordnet werden.

Infizierter im Dreibett-Zimmer statt im Isolierraum

Risikobereiche für nosokomiale Infektionen sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) Intensivstationen, Frühchen-Abteilungen (Neonatologie), Gefäß-, Herz- und Knochenchirurgie, die Dialyse-Abteilung und die Transplantationsmedizin Zwar kommt das RKI in einem Bericht vom Dezember 2014 zu dem Ergebnis, „dass es in den zurückliegenden Jahren nicht zu einem grundsätzlichen Anstieg der nosokomialen Infektionsrate für die Patienten gekommen ist.“ Bei den Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Keimen (MRSA) gebe es sogar „erfreuliche Trends“, sprich: weniger Infektionen. Allerdings verweist das Institut darauf, dass in jüngster Vergangenheit deutlich mehr Antibiotika verordnet worden sind. Je häufiger aber diese Medikamente genutzt werden, umso größer ist die Gefahr, dass Keime resistent gegen Antibiotika werden – dass die Mittel also nicht mehr wirken und Infektionen nicht mehr behandelt werden können. So sieht das RKI bei den mehrfach resistenten, Gram-negativen Bakterien (MRGN) Anlass zur Sorge.

Damit, genauer: mit einem Ausbruch des Keims Acinetobacter baumanii, hatte im Januar die Uniklinik Schleswig-Holstein in Kiel zu kämpfen gehabt. Er betraf 31 Patienten, von denen vermutlich drei an der Infektion mit diesem Keim starben. Als Überträger des Keims gilt ein deutscher Tourist, der schwer krank von einer türkischen Klinik nach Kiel verlegt worden war. Dieser Fall zeigt übrigens auch, wie erschreckend banal zuweilen ein Ausbruch abläuft, denn der Kranke wurde nicht in einem Isolierraum, sondern einem Drei-Bett-Zimmer behandelt, weil die Uniklinik zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kranken kein Isolierzimmer frei hatte – ein Mangel, den die Kieler Landesregierung jetzt mit einem Sofortprogramm zum Umbau der Klinik abstellen will.

Es fehlt noch immer an Hygienefachpersonal

Das allerdings wird nur nützen, wenn es genug qualifiziertes Personal gibt. Doch die „Ausstattung der Krankenhäuser mit Hygienefachpersonal“, so heißt es im RKI-Bericht, „entspricht nach wie vor nicht dem Bedarf.“ In manchen Krankenhäusern lässt zudem die Qualität der Reinigung zu wünschen übrig. So kommt eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zu dem Ergebnis, dass an Sauberkeit und Desinfektionsmitteln gespart wird und in vielen Häusern sonntags gar nicht oder zu wenig geputzt wird.

Die Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg betont, dass sie längst den Kampf gegen Klinikinfektionen aufgenommen habe. Seit 2010 gebe es ein Verfahren zur Qualitätssicherung, mit dem es gelungen sei, die Zahl der in der Klinik erworbenen MRSA-Fälle nahezu zu halbieren. Dies soll jetzt auf andere Erreger wie die MRGN ausgeweitet werden. Das begrüßt Andreas Vogt von der Techniker Krankenkasse Baden-Württemberg ausdrücklich. Er verweist darauf, dass diese Keime im Jahr 2013 im Südwesten zu 3642 Blutvergiftungen führten, die stationär behandelt werden mussten. Vogt betont, dass in den meisten Fällen die Erreger von Patienten in die Kliniken eingeschleppt werden. Deshalb sei es gut, dass im Südwesten schon jeder fünfte Patient auf MRSA untersucht werde. Es müsse aber auch gelingen, dass die niedergelassenen Ärzte bei der Bekämpfung von Infektionen eine größere Rolle spielten.