Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Für seinen württembergischen Amtskollegen, den Landesbischof Ottfried July, kann es Kirchenasyl nur in besonderen Ausnahmefällen – als ultima ratio – geben. Für ihn ist es eine Gastfreundschaft, „wenn begründete Zweifel bestehen, ob die besondere Lebens- und Notsituation, beziehungsweise Gefahr für Leib und Leben im Einzelfall genügend berücksichtigt wurde“. Joachim Schlecht, der landeskirchliche Beauftragte für Asyl und Migration Württembergs, versucht, so zu vermitteln, dass es gar nicht erst zum Kirchenasyl kommt. Dennoch gibt es aktuell drei Fälle, zwei weitere stehen an. Aber auch er sagt: „Hatte ich früher eine Anfrage pro Woche, sind es heute drei bis vier Fälle.“ Wie seine Kollegen in den anderen Kirchen sondiert er. „Zwei Drittel der Fälle“, sagt sein bayrischer Kollege Reichel, „sind nicht für das Kirchenasyl geeignet.“ Denn es müssen, das teilt das Ministerium für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Anfrage mit, zusätzlich zur „anstehenden Überstellung begründbare besondere Härten vorliegen“.

 

Doch selbst unter diesen strengen Kriterien bemerkt auch Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst Süddeutschland einen deutlichen Anstieg in Bayern . „Ich bekomme mehrere Anfragen pro Woche“, sagt der Geistliche und bezieht sich damit nur auf die Dublin-Fälle. Es gibt mittlerweile Klöster in Bayern, die zwischen acht und zehn Plätze für das Kirchenasyl anböten und Wartelisten haben. Dublin-Fälle müssen momentan durchschnittlich drei bis vier Monate ausharren, so Müller, bis die Fristen abgelaufen sind und sie ihren Asylantrag in Deutschland stellen können. Bei Afghanen müssen sich Kirchengemeinde jedoch auf unbestimmte Zeit einrichten.

Jesuiten-Flüchtlingshilfe rechnen mit einem weiteren Anstieg

„Kirchenasyl ist zu einer Graswurzelbewegung geworden“, sagt Müller, die in der Hälfte der Fälle von den Helferkreisen selbst organisiert werde. In seinen Büchern hat er für das laufende Jahr etwa 100 Fälle notiert. Etwa genauso viele laufen auf privater Ebene. Müller ist sich sicher: „Nächstes Jahr werden es noch mehr“, denn dann seien weitere der 800 000 Asylanträge beim Bundesamt für Migration bearbeitet.

Kirchenasyl ist jedoch ein fragiles Konstrukt, ein politisch brisanter Graubereich. Es ist kein einklagbares Recht. Die Kirchen nehmen damit nicht in Anspruch, über dem Recht des Staates zu stehen, betonen alle, die sich auf diesem Gebiet engagieren. Sie bieten lediglich ein Moratorium, um Zeit für eine erneute Prüfung des Einzelfalles zu gewinnen und „um den Rechtsstaat zur Geltung zu verhelfen“, wie es immer wieder heißt. Sie beziehen sich damit auf eine Vereinbarung, die sie mit dem Bamf im Februar 2015 geschlossen und im Dezember 2015 verlängert haben. Verständigt hat man sich darauf, dass die Kirchen ausführliche Dossiers über die einzelnen Fälle einreichen und das Bundesamt noch einmal auf individuelle Härtefälle prüft.

Denn Kirchenasyl heißt nicht einfach unterzutauchen. Im Hintergrund glühen die Drähte zwischen dem Bamf und den Kirchenvertretern. Im Zeitraum von Februar 2014 bis Juni 2016 wurden dem Bamf 498 Kirchenasylfälle vorgelegt. In 212 Fällen erklärte sich das Bamf für zuständig, in 131 Fällen war die Frist der Überstellung in ein Drittland abgelaufen, 74 Fälle erledigten sich nach Auskunft des Bamf dann auf andere Weise. Stellt sich die Frage, ob das Schwert Kirchenasyl stumpf werden kann, wenn es zu oft in Anspruch genommen wird. Der Jesuit Müller sieht diese Gefahr nicht. Er hält die Zahl der Kirchengemeinde, die dazu bereit sind, für endlich und allmählich ausgereizt. „Das werden nicht mehr als 1000“, sagt er. Eine Promillezahl angesichts der Flüchtlingszahlen. Keine Größe also, die die Politik in Bedrängnis bringen könne.

Dass die Mehrzahl der Fälle sich in Bayern abspielt, liegt nicht nur an dessen Abschiebepolitik, sondern auch an der hochprofessionellen Koordinationsstruktur der Kirchen. Und vielleicht auch am Rückhalt auf Kirchenleitungsebene. Der bayrische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sagte nach der ersten Sammelabschiebung angesichts der Sicherheitslage, dass Abschiebungen nach Afghanistan problematisch blieben.

In der Landeskirche Württemberg versucht man, im Vorfeld zu verhandeln

Für seinen württembergischen Amtskollegen, den Landesbischof Ottfried July, kann es Kirchenasyl nur in besonderen Ausnahmefällen – als ultima ratio – geben. Für ihn ist es eine Gastfreundschaft, „wenn begründete Zweifel bestehen, ob die besondere Lebens- und Notsituation, beziehungsweise Gefahr für Leib und Leben im Einzelfall genügend berücksichtigt wurde“. Joachim Schlecht, der landeskirchliche Beauftragte für Asyl und Migration Württembergs, versucht, so zu vermitteln, dass es gar nicht erst zum Kirchenasyl kommt. Dennoch gibt es aktuell drei Fälle, zwei weitere stehen an. Aber auch er sagt: „Hatte ich früher eine Anfrage pro Woche, sind es heute drei bis vier Fälle.“ Wie seine Kollegen in den anderen Kirchen sondiert er. „Zwei Drittel der Fälle“, sagt sein bayrischer Kollege Reichel, „sind nicht für das Kirchenasyl geeignet.“ Denn es müssen, das teilt das Ministerium für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Anfrage mit, zusätzlich zur „anstehenden Überstellung begründbare besondere Härten vorliegen“.

Doch selbst unter diesen strengen Kriterien bemerkt auch Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst Süddeutschland einen deutlichen Anstieg in Bayern . „Ich bekomme mehrere Anfragen pro Woche“, sagt der Geistliche und bezieht sich damit nur auf die Dublin-Fälle. Es gibt mittlerweile Klöster in Bayern, die zwischen acht und zehn Plätze für das Kirchenasyl anböten und Wartelisten haben. Dublin-Fälle müssen momentan durchschnittlich drei bis vier Monate ausharren, so Müller, bis die Fristen abgelaufen sind und sie ihren Asylantrag in Deutschland stellen können. Bei Afghanen müssen sich Kirchengemeinde jedoch auf unbestimmte Zeit einrichten.

Jesuiten-Flüchtlingshilfe rechnen mit einem weiteren Anstieg

„Kirchenasyl ist zu einer Graswurzelbewegung geworden“, sagt Müller, die in der Hälfte der Fälle von den Helferkreisen selbst organisiert werde. In seinen Büchern hat er für das laufende Jahr etwa 100 Fälle notiert. Etwa genauso viele laufen auf privater Ebene. Müller ist sich sicher: „Nächstes Jahr werden es noch mehr“, denn dann seien weitere der 800 000 Asylanträge beim Bundesamt für Migration bearbeitet.

Kirchenasyl ist jedoch ein fragiles Konstrukt, ein politisch brisanter Graubereich. Es ist kein einklagbares Recht. Die Kirchen nehmen damit nicht in Anspruch, über dem Recht des Staates zu stehen, betonen alle, die sich auf diesem Gebiet engagieren. Sie bieten lediglich ein Moratorium, um Zeit für eine erneute Prüfung des Einzelfalles zu gewinnen und „um den Rechtsstaat zur Geltung zu verhelfen“, wie es immer wieder heißt. Sie beziehen sich damit auf eine Vereinbarung, die sie mit dem Bamf im Februar 2015 geschlossen und im Dezember 2015 verlängert haben. Verständigt hat man sich darauf, dass die Kirchen ausführliche Dossiers über die einzelnen Fälle einreichen und das Bundesamt noch einmal auf individuelle Härtefälle prüft.

Denn Kirchenasyl heißt nicht einfach unterzutauchen. Im Hintergrund glühen die Drähte zwischen dem Bamf und den Kirchenvertretern. Im Zeitraum von Februar 2014 bis Juni 2016 wurden dem Bamf 498 Kirchenasylfälle vorgelegt. In 212 Fällen erklärte sich das Bamf für zuständig, in 131 Fällen war die Frist der Überstellung in ein Drittland abgelaufen, 74 Fälle erledigten sich nach Auskunft des Bamf dann auf andere Weise. Stellt sich die Frage, ob das Schwert Kirchenasyl stumpf werden kann, wenn es zu oft in Anspruch genommen wird. Der Jesuit Müller sieht diese Gefahr nicht. Er hält die Zahl der Kirchengemeinde, die dazu bereit sind, für endlich und allmählich ausgereizt. „Das werden nicht mehr als 1000“, sagt er. Eine Promillezahl angesichts der Flüchtlingszahlen. Keine Größe also, die die Politik in Bedrängnis bringen könne.

Für Hassibulah und Nechervan ist Kirchenasyl die letzte Chance

Für Hasibullah (22) und Nechervan (25), die seit 15. und 16. Dezember ebenfalls im Haßfurter Pfarrhaus wohnen, ist es momentan die letzte Chance. Hassibulah kommt aus Afghanistan, seit 2010 ist er in Deutschland, lebte bis vor kurzen in München, ist – wie seine Kleidung verrät - FC Bayern-Fan. Er spricht Deutsch und sagt: „Jeder weiß, dass Afghanistan nicht sicher ist.“ In München spielt er Fußball. Zwei Minuten sind es von seiner Wohnung zum Trainingsareal von 1860 München, bis zum FC Bayern eine Viertelstunde, erzählt er stolz dem achtjährigen Lennart, der mit seiner Großmutter vorbeischaut. Annegret Hunger gehört zum Freundeskreis der Ehrenamtlichen und geht einmal in der Woche für die drei zusätzlichen Pfarrhausbewohner einkaufen. Die drei kochen selbst. Manchmal sagt Hasibullah: „Schaun wir halt mal.“ Und dass die Firma, bei der er in München als Lader und Lagerfahrer gearbeitet hat, eine Petition beim bayrischen Landtag einbringen wird, damit er bleiben darf. Eigentlich hatte er gedacht, in zwei Jahren dürfe er für immer bleiben, so deutsch fühlt er sich.

Hasibullah kam einen Tag vor Nechervan (25) nach Haßfurt. Der ist Jeside und stammt aus dem Irak. Er ist vor dem „Islamischen Staat“ geflohen. Er sollte zurück nach Bulgarien, wo er auf seinem Weg nach Deutschland bereits registriert wurde. Die beiden sind Nummer 9 und Nummer 10, die bei Doris Otminghaus eingezogen sind. Bereits seit März ist das Pfarrhaus ein Ort des Kirchenasyls. Da kam die erste Anfrage. Eine Woche danach hatten der zwölfköpfige Kirchenvorstand und die Pfarrerin entschieden: Wir machen das. Es gab durchaus auch Stimmen, die meinten, man könnte nicht die ganze Welt retten, oder dass der Staat schon wisse, was er tut. Aber dann entschieden sie sich doch mehrheitlich, den Schritt zu tun und stellten einen Teil der Räume für das Kirchenasyl zur Verfügung. Natürlich gibt es auch Hassmails und Anfeindungen. Doris Otminghaus blendet das aus. Die allgemeine Spendenbereitschaft macht das wieder wett. Sogar die Mitglieder des Stadtrats haben gesammelt, sagt die Pfarrerin. Für eine zusätzliche Dusche im Erdgeschoss des Pfarrhauses.