Sind wir ein Volk von Wurstessern? Was ausländische Reiseführer über uns so alles sagen.

Rom - Sie sind trinkfest, reiselustig, neigen zu Übergewicht und leben in Städten, die entweder komplett neu errichtet oder hübsch herausgeputzt, mit Geranien vor den Festern, historisch sind: Die Deutschen werden in italienischen Reiseführern als zur Gemütlichkeit neigendes Volk beschrieben. Wobei die italienische Sprache kein Wort für Gemütlichkeit kennt, weshalb in vielen Fällen die Umschreibung dafür kurios ausfallen kann.

 

Italiener wollen hauptsächlich Historisches in Deutschland besichtigen

Da ist von gemütlichen Wohnzimmern der Deutschen die Rede, die mit Teppichböden ausgelegt sind, was Italiener nicht ausstehen können, mit Gardinen vor den Fenstern und Vorgärten, die für Italiener viel zu ordentlich sind. Einer Umfrage des Wochenmagazins „l’Espresso“ zufolge fühlen sich 40 Prozent aller Italiener von Deutschland als Reiseland angezogen. 30 Prozent der Befragten waren schon einmal in „Germania“ und würden gern wiederkommen.

Italienische Reiseführer legen besonderen Wert auf historische Städte wie Rothenburg ob der Tauber - sowie auf die Romantische Straße oder auch auf eine Rhein-Kreuzfahrt. In sind bei Italienern unter 40 Jahren Städte wie Berlin und Düsseldorf, während Kulturreiseführer vor allem auf die Sehenswürdigkeiten in München und Berlin fixiert sind. Italiener wollen hauptsächlich Historisches in Deutschland besichtigen, und so wird in den Reiseführern vor allem Wert auf die Darstellung von Museen, Kunstsammlungen und Altstädten gelegt. Einen besonderen Stellenwert nimmt Berlin ein. Die deutsche Hauptstadt ist in Italien ganz groß im Kommen, bei Jung wie bei Alt, weshalb es zu Berlin eine Vielzahl an Reiseführern gibt. In so gut wie allen „Guide turistiche“ werden die Eigenarten der Deutschen ausführlich geschildert, immer mit Bezug auf jene „Wilden“, die der antike Historiker Tacitus bei seiner Reise nach Germanien antraf.

Deutsche sind groß und blond und haben Bierbäuche

Deutsche sind in italienischen Reiseführern groß und blond und haben oft Bierbäuche. Sie gelten als sparsam (aktuelle Reiseführer kommen in diesem Zusammenhang natürlich auf die Sparkanzlerin Merkel zu sprechen), ordnungsliebend und sehen, für Italiener unvorstellbar, in der Polizei meist ihren Freund und Helfer. Dass die deutsche Politik, auch dies eine für Italiener unvorstellbare Realität, sich in Berlin nicht pompös und prunkliebend wie die eigene in Rom darstellt, wird immer wieder erwähnt. Positiv hervorgehoben ist in Reiseführern hingegen das gut funktionierende Gesundheits- und Bildungssystem. Fast durchweg negativ wird hingegen deutsches Essen beschrieben. Immer noch und immer wieder ist von „Crauti e Wurstel“ die Rede, also von Sauerkraut und Würstchen. Dass die deutsche Küche sich gewandelt hat, kreativ und spannend geworden ist, davon erfährt man in italienischen Reiseführern kaum etwas.

Und so werden immer nur Restaurants in Deutschland empfohlen, in denen diese kulinarischen Klischees auch bedient werden. Viele Reiseführer nennen zudem Pizzerien und andere italienische Adressen in Deutschland, damit die Reisenden aus Italien nicht allzu oft unter der deutschen Küche leiden müssen. In diesem Zusammenhang wird auch verschwiegen, dass deutsche Winzer inzwischen Spitzenprodukte produzieren. Fazit: Das Deutschlandbild in italienischen Reiseführern ist eine oftmals kuriose bis bizarre Mischung aus bierseliger Tradition und hypermodernen Szenestädten wie Berlin oder Hamburg.

Thomas Migge wurde am 16. September 1960 in Hagen geboren; Politologe und Historiker; Studium in Duisburg und Rom; lebt und arbeitet seit 1988 in Italien; thematische Schwerpunkte sind Politik und Kultur; mag gerne: Lesen und Reisen, Essen und Trinken - und die Oper; glücklich liiert ohne Trauschein.