Der Bezirksbeirat Stuttgart-Vaihingen hat den Rollstuhlfahrer Ivo Josipovic zum Behindertenbeauftragten für den Stadtbezirk ernannt.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Es ist ein hehres Ziel: Vaihingen soll barrierefrei werden. Das hat sich eine Gruppe von Bezirksbeiräten vorgenommen. Seit Anfang des Jahres arbeiten Gabriele Leitz (Grüne), Ulrich Bayer (CDU), Eyüp Ölcer (Freie Wähler) und Robin Garcia (Piraten) an diesem Thema. Unterstützt werden sie von Ivo Josipovic. Der 33-Jährige hat Spina bifida. Wegen der Fehlbildung an der Wirbelsäule sitzt er im Rollstuhl.

 

Zusammen mit Josipovic entwickelten die Bezirksbeiräte einen Fragebogen und schickten diesen an alle Kindergärten, Schulen und öffentliche Einrichtungen in Vaihingen. Sie wollten wissen, wo es im Stadtbezirk Barrieren gibt. „Der Rücklauf war verhalten“, sagte Leitz in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats. Aber die Antworten, die man bekommen habe, seien um so wertvoller gewesen. Zudem war die Gruppe mit Fahrrad, Kinderwagen und Rollstuhl unterwegs, um selbst Erfahrungen zu sammeln. Zuletzt trafen sich die Mitglieder mit Senioren im Paritätischen Mehrgenerationenzentrum (PMGZ), um deren Sicht der Dinge kennenzulernen.

Initiative will Mängelliste abarbeiten

Das Ergebnis ist eine Mängelliste. „Die wollen wir abarbeiten“, sagte Leitz. Für die meisten Dinge brauche es freilich eine umfassende Planung und vor allem Geld. Doch das eine oder andere könne auch mit geringem zeitlichen und finanziellen Aufwand erledigt werden.

Der wichtigste Punkt: „In Vaihingen gibt es keine einzige behindertengerechte Toilette“, sagte Leitz. Dieses Thema beschäftigt den Bezirksbeirat schon lang. Zwar stehen Menschen mit Handicap die WCs in der Schwabengalerie und bei Veranstaltungen die in der Alten Kelter und im Bürgerforum zur Verfügung. Aber diese sind nicht immer geöffnet.

Ein Problem sind auch die Friedhöfe. Senioren mit Einschränkungen können die Toiletten auf dem Buchrainfriedhof nicht nutzen. Denn wer in das Häuschen möchte, muss zwei Stufen überwinden, und es gibt nicht einmal ein Geländer. Außerdem bemängelte Leitz, dass es vor dem Buchrainfriedhof keine Behindertenparkplätze gebe. Zum Friedhof an der Holzhauser Straße gibt es zwar einen barrierefreien Zugang. Wer durch den Haupteingang möchte, muss jedoch die Stufen hoch. „Die sind aber so flach, dass sich dort sicher eine Rampe machen lässt“, sagte Leitz.

Walter Tattermusch begrüßt die Initiative

Eine Din-Norm schreibt vor, dass Treppen an öffentlichen Gebäuden mit einer Markierung auf jeder Stufe versehen werden müssen. So sind diese für Menschen, die schlecht sehen, besser zu erkennen. „In Vaihingen gibt es aber eigentlich kein einziges Gebäude, wo diese Norm erfüllt wird“, bemängelte Leitz. Darüber hinaus hätten in den Gesprächen viele alte und behinderte Menschen den Zustand der Gehwege moniert. So gebe es zum Beispiel auf dem Vaihinger Markt immer wieder Stolperfallen. Leitz hatte außerdem die schlecht beleuchteten Infotafeln an Haltestellen und die häufig kaputten Aufzüge an den S-Bahnstationen auf ihrer Liste.

Vor Leitz und ihren Mitstreitern liegt viel Arbeit. Die übrigen Mitglieder des Bezirksbeirats unterstützen das Engagement. Ivo Josipovic steht der Gruppe auch künftig mit Rat und Tat zur Seite. Die Lokalpolitiker ernannten ihn einstimmig zum „sachkundigen Ansprechpartner für Menschen mit Handicap“. Er setze sich seit Jahren für die Verbesserung der Situation von behinderten Menschen ein, sagte Josipovic. Er sei gebürtiger Vaihinger und liebe seinen Stadtbezirk. Bekannt ist der 33-Jährige auch als aktiver Handbiker. Ein Handbike ist eine Art Fahrrad, das allein mit den Händen angetrieben wird.

Kontakt zum Behindertenbeauftragten der Stadt

Walter Tattermusch begrüßte die Vaihinger Initiative ausdrücklich. Der ehemalige Leiter des Sozialamts ist seit 1. Juli der Stuttgarter Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung. In der jüngsten Sitzung des Vaihinger Bezirksbeirats stellte er sich vor. Tattermusch bietet zweimal in der Woche eine Sprechstunde an, die „erstaunlich gut“ besucht sei, wie es der Behindertenbeauftragte formuliert. „Doch vom Rathaus aus kann ich den Blick nur schweifen lassen. Viele Situationen können Sie hier vor Ort viel besser einschätzen“, sagte Tattermusch. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit der Vaihinger Initiative und Josipovic.

Der Behindertenbeauftragte der Stadt Stuttgart ist per E-Mail an Walter.Tattermusch@stuttgart.de und unter der Telefonnummer 2 16-6 06 80 erreichbar.