Eine Gruppe von Bürgern sorgt sich um den Waldboden im Schönbuch, dem ältesten Naturpark in Baden-Württemberg. Die Initiative Waldkritik dokumentiert die Schäden, die ihrer Ansicht nach bei der Holzernte verursacht werden. Die Gruppe hat jetzt ein Bodenschutzkonzept erarbeitet.

Ammerbuch - Harald Kunz kniet im Gras, beugt sich hinunter, seine Hände streifen durchs Wasser und greifen blitzschnell zu. „Eine Gelbbauchunke“, sagt er. Der kleine Froschlurch mit dem gelbschwarz gesprenkeltem Bauch gehört zu den streng geschützten Arten. Doch dieser Lurch und seine Artengenossen tummeln sich nicht in einem Biotop, sondern in der teilweise bis zu 50 Zentimeter tiefen Fahrspur, die schwere Vollernter bei der Holzernte im Frühjahr hinterlassen haben. Durch ihr Gewicht haben sie den Boden so verdichtet, dass in manchen Bereichen das Wasser offenbar dauerhaft stehen bleibt.

 

Hier sei der empfindliche Waldboden nachhaltig zerstört worden, sagt Kunz, einer der Initiatoren der Initiative Waldkritik, einem Zusammenschluss von Bürgern, die gegen die Schäden an Waldböden vorgehen wollen. Doch mit ihrer Kritik dringen sie bei den Forstverantwortlichen nicht durch. Als geradezu zynisch empfindet es die Initiative, wenn statt dessen mit Verweis auf die Neuansiedlung der Gelbbauchunke das Bemühen der Forstleute um den Erhalt der Artenvielfalt herausgestellt würde und die so offensichtlichen Schäden damit aufgewogen würden. Schon im Frühjahr hatte die Initiative auf die ihrer Ansicht nach problematische Praxis bei der Holzernte im Naturpark Schönbuch hingewiesen. Der älteste Naturpark in Baden-Württemberg ist ein beliebtes Naherholungsgebiet und war 2014 vom Bund deutscher Forstleute zum „Waldgebiet des Jahres“ gekürt worden.

„Bodenmosaik“ im Schönbuch erschwert Holzernte

Bei der „gewinnmaximierten Holzernte“ werde zu wenig Rücksicht genommen auf den besonderen Untergrund im Schönbuch, der laut offiziellen Bodenkarten einem Mosaik gleiche, erläuterte damals Joachim Eberle vom Geografischen Institut der Universität Tübingen. Hier wechselten sich sandige und befahrbare Böden teilweise in kurzen Abständen ab mit sehr lehmigen Böden, die zur Verdichtung und Staunässe neigten, das erschwere die Planung bei der Holzernte.

Zwar wurde für den Staatsforst Anfang 2014 ein Bodenschutzkonzept eingeführt. Doch der Landesbetrieb Forst BW halte sich im Schönbuch nicht an die eigenen Vorgaben, kritisieren Kunz und seine Mitstreiter. In mehreren Bereichen, etwa beim Dickne-Weg oder entlang des Karlsweges gebe es etliche sogenannte Rückegassen, in denen die schweren Maschinen tiefe Fahrrinnen hinterlassen haben, zum Teil seien sie – die Schleifspuren vom Frühjahr sind noch erkennbar – sogar aufgesessen. Mit Fotos dokumentiert Andreas Luther von der Initiative die Schäden, notiert die GPS-Koordinaten. Diese Unterlagen sollen zur Überprüfung eingereicht werden beim Zertifizierungsdienstleister, der 2014 den Staatsforst Baden-Württemberg mit dem auch von Umweltverbänden wie WWF und Greenpeace anerkannten FSC-Siegel für nachhaltige und verantwortungsvolle Forstwirtschaft ausgezeichnet hat. Der „Ausgang“ aus einer den Hang hinunterführenden Rückegasse ist beschwerlich: aufgehäuftes Geäst und dürre Bäumchen müssen überwunden werden, um auf den Wanderweg zu gelangen. Mit solchen „Tricks und Täuschungen“ soll den Besuchern der Blick auf die Holzernte-Schäden mitten im Wald verwehrt werden, wettert Kurz. Die Initiative will nicht nur kritisieren, sondern hat mit wissenschaftlicher Unterstützung und einem Experten in den eigenen Reihen, dem pensionierten Oberforstrat Richard Koch, ein Bodenschutzkonzept für den Schönbuch erstellt.

Initiative legt Bodenschutzkonzept vor

Es ist ein übersichtlicher Kriterienkatalog, in dem auf einen Blick erkennbar ist, welche Spurtypen die schweren Vollernter bei unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten anrichten. Anhand der ökologischen und technischen Beurteilung gibt es Handlungsempfehlungen – bis hin zum Verzicht auf Holznutzung, sollte keine technische Alternative wie Seilkran oder Pferd zum Abtransport gefällter Bäume möglich sein.

Die Kritik der Initiative hält Götz Graf von Bülow von der Unteren Forstbehörde im Kreis Tübingen für überzogen. Allerdings führe der „öffentliche Diskurs zur Beschleunigung“ sagt er und meint die Umsetzung des erst seit 2104 geltenden Bodenschutzkonzepts von Forst BW.

Im Forstministerium nimmt man die Kritik ernst. Mindestens eine der Rückegassen allerdings sei bereits bei der Aufarbeitung von Orkanschäden geschädigt und danach nicht saniert worden. Sie hätte deshalb im Frühjahr nicht befahren werden dürfen. Das Landeskonzept zum Bodenschutz werde derzeit unter Mitarbeit von Joachim Eberle, der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt FVA in Freiburg sowie Forstpraktikern überarbeitet.