In den zwei WGs im Leonberger Samariterstift mit elektronischem Schließsystem, in denen jeweils bis zu 14 Menschen leben, die dement sind und ausgeprägte Fluchttendenzen haben, begegnet man diesem Symptom mit einer besonderen Strategie: Vom Aufenthaltsraum kommt man auf die Terrasse und in den geschlossenen Garten und dahinter leben Franzi und Sternchen. Die Schafe sind durch einen hüfthohen Holzlattenzaun von den Bewohnern getrennt und grasen friedlich. So verstünden die Bewohner die Eingrenzung „als Zaun der Schafe und nicht als Zaun, der sie selbst einsperrt“, sagt die Hausleiterin Irmgard Vogel. Ein gepflasterter Weg führe die alten Menschen in einer Schleife stets zum Haus zurück. „An Demenz Erkrankte wollen nicht weglaufen“, sagt Vogel: „Sie laufen zu etwas hin, was für sie zu Hause bedeutet.“ Dieses Gefühl gelte es aufzunehmen. Dazu trägt auch die gemeinsame Arbeit in den WGs bei, die von Alltagshelferinnen begleitet wird. Wer kann, hilft beim Tischdecken oder kochen. Wer nichts mehr machen kann, partizipiert trotzdem. Viele Bewohner würden dadurch auch mit mehr Appetit essen.

 

Teamwork von Pflegern und Angehörigen

Das Angebot von Wohngemeinschaften für Demenzkranke im Südwesten wächst stetig. Ein innovatives Konzept verfolgt die ambulant betreute WG des Vereins „Lichtblick“ in Ostfildern (Kreis Esslingen), die engagierte Bürger und Angehörige gemeinsam verantworten. In die Rund-um-die-Uhr-Betreuung sind hauptberufliche Kräfte eingebunden. Allerdings haben hier die Familien der insgesamt neun Bewohner viel Einfluss auf die Pflege: Sie wählen den Dienst aus, gestalten den Alltag und helfen bis zu 20 Stunden im Monat bei der Pflege mit – wodurch sich die Kosten für die Betreuung reduzieren. Die „Lichtblick“-WG ist im Nachbarschaftshaus Scharnhauser Park angesiedelt, zu dem auch stationäre Hausgemeinschaften für Demenzkranke gehören sowie ein Sinnesgarten mit Hochbeeten auf Augen- und Nasenhöhe und das offene Atelier, wo gewerkelt und gebastelt wird.

Individuelle Lösungen für die Bewohner

Eine Möblierung und Ausstattung, die Erinnerungen weckt – darauf setzt unter anderem das Altenzentrum St. Elisabeth in Eislingen (Kreis Göppingen). So soll etwa ein altes Telefon auf dem Flur die Senioren davon abhalten Richtung Ausgang zu spazieren, wobei dieser wiederum entsprechend gesichert ist. Entspiegelte Böden beugen einer Verwirrung durch zu viel Wahrnehmung vor. „Ansonsten sollte man auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen“, sagt Alexander Schöck, der Geschäftsführer des Altenzentrums. Zwar könne man mittlerweile wie aus dem Katalog komplette Bushaltestellen für ein Pflegeheim bestellen, um damit den Patienten den Eindruck zu geben, sie würden verreisen, aber davon hält Schöck wenig: „So etwas ist doch immer nah am Veräppeln der Leute. Die Menschen sind krank, aber nicht doof.“ Er sucht nach individuellen Lösungen. So habe eine demente Frau immer bügeln wollen – brandschutzrechtlich ein Problem. Ein kaltes Bügeleisen hätte sie nicht akzeptiert. „Wir haben dann für sie an einem Gerät den Thermostat so umgebaut, dass es maximal handwarm wird.“ Das Projekt „Kunst und Demenz“ in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) verbindet junge und alte Maler. Acht- bis Zehntklässler besuchen ein Jahr lang jede Woche das Seniorenheim Haus im Schelmenholz, bringen die Bewohner zum Malangebot und helfen ihnen, Pinsel und Stift zu führen. Die Kunstwerke werden im Altenheim ausgestellt. Das Projekt wird vom Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ unterstützt. Eine Künstlergruppe, die von einer Maltherapeutin begleitet wird, gibt es unter anderem auch im Seniorenzentrum Am Rosengarten in Bondorf (Kreis Böblingen). Wer seine Fähigkeit verliert, sich in Worten auszudrücken, brauche die Möglichkeit, das zu kompensieren, sagt der Heimleiter Roland Holunder. Kunst setze Emotionen und Erinnerungen frei. „Ein Mann hat hier erst seine Leidenschaft für das Malen entdeckt“, sagt Holunder: „Eines Tages setzte er sich an den Flügel und spielte, obwohl er das seit Jahrzehnten nicht getan hatte.“