Zur Arbeitsintegration werden Flüchtlinge in Stuttgart nun auch bei der Erneuerung von Stäffele eingesetzt. Ein Vorzeigeprojekt, von denen es in der Landeshauptstadt aber noch nicht viele gibt.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Ihre Stäffele sind der Stolz der Stuttgarter. Dass viele von ihnen in einem wenig erfreulichen Zustand sind, ist schon seit Langem Anlass für Klagen. Nun könnte sich daran punktuell etwas ändern. Im Rahmen der Integrationsjobs für Flüchtlinge setzt die Stadt Asylbewerber auch bei der Erneuerung von Staffeln ein. Am Mittwoch waren neun von ihnen an der Adlerstraße im Süden bei der Arbeit.

 

Arshead Mohamed streicht mit Hingabe das Geländer im unteren Bereich der Adlerstaffel, die an der Schickardt-Schule in die Höhe führt. Er muss mit dem Pinsel einige Male über den eisernen Handlauf streichen, bis die Ocker-Farbe auch deckt. Der 43 Jahre alte Pakistaner ist eigentlich Maschinenbauer. Dass er jetzt in leuchtfarbener Arbeitskluft eine Treppe im Stuttgarter Süden erneuert, ist für den Asylbewerber aber in Ordnung. „Ein guter Job“, sagt er. Arshead Mohamed ist froh, in Deutschland in Sicherheit zu sein. Sobald es die Verhältnisse in seinem Heimatland es zulassen, will er aber wieder zurückgehen. „Doch solange ich hier bin, will ich arbeiten und meinen Lebensunterhalt selber verdienen“, sagt er.

Die Flüchtlinge finden ihre Arbeit gut

Der 43-Jährige gehört zu einem Trupp von Asylbewerbern, die Hand anlegen an der Adlerstaffel. Sie reinigen die 75 Stufen, entfernen das wuchernde Unkraut an der Treppe, wenn sie das rostige Gitter abgeschliffen haben, streichen sie es neu. Die Männer tun dies unter der Anleitung einer Fachfrau. Silvia Mayer hat das Malerhandwerk gelernt, sie arbeitet für das Sozialunternehmens SBR, welches das Projekt im Auftrag der Stadt ausführt. „Die stellen sich gut an, ich bin erstaunt“, sagt Mayer.

Für Werner Wölfle (Grüne), den Bürgermeister für Soziales und Integration, ist es ein besonderes Projekt. „Die Stäffele sind ein Symbol“, sagt er. Deshalb habe man auch die Stäffele dafür ausgesucht, „damit die Flüchtlinge zeigen können, dass sie auch etwas zurückgeben können“, erklärt der Bürgermeister. Ermöglicht hat die Arbeiten die PSD-Bank Rhein-Neckar-Saar mit einer Spende von 50 000 Euro. Es ist freilich nicht anzunehmen, dass schon bald alle 400 Stuttgarter Stäffele mit ihren 20 Kilometern Länge in neuem Glanz erstrahlen. Man werde sich auf jene konzentrieren, die besonders frequentiert und in einem besonders schlechten Zustand seien, sagt Werner Wölfle. Als nächstes soll die Liststaffel am Marienplatz drankommen.

Stadt klagt über „bürokraktische Hürden“

Zumal es nicht so einfach sei, solche Integrationsjobs für Flüchtlinge genehmigt zu bekommen, klagt der Bürgermeister. Zwar hat die Stadt vor einiger Zeit erklärt, selbst rund 100 solcher Arbeitsgelegenheiten zu schaffen und dafür 1,4 Millionen Euro auszugeben, diese sollen künftig nun aber über ein neues Förderprogramm FIM des Bundes finanziert werden. Bisher sind erst 25 bis 30 dieser Plätze belegt, vor allem bei der Abfallwirtschaft und beim Garten- und Friedhofsamt. Bei der Bewilligung der Integrationsjobs durch die Agentur für Arbeit habe man aber erhebliche „bürokratische Hürden“ zu überwinden, kritisiert Werner Wölfle. „Wir würden das Ganze gerne schneller auf die Straße bringen.“

Rein rechnerisch kann die Stadt sogar sagen, dass sie schon etwa 900 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge geschaffen hat. Dabei handelt es sich aber eben fast ausschließlich um Putzjobs und Hilfstätigkeiten in den Asylunterkünften. Auch Stefan Schrade, der das Thema beim Haupt- und Personalamt betreut, räumt ein: „Wir müssen realistische Plätze schaffen, die für die Integration auch sinnvoll sind.“

Neues Förderprogramm des Bundes

Von den gegenwärtig rund 8200 Flüchtlingen, die in Stuttgart untergebrachten sind, beziehen derzeit rund 2900 Personen in 1600 Familien Hartz IV, ihr Asylantrag ist also bereits anerkannt. Für diese Gruppe hat der Bund ein Programm mit sogenannten Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) aufgelegt. Für die Landeshauptstadt ist ein Kontingent von bis zu 750 Plätzen vorgesehen.

Mit dem neuen, seit Anfang August geltenden Integrationsgesetz sollen Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive möglichst bald in den Arbeitsmarkt integriert werden. Diesem Ziel dienen auch die rund 100 von der Stadt geplanten Arbeitsgelegenheiten, die in das FIM-Angebot des Bundes überführt werden sollen. Es handelt sich um den Ein-Euro-Jobs vergleichbare Beschäftigungsgelegenheiten, nur dass die Flüchtlinge zusätzlich lediglich 80 Cent pro Stunde erhalten. Ein Integrationsjob des FIM-Programms hat maximal 30 Wochenstunden und dauert bis zu sechs Monate. Antragsteller ist generell die Stadt, Genehmigungsstelle die Arbeitsagentur.

2100 Personen sind als erwerbsfähig eingestuft

Bis zum Ende des nächsten Jahres rechnet man bei der Stadt derzeit noch mit bis zu 8990 anerkannten Asylbewerbern im Hartz-IV-System. Allein für das laufende Jahr hat man dafür im Jobcenter zusätzliche Ausgaben von 5,5 Millionen Euro vorgesehen. Derzeit sind unter den Flüchtlingen im Hartz-IV-Bezug rund 2100 als erwerbsfähig eingestuft.

Bereits im September sollte die neue Fachstelle für Flüchtlinge des Jobcenters, die in Räumen des Cannstatter Carrés aufgebaut wird. in Betrieb gehen. Dies wird wohl erst Anfang Dezember der Fall sein, sagte ein Sprecher des Jobcenters. Der Druck, hier möglichst bald beginnen, hat auch etwas abgenommen. Anders als erwartet steigen die Zahlen der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anerkannten Asylbewerber doch nicht so schnell. Bis zu 60 zusätzliche Mitarbeiter sollen je nach Bedarf in der neuen Fachstelle tätig sein. Von diesen haben bereits 35 ihre Arbeit aufgenommen.