Der ehemalige Intendant des Deutschen Schauspielhauses kehrt zu seinen Wurzeln an die Landesbühne zurück.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Vieles ist an diesem Freitag Nachmittag an der Württembergischen Landesbühne (WLB) in Esslingen ungewöhnlich. Schließlich ist es in der deutschen Theatergeschichte die absolute Ausnahme, dass ein Intendant an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrt. Doch seit gestern ist es offiziell: Friedrich Schirmer, der bereits von 1985 bis 1989 die WLB geleitet hat, ist wieder da. Von 2014 an wird Schirmer Nachfolger des amtierenden Theaterchefs Manuel Soubeyrand. Einstimmig hat der Vorstand der WLB dem Vertrag zugestimmt, den der Oberbürgermeister Jürgen Zieger mit Friedrich Schirmer ausgehandelt hatte. Auf einer Pressekonferenz hat sich Schirmer an seiner alten, neuen Wirkungsstätte vorgestellt.

 

„Es wird höchste Zeit, dass es jemand tut“

„Jetzt bin ich wieder da, wo ich zum ersten Mal im Theater glücklich war“, beschreibt Friedrich Schirmer seine Gefühlslage. Das einzige Argument, dass er gegen die Rückkehr nach Esslingen gehört habe, sei gewesen: „Das macht man nicht.“ Er sei jedoch nach langem Überlegen zu der Überzeugung gekommen: „Das tut man gerade. Und wenn es noch keiner gemacht hat, dann wird es höchste Zeit.“ Nach seiner Intendanz in Esslingen, bei der er mit der Ausrichtung auf regionale Autoren für viel Aufsehen gesorgt hatte, war Schirmer Leiter des Schauspiels in Freiburg und des Staatstheaters in Stuttgart, ehe er 2005 das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg übernahm. Dort hatte er, obwohl sein Vertrag um weitere fünf Jahre bis 2015 verlängert worden war, im September 2010 überraschend fristlos gekündigt, um gegen die drohenden Unterfinanzierung des renommierten Hauses zu protestieren. Dass Esslingen nun in einer ganz anderen Theaterliga spielt, ficht Schirmer nicht an: „Es ist ein Fehler zu glauben, das Leben müsse in Stufen verlaufen.“ Er sehe das Leben eher als kreis- oder spiralförmige Entwicklung.

Nach seiner Hamburger Zeit habe er sich entweder vorstellen können, eine Schauspielschule oder ein „kleines Schauspielhaus in einer mir vertrauten Umgebung“ zu übernehmen. Er empfinde es als Geschenk, dass er nun noch einmal nach Esslingen zurückkehren dürfe.

Der Vertrag läuft sechs Jahre

Ungewöhnlich ist aber nicht nur die Tatsache der Rückkehr an sich, sondern auch die Amtszeit des heute 61-Jährigen. Ist es normalerweise üblich, neuen Intendanten einen Fünf-Jahres-Vertrag zu geben, so wird Schirmer von Herbst 2014 bis zum Ende der Spielzeit 2019/2020, also sechs Jahre lang, in Esslingen bleiben. Dafür gibt es einen triftigen Grund: Denn im Jahr 2019 feiert die Württembergische Landesbühne, die aus der Schwäbischen Theaterbühne hervorgegangen ist, ihren 100. Geburtstag. Genau in dieser Zeit einen Intendantenwechsel zu planen, und damit die Chancen, die ein solches Jubiläum bietet, nicht zu nutzen, fände Schirmer bedauerlich.

Dieses Jubiläum möchte er nicht nur mit einer umfänglichen Dokumentation zur Geschichte des Hauses und einem Stückeauftrag, sondern auch mit einem großen Wandertheater-Festival feiern. Ein bisschen will Schirmer damit an seine letzte Spielzeit am Stuttgarter Staatstheater anknüpfen, als er zum Abschied das spektakuläre „Theater der Welt“-Festival in der Landeshauptstadt organisierte.

Lustvolles Theater mit Lachen, Heulen und Zähneklappern

Programmatisch will er an seinen Vorgänger Manuel Soubeyrand anknüpfen, der seine letzte Spielzeit unter das Motto „Umbrüche“stellen und vor allem dem 20. Jahrhundert widmen will. Auch Schirmer will in seiner Amtszeit nach den Themen suchen, mit denen sich die Menschen in den letzten hundert Jahren beschäftigt haben. Er verspricht ein „lustvolles Theater, mit Lachen, Heulen und Zähneklappern“.

Nachdem er das Esslinger Angebot erhalten hatte, habe er drei Tage lang Stücke aufgeschrieben, die er gerne spielen würde. Lächelnd fügt Schirmer hinzu: „Wenn ich davon nur einen Bruchteil verwirkliche, reicht das für zehn bis 15 Jahre.“