Während sich die bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern unterlegenen Parteien an Erklärungen versuchen, hat die internationale Presse bereits einige Ursachen ausgemacht: der Umgang mit der Flüchtlingskrise und Merkels schwindende Macht.

Stuttgart - Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern mit der schweren Niederlage der CDU und dem Triumph der AfD beschäftigt am Montag auch die internationale Presse. Die konservative Zeitung „Lidove noviny“ aus Tschechien etwa spricht von einem schmerzhaften Wahlergebnis für die CDU. „Die Christdemokraten von Bundeskanzlerin Angela Merkel konnten sich am Sonntag nur schwer mit ihrer Niederlage im Nordosten Deutschlands abfinden. (...) Wer hat die Alternative gewählt? Die Partei war am erfolgreichsten unter Männern im Alter zwischen 30 und 59 Jahren, doch zu den Urnen sind auch viele andere gegangen, die wegen der Politik normalerweise nicht aus dem Sessel aufstehen würden. Dazu angetrieben hat sie die rasante Rhetorik der Populisten, welche die deutsche Regierungsgarnitur angegriffen und gegen eine Zuwanderungspolitik protestiert haben, die Hunderttausende schwer integrierbare Menschen mit muslimischen Wurzeln nach Deutschland geführt hat.“

 

Ernste Warnung für Merkel

Auch die belgische Zeitung „De Tijd“ sieht den Grund für die Wahlniederlage der CDU in der Flüchtlingspolitik der Regierung. „Der augenscheinlichste Grund für den Erfolg der AfD ist die gesamte Flüchtlingsproblematik. Fast exakt vor einem Jahr hat Deutschland die Grenzen für Flüchtlinge weit geöffnet - nach dem historischen „Wir schaffen das“ von Angela Merkel. Ein Jahr danach herrscht Ernüchterung. Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung hält nichts von der „Willkommenskultur“ und in Mecklenburg-Vorpommern ist das nun deutlich zum Ausdruck gebracht worden.“

AfD zeigt gesamteuropäischen Trend

In den Niederlanden äußerte sich beispielsweise die Zeitung „de Volkskrant“ – und sieht in dem Wahlergebnis eher ein gesamteuropäisches Problem. „Es ging bei dieser Wahl weniger um Fakten, als um drei Empfindungen: Misstrauen, Groll und Angst. Das damit verbundene Unbehagen betraf mehr als nur die Vorbehalte gegen Flüchtlinge. Es ging auch um die alte Geschichte von den vergessenen europäischen Flachlandgebieten, wo die Bevölkerung sich vernachlässigt fühlt, um mangelnde Infrastruktur und fehlende Jobs sowie um ein großes Misstrauen gegen jede gefestigte Ordnung. Das ist ein Szenarium, das populistischen und rechten Parteien überall in Europa Flügel verleiht. In diesem Sinne ist das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern die Bestätigung eines Trends - und eines gesamteuropäischen Problems.“

AfD-Erfolg hat symbolischen Wert

Der britische „Guardian“ spricht ebenfalls von einem großen symbolischen Wert des Wahlergebnisses. „Mecklenburg-Vorpommern ist in den vergangenen zehn Jahren von einer großen Koalition aus SPD und CDU regiert worden - praktisch eine Widerspiegelung der Machtstruktur auf Bundesbene. Eine in wachsendem Maße entzweiende Debatte über die Konsequenzen aus dem Vorgehen der Bundesregierung in der Flüchtlingskrise hat die Unterstützung für die AfD vorangetrieben (...), wenngleich dieses Bundesland von der Flüchtlingskrise kaum betroffen war. Obwohl das Wahlergebnis keine unmittelbaren Folgen für die Arbeit der deutschen Regierung hat und Mecklenburg-Vorpommerns Bevölkerung mit nur 1,6 Millionen Menschen recht klein ist, ist es doch von großem symbolischen Wert für die Landtagswahl in Berlin am 18. September und für die Bundestagswahl im kommenden Jahr.“

Merkel sieht ihren Thron wackeln

Und französische Tageszeitung „Libération“ sieht das Wahlergebnis als einen Hinweis auf Angela Merkels schwindende Macht. „Ihr Beliebtheitsgrad ist während des Sommers stark gefallen - auch wenn einige europäische Spitzenpolitiker davon träumen, soviel Zustimmung zu haben. Für sie (Merkel) stellt sich die Frage eines vierten Mandats im kommenden Jahr. Sie, die so souverän war, sieht ihren Thron wackeln. Und das ist für keinen eine gute Nachricht, vor allem für die Europäische Union. Die Regionalwahl in Mecklenburg-Vorpommern, die am Sonntag die Ausbreitung der populistischen und gegen Flüchtlinge eingestellten Partei AfD unterstützt hat, ist symptomatisch für ein Übel, das ganz Europa betrifft. Die Flüchtlings-Frage hat das Votum belastet, in einer Region, die wenig dieser Problematik ausgesetzt ist.“

Niederlage für Willkommenspolitik

Auch die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ prophezeit Merkel nach dieser Wahl schwierige Zeiten. „Es ist ein Desaster, das dazu führen wird, dass innerhalb der CDU/CSU eine neue Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen und über die Sicherheit entbrennen wird. Und das alles vor den politisch schwierigsten Monaten für Merkel, die noch nicht über ihre erneute Kandidatur entschieden hat.“