Elektroautobatterien brauchen Kobalt. Dessen Gewinnung ist heikel. BMW wollte es nachhaltig in Marokko schürfen lassen – aber gegen die Mine gibt es nun schwere Vorwürfe.

Ohne Kobalt fährt kein Elektroauto. Rund ein Drittel der weltweit abgebauten Menge dieses Rohstoffs fließt in deren Hochvoltbatterien. Kobalt-Lagerstätten sind aber ungleich verteilt. Ein Großteil wird im Kongo geschürft, wo Kinderarbeit die Regel ist und Umweltbelange keine Rolle spielen. Nachhaltig wird Elektromobilität so nicht, weshalb BMW sich nach sozial- und umweltverträglichen Lieferanten umgesehen hat und dabei vermeintlich in Marokko fündig geworden ist. Seit 2020 deckt eine dortige Mine ein Fünftel des Kobalt-Bedarfs von BMW. Geschürft wird aber alles andere als nachhaltig – zumindest legen dies die Ergebnisse eines internationales Rechercheteams nahe. Arsen verseucht demnach die Umgebung der Mine und dort lebende Menschen. BMW wirkt überrascht und will für Klarheit sorgen.

 

„Wir sind der Sache schon im Juli nachgegangen“, sagt ein BMW-Sprecher. Managem als Minenbetreiber habe aber alles glaubhaft mit Zertifikaten und anderen Dokumenten widerlegt. Damals seien die heutigen Arsen-Messwerte nicht bekannt gewesen. Die sind vorsichtig ausgedrückt alarmierend.

Wasserproben mit extrem hohen Arsen-Werten

Journalisten von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ sowie Kollegen aus Frankreich und Marokko haben vor Ort monatelang recherchiert, Wasserproben aus dem Umfeld der Mine genommen und sie im Magdeburger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung analysieren lassen. „Ich kann mich nicht erinnern, jemals in einer Wasserprobe eine solche Arsen-Konzentration bestimmt zu haben“, sagt Helmholtz-Chemiker Wolf von Tümpling in einem ARD-Bericht. 18 000 Mikrogramm pro Liter waren es. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält im Trinkwasser zehn Mikrogramm für maximal tolerabel. In einer Oase zehn Kilometer von der Mine entfernt ergaben Wasserproben noch einen 44-fach darüber liegenden Wert. Natürliche Ursachen könne das nicht haben, betont der Forscher.

Frühere und jetzige Minenarbeiter sagen, dass sie weder im Umgang mit Giftstoffen geschult noch dass solche Gefahren je erwähnt wurden. Schutzmasken gebe es ohnehin nicht ausreichend. Wer erkrankt, werde ohne soziale Absicherung entlassen. Auf Gewerkschaften mache man Druck. 2020 hat BMW mit Managem einen bis 2025 laufenden Liefervertrag geschlossen, der dem der marokkanischen Königsfamilie gehörenden Rohstoffkonzern 100 Millionen Euro einbringt und BMW im Gegenzug mit nachhaltigem Kobalt versorgen sollte.

BMW will die Vorwürfe unabhängig prüfen lassen

„In der Realität führt das Abkommen zu einem Desaster sowohl für die Arbeiter als auch für die Umwelt“, kritisiert der marokkanische Gewerkschafter Omar Oubouhou. In puncto Nachhaltigkeit geschehe in der Mine von Bou Azzer das Gegenteil von dem, was BMW behauptet.

Der Autobauer, der sich als Vorreiter bei nachhaltiger E-Mobilität sieht, will die Vorwürfe von unabhängiger Seite prüfen lassen. „Wir nehmen das sehr ernst“, versichert ein BMW-Sprecher. Sollte Fehlverhalten nachgewiesen werden, werde BMW Managem auffordern, das abzustellen.

Eigentlich hätte es gar nicht so weit kommen dürfen. Denn als BMW 2020 das Abkommen mit Managem vorgestellt hat, wurde betont, alles im Griff zu haben. „Nachhaltigkeit ist ein fester Bestandteil aller Aktivitäten im Einkauf“, versicherten die Bayern damals. Neue Maßstäbe wolle BMW bei Beschaffung kritischer Rohstoffe wie Kobalt setzen. Umwelt- und Sozialstandards stünden im Fokus. Deshalb kaufe BMW für seine Batteriezellenlieferanten nötiges Kobalt selbst ein und habe sich in Marokko vor Ort davon überzeugt, dass alles sozial wie ökologisch sauber und nachhaltig ablaufe.

Externe Partner und Gutachter würden nicht nur vor einer Lieferbeziehung geprüft, sondern auch über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg, heißt es bei BMW. Zudem gebe es ein System, in das man Verstöße anonym melden könne. „Da ist nichts reingekommen“, bedauert ein BMW-Sprecher.

Nachhaltiges Kobalt ist kurzfristig nicht schnell anderswo zu beschaffen

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, hat BMW auch ein Problem mit dem seit Anfang 2023 geltenden deutschen Lieferkettengesetz. Vor allem aber geriete das weiß-blaue Nachhaltigkeitsimage in Gefahr. Kobalt ist speziell in nachhaltiger Form nicht rasch ersatzweise zu beschaffen. BMW-Hauptlieferant dafür ist eine Mine in Australien, wo Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden, soweit man weiß. Von der marokkanischen Mine will indessen ab 2025 auch Renault sauberes Kobalt beziehen. Die Franzosen dürften nun auch ins Grübeln kommen.