Elena Schlegel unterrichtet seit 14 Jahren Kinder aus Zuwandererfamilien in Deutsch und bereitet sie auf die Integration in Regelklassen vor. Die Pädagogin kam vor 25 Jahren nach Deutschland. Sie will ihren Schülern Vorbild sein.

Sindelfingen - Sechs Wochen Ferien, Zeit zum Baden, Reisen, Nichtstun – für die meisten Schüler ist der letzte Schultag vor den Sommerferien ein Freudentag. In der internationalen Vorbereitungsklasse von Elena Schlegel in der Sindelfinger Werkrealschule am Goldberg jedoch war die Stimmung am Mittwoch nicht nur lustig. „Es sind bei einigen auch Tränen geflossen“, sagt die Lehrerin. Denn zwölf ihrer 27 Schüler hat sie verabschiedet. Sie werden nach den Ferien andere Schulen besuchen.

 

Auch Elena Schlegel fällt der Abschied von den Schülern schwer. Trotzdem ist es auch ein Freudentag für sie. Jeder Schüler, der ihre Klasse verlässt, ist ein Erfolgserlebnis für die Pädagogin. Dieses Kind hat es geschafft. Es kann nun dem Unterricht in einer Werkrealschule, einer Realschule oder gar einem Gymnasium folgen.

Wenn die Schüler das erste Mal in die internationale Vorbereitungsklasse an der Goldberg-Schule kommen, können sie zumeist kein Wort Deutsch. „Viele Kinder haben Angst vor dem, was auf sie zukommt“, sagt Schlegel. Sie weiß ganz genau, wie sich die Schüler fühlen. Die 52-Jährige kam selbst vor 25 Jahren aus Kirgisistan nach Deutschland. „Ich musste erst die Sprache lernen“, erzählt Schlegel. Denn die leidenschaftliche Lehrerin hatte das Ziel, auch in ihrer neuen Heimat zu unterrichten.

27 Schüler aus 15 Nationen lernen gemeinsam Deutsch

Vor 14 Jahren übernahm Elena Schlegel die erste internationale Vorbereitungsklasse an der Eichholzschule. Vor zwei Jahren wechselte sie an die Goldberg-Schule. 27 Schüler aus 15 Nationen im Alter zwischen zehn und 17 Jahren sitzen in ihrer Klasse. Manche sind bereits seit zwei Jahren bei ihr, mancher, so der 14 Jahre alte Daniel aus Italien, betrat drei Wochen vor dem Schuljahresende das erste Mal ihr Klassenzimmer. Kinder aus Akademikerfamilien wie der syrische Flüchtling Ahmad sitzen neben Kindern vom Balkan, die bisher keine Schule von innen gesehen haben.

„Ich bin vor allem Managerin“, sagt Elena Schlegel. „Ich habe die Klasse in fünf Leistungsgruppen unterteilt und muss schauen, dass immer alle gleichzeitig beschäftigt sind.“ Hinzu kommen einzelne Schüler, die bereits in Regelklassen integriert sind und nur noch ein- bis zweimal pro Woche Sprachunterricht erhalten.

Schlegel will ihren Schülern ein Vorbild sein. „Auch als Migrantin kann man alles erreichen, was man will.“ Vom ersten Tag an spricht die Pädagogin ausschließlich Deutsch mit den Kindern. Bereits nach zwei Wochen in ihrer Klasse könne sie erkennen, welcher Schüler das Potenzial für eine weiterführende Schule habe, sagt Schlegel. Sie hat auch Gymnasiasten. Azzeldeen beispielsweise besucht das Stiftsgymnasium. Nur einmal in der Woche erhält der 14-jährige Syrer vertieften Sprachunterricht bei Schlegel. Zana aus Kroatien besucht die achte Klasse der Realschule. Ihr Zeugnis ist hervorragend: 1,8 in Mathe, 2,2 in Deutsch. Besonders stolz ist die Handballerin auf die 1,0 in Sport.

Die Fortgeschrittenen helfen den Anfängern

Das Mädchen unterstützt Elena Schlegel als Assistentin in der Vorbereitungsklasse, korrigiert ein Übungsdiktat des Neulings Daniel. Ganz bewusst setzt Schlegel fortgeschrittene Schüler als Helfer ein. „Nur so kann ich mit den verschiedenen Leistungsgruppen arbeiten.“ Sie ist überzeugt: „Auch die Helfer profitieren davon. Sie verbessern ihre Sprachkenntnisse, werden selbstbewusster.“

Streng ist Zana mit ihrem Schüler. Auch das ist im Sinne der Pädagogin Schlegel. „Wir arbeiten nach dem Leistungsprinzip.“ Dabei geht es ihr darum, jedes Kind nach seinen Fähigkeiten zu fördern. „Wir haben auch Kinder, die waren bisher kaum in einer Schule. Die können sich nicht den ganzen Vormittag konzentrieren.“ Diese schickt die Lehrerin auch mal zum Tischtennisspielen auf den Schulhof. Ihre Erfahrung bringt Schlegel als Fachbereichsleiterin im Schulamtsbezirk Böblingen ein, erstellt Unterrichtsmaterialien und schult Kollegen anderer Vorbereitungsklassen.

Zana und Azzeldeen werden nach den Ferien nicht mehr zu Schlegel kommen. Wieder zwei Erfolgserlebnisse für die Pädagogin. Ihre Klasse ist mit 24 Schülern trotzdem voll. „Zehn Kinder standen auf der Warteliste. Die beginnen im Herbst.“

Wartelisten für Schulkinder

Gesetz
Minderjährige, die nach Deutschland kommen, haben unabhängig von ihrem Status das Recht, eine Schule zu besuchen. Nach längstens sechs Monaten Aufenthalt beginnt die Schulpflicht auch für Flüchtlingskinder.

Praxis
Jüngere Kinder würden häufig direkt in die Regelklassen integriert, sagt die Schulamtsleiterin Angela Huber. Kinder von zehn Jahren an lernen erst in einer der internationalen Vorbereitungsklassen Deutsch und werden dann schrittweise in Regelklassen integriert. 19 Vorbereitungsklassen gab es im vergangenen Schuljahr im Kreis, darunter einige an Berufsschulen für Jugendliche von 15 bis 18 Jahren. Viele Klassen waren überfüllt, es gab Wartelisten. Im September werden deshalb weitere Vorbereitungsklassen eingerichtet.