Die Bundesregierung wusste schon seit 2008 von der fragwürdigen Steuerpraxis bei der GIZ. Unternommen hat sie nichts. Erst 2013 vereinbarte das Bundesfinanzministerium, dass für die betroffenen Mitarbeiter Steuern abgeführt werden müssen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart/Eschborn - Die fragwürdige Steuerpraxis bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist der Bundesregierung schon seit Jahren bekannt gewesen. Bereits 2008 war sie erstmals mit dem Umstand befasst, dass Auslandsmitarbeiter der heute von Ex-Ministerin Tanja Gönner (CDU) geführten Organisation weder in Deutschland noch in ihren Einsatzländern Steuern zahlten.

 

Erst 2013 jedoch vereinbarte das Bundesfinanzministerium mit den Finanzbehörden der Länder, dass für die rund 1500 betroffenen Mitarbeiter seit Beginn dieses Jahres Steuern abgeführt werden müssen. Das berichtet der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) jetzt nach einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.

Das Ziel der Bundesregierung war laut Meister stets, „das Entstehen weißer Einkünfte zu verhindern“; so werden nirgendwo besteuerte Einnahmen genannt. Allerdings sei zunächst nicht klar gewesen, wie sich die Rechtslage entwickeln würde. Handlungsbedarf sah der Bund erst nach einem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom Januar 2012.

In den Entwicklungsländern wurden keine Abgaben erhoben

Darin wurden die Bezüge der GIZ-Auslandsmitarbeiter als Einnahmen aus „öffentlichen Kassen“ gewertet. Solche sind in Deutschland auch dann steuerpflichtig, wenn die Bezieher im Ausland leben; von den Entwicklungsländern wurden sie traditionell nicht besteuert. Die GIZ hatte den Mitarbeitern empfohlen, ihren Wohnsitz in Deutschland aufzugeben, um der Besteuerung zu entgehen.

Von einer „Fehlberatung“ will der Staatssekretär gleichwohl nichts wissen: Bei einem entsprechenden Merkblatt habe es sich um „unverbindliche Hinweise“ gehandelt; es sei inzwischen aktualisiert worden. Die GIZ habe auch keine Steuerbefreiungen zugesichert.

Ein Fehlverhalten der Finanzbehörden sieht Meister nicht, diese hätten „nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“. Unbeantwortet lässt er die Frage, wie viele Steuern dem Staat in den vergangenen zehn Jahren entgangen seien; darüber habe man „keine Erkenntnisse“. Insider schätzen den Betrag auf mehrere hundert Millionen Euro.

GIZ-Mitarbeiter „jahrelang falsch beraten“?

Der Linke-Abgeordnete Niema Movassat nannte die Begründung der langjährigen Untätigkeit „dreist“. Um eine Fehlbesteuerung bei „offenen Rechtsfragen“ zu verhindern, auf die sich die Regierung berufe, gebe es normalerweise Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums; dies sei aber bis Dezember 2013 unterblieben. Die „jahrelang falsch beratenen“ Mitarbeiter der GIZ, die sich inzwischen mit teilweise hohen Nachforderungen konfrontiert sehen, müssten nun „die Untätigkeit der Bundesregierung und des GIZ-Vorstandes ausbaden“, kritisiert Movassat.

Während die Bundesregierung alle beteiligten Instanzen von jeder Schuld freispreche, werde das steuerliche und rechtliche Risiko voll auf die Mitarbeiter abgeschoben. Bis heute gebe es keine Untersuchung über GIZ-interne Versäumnisse.

Verfahren wurde mangels Tatverdacht eingestellt

Derweil hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt nach StZ-Informationen das Ermittlungsverfahren gegen den früheren GIZ-Chef Bernd Eisenblätter mangels Tatverdachts eingestellt. Auslöser war eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung sowie auf Anstiftung oder Beihilfe dazu. Die Begründung: weder seien gegenüber den Finanzbehörden falsche Angaben gemacht noch diesen wesentliche Tatsachen verschwiegen worden. Vielmehr sei ihnen die Sachlage und die rechtliche Problematik „in vollem Umfang bekannt“ gewesen. Die frühere Auslegung des Begriffs der öffentlichen Kasse, die zur Nichtbesteuerung führte, sei zu vertreten und nachvollziehbar gewesen.

In einer internen Stellungnahme nannte die GIZ die Einstellung „sehr erfreulich“; man habe aber auch nichts anderes erwartet. Ein Wandel in der Auslegung von Gesetzen könne „niemals rückblickend den Vorwurf einer Straftat begründen“. Vermutungen aus der Belegschaft, das Verfahrensende sei auch politisch motiviert, wies die GIZ als „nicht plausibel“ zurück.