„Interreligiöser Dialog zum Thema Fremdenhass, Flüchtlinge, Islamischer Staat und Pegida“, so war eine Veranstaltung in Mühlhausen angekündigt, mit Vertretern von jüdischer, christlicher und islamischer Seite. Zündstoff barg das Thema allemal.

Mühlhausen - Schon die Besetzung des Podiums war ungewöhnlich – und im Grunde eine kleine Sensation für eine Veranstaltung, die sich ein mehr als nur abendfüllendes Thema gesetzt hatte: „Interreligiöser Dialog zum Thema Fremdenhass, Flüchtlinge, Islamischer Staat und Pegida.“ So fanden sich die Vertreter christlicher Konfessionen – die katholische Pastoralreferentin Suse Mandl und der evangelische Pfarrer und Gymnasiallehrer Tilman Gerstner – gerahmt von Susanne Jakubowski vom Vorstand der jüdischen Gemeinde Stuttgart auf der einen, dem Tübinger Islam-Studenten Samet Er von der Gesellschaft für Dialog (GfD) auf der anderen Seite. Und als Susanne Jakubowski zu ihrem luziden Vortrag ansetzte, schienen Podium und Publikum gleichermaßen den Atem anzuhalten.

 

Kein Platz für Fremdenhass

Schon ihre Vorrede barg Sprengstoff: „Ich bin nicht gekommen, um etwas schönzureden.“ Zugleich probte sie den Schulterschluss und markierte das später allseits betonte, verbindende Anliegen der Diskutanten: „Wir haben uns hier versammelt, um zu signalisieren, dass Volksverhetzung, Fremdenhass und Intoleranz keinen Platz haben.“ Selbiges „verhindern und bekämpfen“ könne man aber nur, „wenn wir diesen Missstand frühzeitig beim Namen nennen und gemeinsam dagegen antreten“.

In der Folge beschrieb sie den „Judenhass“ als das „2000 Jahre alte, klassische Gesicht des Fremdenhasses“ und stellte fest: „Zum latenten Antisemitismus, der in Europa einfach nicht zu tilgen ist, kommt der radikale Hass von Muslimen auf Juden in aller Welt. Dieser Hass ist weiter verbreitet, als die deutsche Mehrheitsgesellschaft und die Islamverbände es wahrhaben wollen.“ Das gehe bis hinein in die Schulen, wo sich Lehrer bei dieser Thematik hilflos fühlten im Angesicht der Blockade von Schülern muslimischer Herkunft. Doch Jakubowski ging noch einen Schritt weiter und nannte als Messlatte für einen menschenwürdigen Umgang miteinander die Frage, „wie eine Gesellschaft und ihre Gruppen Frauen behandeln“. Wer Frauen als minderwertig betrachte und der Gewalt gegen Frauen nicht den Kampf ansage, sei „weit davon entfernt, gleichberechtigter Teil freiheitlicher Gesellschaften zu sein“.

Wie gebannt wartete das Auditorium danach auf die Äußerungen von Samet Er. Der angehende Islam-Theologe antwortete in doppelter Weise. Zum einen betonte er, dass sich Islamisten und Terroristen in missbräuchlicher Weise auf den Koran berufen würden. Die „benutzten“ Koran-Zitate seien aus dem historisch-kriegerischen Zusammenhang gerissen, stellten zudem eine Marginalie dar: in Relation zu den unzähligen „Friedens- und Liebes-Versen des Koran“. Zum anderen betrieb er „Selbstkritik“: „Wir Muslime haben es vermasselt, den Koran mit Verstand und Herz anzugehen.“ Gegen die Orthodoxie der Islamlehrer gebe es aber „neue Ansätze, die den Friedens- und Liebesgedanken in den Mittelpunkt stellen“. Schließlich betonte Er: „Viele Muslime in Deutschland gehen in diese Richtung. Ich bin optimistisch, dass in zehn, 15 Jahren vieles besser sein wird.“

Im Dialog etwas von anderen lernen

Die Vertreter des Christentums griffen die Äußerungen beider Referenten auf. Besonders gefiel ihnen Ers Ansatz, den Koran quasi historisch-kritisch zu lesen. Ein Weg, den die christliche Theologie auch erst gehen musste, wie Mandl und Gerstner gleichermaßen betonten: als unverzichtbare Voraussetzung für Selbstdistanz und Toleranz. Ihre Argumente und Positionen waren je für sich schon abendfüllend. Auch bei so komplexen Teilthemen wie Flüchtlinge, Pegida und mögliche Ursachen für die Radikalisierung junger Menschen. Bildung, Aufklärung, Dialog waren die Zauberworte in Sachen „Lösungsansätze“. Schließlich brachte es Gerstner auf den Punkt: „Wir brauchen einen Dialog, dürfen aber keinen Einheitsbrei schaffen. Es geht darum, im Dialog die eigene Position zu stärken und zugleich etwas von Anderen zu lernen.“

Überaus lebhaft und intensiv waren dann auch nach über zwei Stunden die Beiträge aus dem Publikum. Und wie ein Beleg für die befruchtende Wirkung solcher Klarheit und Offenheit weitgespannter Denkweisen erschien im Ausklang die gelöst-heitere Atmosphäre: bei türkischem Gebäck, bei Wasser, Tee und Bier – und weiterem Diskutieren. Mit Händen zu greifen waren so die Freude, das Wohlgefühl des Zusammenseins, das dermaßen zivilisiertes Gebaren zeitigen kann.