Viel wichtiger als das Personenstandsrecht sind die Empfehlungen, die der Ethikrat zur medizinischen Behandlung gegeben hat. Operationen an Kindern soll es nur noch in Ausnahmefällen geben. Über „irreversible medizinische Maßnahmen“ sollen grundsätzlich nur noch die Betroffenen selbst entscheiden – wenn sie volljährig sind. Operationen an Kindern sollen nur bei Lebensgefahr erlaubt sein oder bei einer schwerwiegenden Gefahr für die physische Gesundheit. Auch in diesen Fällen sollten „ältere“ Kinder gehört werden. Denn es sei das höchstpersönliche Recht der Betroffenen, über ihre geschlechtliche und sexuelle Identität zu entscheiden. Dazu zähle das „Recht auf Fortpflanzungsfreiheit“, das operative Eingriffe nehmen können. Das alles sind eigentlich Selbstverständlichkeiten. Nur dort, wo noch Vorurteile existieren, bedarf es eines Ethikrats, um dies so festzuschreiben. Das Gremium empfiehlt darüber hinaus die Fortbildung von Ärzten, Hebammen und Psychotherapeuten sowie Kompetenzzentren, die eine vernünftige Beratung und gegebenenfalls Behandlung ermöglichen.

 

Falsche Vorstellungen vom richtigen Geschlecht

Damit sich Schicksale nicht wiederholen wie das eines Agraringenieurs, der, 1957 geboren, als Mädchen erzogen wurde. Seit seinem 16. Lebensjahr wurden ihm 32 Jahre lang Östrogenpräparate verschrieben, wie sie sonst Frauen nach den Wechseljahren erhalten. Seine Liebesbeziehungen scheiterten. 2000 wurde ihm eröffnet, dass er wegen seiner Stoffwechselwerte noch fünf Jahre zu leben habe. Die Psychologin sagte: „Sie haben viele gesunde Anteile, Sie sind eine ganz normale Frau.“ Heute ist er schwerbehindert, aber es geht ihm besser, seit er männliche Hormone erhält und für sich akzeptiert hat, „dass ich kerngeschlechtlich eher keine Frau bin“. Seine Erkenntnis: All die Probleme lagen „zu keinem Zeitpunkt in meiner eigenen Person“. Sie waren Folgen der Östrogene sowie der „falschen gesellschaftlichen, rechtlichen, psychologischen und medizinischen Vorstellungen von den beiden ‚richtigen’ Geschlechtern“.