Trotz der wirtschaftlichen Spitzenposition des Kreises sehen einige Firmen etwas verunsichert dem kommenden Jahr entgegen. Es gebe neue wirtschaftliche Risiken auf dem Weltmarkt, sagt Andreas Hadler, der Präsident der IHK-Bezirkskammer Böblingen.

Böblingen - Der Kreis Böblingen hat laut dem Zukunftsatlas 2016 des Prognos-Instituts die besten wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven in Baden-Württemberg. Bundesweit landet er auf Platz vier. Um die Spitzenposition zu halten, sei jedoch einiges zu tun, erklärt Andreas Hadler, der Präsident der Industrie- und Handelskammer Bezirk Böblingen. Die Ausbildung muss angekurbelt und das digitale Netz ausgebaut werden.

 
Herr Hadler, worauf führen Sie im Kern die Wirtschaftsstärke des Kreises zurück?
Natürlich ist die Industrie der Motor, und hier ganz besonders die Innovationskraft der forschungsintensiven Branchen. Die Spitzenstellung ist freilich besonders auf unsere Großunternehmen zurückzuführen: auf Daimler in Sindelfingen, Porsche in Weissach, Bosch in Renningen, IBM mit dem Entwicklungszentrum in Böblingen und der Deutschlandzentrale in Ehningen und nicht zuletzt auf Hewlett Packard in Böblingen. Sie sind sehr innovativ und behaupten sich auf dem Weltmarkt.
Etwa jeder dritte Arbeitnehmer im Kreis ist in Branchen beschäftigt, in denen Forschung und Entwicklung betrieben wird. Der Landesdurchschnitt liegt bei 18 Prozent.
Unsere Stärke sind auch die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht minder innovativ sind und Nischen- Marktführer sind. Sie müssen aber noch nachhaltiger gestärkt werden. Ich weise immer wieder daraufhin, dass sie steuerliche Erleichterungen erhalten sollten.
In ihrem jüngsten Konjunkturbericht sprechen Sie davon, dass die Unternehmen mit einer größer werdenden Verunsicherung in die Zukunft blicken. Weshalb?
Es gibt neue, wirtschaftliche Risiken. Wie geht es es in Frankreich, Italien und Griechenland weiter? Der Brexit, die US-Wahlen, der Rechtsruck in vielen Ländern und die Schwäche Europas stellen vieles in Frage, was bis vor kurzem als sicher galt. Teilweise reagieren die Unternehmen bereits mit Zurückhaltung was Investitionsentscheidungen anbetrifft. Das gilt etwa für den Maschinenbau. Hinzu kommen erste kleine Dellen beim Auftragseingang. Sowohl bei der Inlands-, als auch bei der Auslandsnachfrage gibt es einen leichten Rückgang. Die Zuversicht hat erste Kratzer bekommen. Annähernd 20 Prozent der Produzenten erwarten schlechtere Geschäfte.
Zumal die Exportabhängigkeit der Firmen im Kreis sehr hoch ist. Liegt die Unsicherheit hauptsächlich daran?
Nein, nicht nur, wie gesagt, die schwächere Auftragslage existiert auch im Inland. Sie ist aber geringer als im Exportgeschäft. Bei einer Exportquote von rund 70 Prozent, ist die Abhängigkeit von der Weltmarktlage sehr hoch. Aber welche Auswirkungen eine Trump-Regierung hat, oder auch die Entwicklung in Europa, das müssen wir abwarten. Fakt ist aber schon, dass der Markt in Frankreich, aber auch der in Russland, schwächer geworden ist.
Sie selbst haben immer ein weiteres Problem angesprochen:  den Fachkräftemangel.
In der Produktion fehlen immer mehr Mitarbeiter. In nahezu allen Branchen werden gut ausgebildete Fachkräfte händeringend gesucht und viele Stellen können nicht zeitnah besetzt werden. Für mein Unternehmen suche ich zum Beispiel Zerspanungsmechaniker, die eine theoretische Ausbildung besitzen, um eine CNC-Maschine programmieren zu können. Das sind Werkzeugmaschinen mit moderner Steuerungstechnik. Trotzdem macht man sich dabei die Finger schmutzig. Nicht jeder ist bereit dazu. Viele wollen sich weiterbilden und Techniker werden. Das ist einerseits gut und als IHK sind wir für Weiterbildung. Problematisch ist, dass es wesentlich schwieriger geworden ist, Auszubildende zu finden. Im Kreis gibt es ein großes und attraktives Ausbildungsplatzangebot, sodass bei den Azubis bereits ein Wettbewerb um kluge Köpfe stattfindet. Eklatant ist der Fachkräftemangel auch im Handel und in der Gastronomie geworden. Dabei spielen sicher die Arbeits- und Öffnungszeiten eine Rolle, die manche als Belastung sehen.
Wie wollen Sie Abhilfe schaffen?
Wir müssen mehr für unsere duale Ausbildung werben mit Berufsschule und der Praxis im Betrieb. Die IHK macht dafür Informationsveranstaltungen und hat auch Ausbildungspaten im Einsatz, die an die Schulen gehen, die interessanten Ausbildungsgänge vorstellen und von ihren eigenen Erfahrungen in der Ausbildung berichten.
Von vielen Unternehmen wird auch die Versorgung mit Breitbandkabel bemängelt. Geraten wir regional und auch bundesweit allmählich ins Hintertreffen?
Die Gefahr besteht, dass andere Märkte, vor allem die in Fernost, die Nase vorn haben. Beim schnellen Internet gibt es einen dringenden Handlungsbedarf. Diesen sehen wir auch mit Blick auf die Automobilbranche. Wir erleben aktuell einen Umbruch – weg vom Verbrennungsmotor, hin zur Elektromobilität. Diese wird zu dramatischen Veränderungen in der Wertschöpfungskette unserer Region führen.
Ein weiteres Problem im Kreis sind fehlende Gewerbeflächen. Manche Unternehmen, die expandieren wollten, sind abgewandert. Wie können Sie gegensteuern?
Es müssen wieder mehr Flächen ausgewiesen werden. Uns fehlen größere Areale, für Logistik-Unternehmen, aber auch für die Produktion. Es geht nicht, dass die Leute sagen: Wir brauchen die Industrie, aber nicht vor unserer Haustür. In den Städten müssen mehr Mischgebiete erlaubt, mehr Baugebiete für Gewerbe und Wohnen entwickelt werden. Sonst können wir die Attraktivität des Standorts und die daraus resultierende Wirtschaftsstärke des Kreises kaum halten.
Was ist Ihr Ziel für das nächste Jahr?
Dass wir unsere Spitzenstellung als wirtschaftsstarker Landkreis im Prognos-Zukunftsatlas beibehalten. Die Chancen stehen gut, aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen.