Dass gewalttätige Männer der Wohnung verwiesen werden können – daran haben Wilma Römer und Karin Kellermann-Körber mitgewirkt. Darauf sind sie stolz. Nun geben sie den Vorstand im Verein Frauen helfen Frauen auf und läuten den Generationswechsel ein.

Böblingen - Fast vier Jahrzehnte haben Wilma Römer und Karin Kellermann-Körber für die Rechte misshandelter Frauen gekämpft. Jetzt ziehen sie sich aus dem Vorstand des Vereins Frauen helfen Frauen zurück, der Träger zweier Beratungsstellen und eines Notrufangebots für den Landkreis ist. Am kommenden Freitag werden sie offiziell verabschiedet. Zuvor ziehen sie im Interview eine Bilanz ihrer Arbeit. Die Schließung des Frauenhauses vor sechs Jahren bedauern sie. Ein neues, kleineres würden sie gerne eröffnen.

 
Frau Römer, Frau Kellermann-Körber, warum der Rückzug zum jetzigen Zeitpunkt?
Römer Ich werde demnächst 75. Seit 38 Jahren engagiere ich mich für misshandelte Frauen. Ich denke, das ist genug. Jetzt wird es Zeit, die Arbeit an Jüngere zu übergeben.
Kellermann-Körber Wir haben zwei, drei Jahre darüber geredet. Es ist nicht einfach, jüngere Frauen für dieses Ehrenamt zu finden. Es gibt nur wenige in unserem Verein. Ich denke, für die ist Gewalt gegen Frauen nicht mehr das Thema, das es für uns war.
Warum?
Kellermann-Körber Vieles hat sich geändert. Als wir anfingen, betraf Gewalt die normale deutsche Hausfrau, die Nachbarin von nebenan. Diese Frauen kommen schon lange nicht mehr zu uns. Heute sind es eher Migrantinnen und Frauen aus sehr desolaten Verhältnissen. Wir sind stolz darauf, dass wir bei einer Veranstaltung mit dem damaligen baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll das Gewaltschutzgesetz auf den Weg gebracht haben. Seit 2002 kann ein gewalttätiger Mann der Wohnung verwiesen werden, und die Frau muss nicht mehr ins Frauenhaus. Das ist heute selbstverständlich.
Haben Sie deshalb vor sechs Jahren ihr Frauenhaus zugemacht?
Römer Nein, darauf bin ich nicht stolz. Es waren vor allem finanzielle Gründe. Hätten wir weitergemacht, wären wir bald insolvent gewesen.
Aber jetzt wollen Sie kein Frauenhaus mehr?
Römer Die Schaffung eines neuen, kleineren Frauenhauses steht noch immer in unserer Satzung. Dieses funktioniert nur mit einer weiterentwickelten Konzeption. Die Eckpunkte dafür haben wir dem Sozialdezernenten des Kreises, Alfred Schmid, vorgelegt. Die Frauen, die heute ins Frauenhaus kommen, brauchen eine umfassende Betreuung. Wir müssten sogar eine Hauswirtschafterin anstellen, die den Frauen lebenspraktische Dinge beibringt.
Kellermann-Körber Richtig ist aber, dass sich durch das Gewaltschutzgesetz viel verändert hat. Auch in den Köpfen der Frauen und Männer hat sich einiges geändert. Deshalb brauchen wir sicher nicht mehr so viele Frauenhäuser wie noch vor einigen Jahren. Für Frauen ist es heute einfacher, sich von den Männern zu trennen. Sie haben meist einen Beruf, sind unabhängiger. Was wir aber weiter brauchen, sind Beratungsstellen, um den Frauen zu zeigen, welche Möglichkeiten sie haben. Außerdem haben wir einen Notruf, der abends und an den Wochenenden besetzt ist.
Das heißt, vor 30 Jahren waren Frauenhäuser viel wichtiger als heute?
Römer Ja, damals war es für eine Frau mit kleinen Kindern praktisch unmöglich, sich von ihrem Mann zu trennen. Heute gibt es das Recht auf einen Kitaplatz. Und meistens kann die Frau mit ihren Kindern in der Wohnung bleiben, und der Mann muss gehen. Heute gehen auch manche gewalttätige Männer zur Beratung.
Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?
Römer Ich habe als Rechtsanwaltsfachangestellte mitbekommen, wie schrecklich es in vielen Ehen zuging. So erzählte eine Frau aus Holzgerlingen, dass ihr Mann immer eine Axt neben dem Kopfkissen liegen habe. Damit drohte er, sie zu erschlagen. Ich habe überlegt, wie wir helfen können. Und nach einer Veranstaltung der sozialdemokratischen Frauen in Sindelfingen, zu denen ich gehörte, zum Thema Häusliche Gewalt, ging es ganz schnell. Wir gründeten einen Verein, eröffneten ein Frauenhaus, ich wurde dann die Vorsitzende.
Kellermann-Körber Auch ich bin durch meine Arbeit als Anwältin für Familienrecht zu diesem Thema gekommen. Ich habe über das Scheidungsrecht promoviert.
Anders als viele andere Frauenhaus-Vereine war der Böblinger nie dogmatisch, oder?
Römer Anfangs hatten wir schon auch unsere Auseinandersetzungen. Es gab ganz unterschiedliche Frauen mit unterschiedlichen Motiven bei uns: solche, die sich sozial engagierten, und andere mit emanzipatorischen Gründen. Aber es war nie so, wie ich es einmal auf einer Tagung von Frauenhäusern erlebt habe. Da waren nur die Superfeministinnen, und nur ich und eine CDU-Frau aus Flensburg haben anders argumentiert. Dafür wurden wir von den anderen stark angegriffen.
Anfang der 1990er Jahre kam die Beratung für Opfer sexuellen Missbrauchs hinzu.
Kellermann-Körber Ja, das ging aber vom Landkreis aus. Dieser hat uns gefragt, ob wir das nicht übernehmen wollen.
Wie hat sich dort die Arbeit verändert?
Kellermann-Körber Eigentlich nicht so stark. Neu hinzugekommen ist die Online-Beratung. Aber das Klientel ist gleich geblieben. Sexueller Missbrauch war schon immer ein Thema, das quer durch alle Schichten ging.
Römer Aber das Thema wurde enttabuisiert, auch durch die vielen Skandale bei den Kirchen. Deshalb werden heute mehr Übergriffe angezeigt. Und wir sind auch bei der Prävention gefragt. Vereine, Kirchen, Schulen kommen auf uns zu. Wir machen auch Fortbildungen für die Polizei.