Die Revolutionen im arabischen Raum sind kein Vorbild für  Aung San Suu Kyi. Sie sei für gewaltfreien Widerstand, sagt die Birmanin.  

Die Revolutionen im arabischen Raum sind kein Vorbild für Aung San Suu Kyi. Sie sei für gewaltfreien Widerstand, sagt sie. In der Vergangenheit hat das Regime friedliche Proteste wiederholt mit Gewalt niedergeschlagen.

 

Suu Kyi, wie frei sind Sie?
Ich bin völlig frei. Ich kann treffen, wen ich ich will. Ich spüre keine Einschränkungen. Aber ich bin auch sicher, dass man mich und meine Aktivitäten überwacht. Aber davon lasse ich mich nicht einschränken. Gut, ich habe seit dem Ende meines Hausarrests Rangun nicht verlassen. Aber ich habe so viel Arbeit, ich habe keine Zeit. Die Arbeit scheint nie aufzuhören.

Angesichts der Veränderungen an der Regimespitze könnte es ein schlechter Zeitpunkt sein, die Grenzen Ihrer Freiheit zu testen. Sind Sie deshalb noch nicht in die Provinzen gereist? Schließlich war das beim letzen Mal der Anlass, Sie einzusperren.
Der Anlass war damals die riesige Unterstützung, die ich bei den Birmanen erfahren habe, als ich Rangun verlassen habe. Also nein, es hat ganz praktische Gründe, dass ich nicht reise. Es ist für mich sehr viel einfacher die viele Arbeit zu bewältigen, wenn die Abordnungen der NLD (die National League for Democracy ) aus dem ganzen Land nach Rangun kommen und wir hier unsere Pläne besprechen. Wir sind sehr aktiv und gründen im ganzen Land zivile Bürgerinitiativen, die sich um bestimmte Themen kümmern, sei es Aids, sei es das Schulproblem oder andere wichtige Themen des täglichen Lebens.

Das Regime hat Ihnen vor einigen Wochen über die Zeitungen massiv gedroht. Ist das auch ein Grund, warum Sie Ihre Aktivitäten bislang auf Rangun beschränken?
Ach wissen Sie, solche Drohungen des Regimes hat es immer gegeben und wird es immer geben.

Manche Ihrer Anhänger in Rangun sagen auch, man solle sich Nordafrika als Vorbild nehmen und jetzt versuchen, gegen das Regime zu revoltieren. Halten Sie das für eine gute Idee?
Ich bin immer für gewaltlosen Widerstand gewesen. Das heißt nicht, dass man nichts tut. Im Gegenteil. Aber man sollte eines nicht vergessen: Wir haben hier in Birma schon 1988 gemacht, was jetzt in Tunesien und Ägypten passiert ist. Der Unterschied ist, man hat damals auf uns geschossen, so wie es jetzt in Libyen passiert. Das Volk hat das schon alles durchgemacht - nicht nur ein Mal, sondern mehrere Male. Zuletzt sind 2007 die Mönche auf die Straße gegangen und jedes Mal sind die Proteste niedergeschlagen worden.

Also halten Sie nichts davon, es mit einer neuen Rebellion zu versuchen und treten stattdessen für den langsamen Weg der Veränderung ein?
Es hängt nicht von einzelnen Politikern ab, ob es solche Aufstände gibt oder nicht. Das sind spontane Bewegungen, die plötzlich entstehen. Als Politiker muss man dann flexibel reagieren. Man muss in der Lage sein, sich auf die wechselnden Umstände in dem Land einzustellen.

Glauben Sie, dass die Militärs heute wieder einen Schießbefehl erteilen würden, wenn es zu einem Aufstand käme?
Ich weiß es nicht. Es ist im Augenblick sehr viel unklar. Wir wissen nicht, ob und was sich ändern wird.

Ihre Antwort klingt etwas erstaunlich. Im Exil argumentieren viele Birmanen, das Land werde auch nach der Wahl von den gleichen Personen wie früher regiert. Sehen Sie das anders?
Das ist richtig, es hat keine wirkliche Veränderung gegeben und dennoch ist vieles unklar. Wir haben auch noch keine vereidigte neue Regierung. Und wir wissen bislang nicht, welche Rolle der bisherige Juntachef Than Shwe spielen wird. Manchmal habe ich Zweifel, ob er selbst weiß, was er wirklich will.

Macht es denn einen erheblichen Unterschied, ob Than Shwe nun Chef des Nationalen Sicherheitsrats wird oder nicht?
An der Entscheidung wird man zumindest erkennen können, ob das Regime zu Veränderungen fähig ist. Deshalb besitzt die Frage, was Than Shwe zukünftig machen wird, schon einige Bedeutung.

Fühlen Sie sich eigentlich politisch an den Rand gedrängt?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Es gibt sehr viele junge Leute, die sich uns jetzt anschließen.

Also hat die Abspaltung der NDF (National Democratic Front) von der NLD, die - im Gegensatz zur NLD - an der Wahl im November teilnahm, nicht geschadet?
Ach, das war doch keine Spaltung, höchstens eine Absplitterung. Die paar Leute haben keine Rolle gespielt.

Aber es gab richtig böses Blut. Man hat sich im vergangenen Jahr gegenseitig als Verräter beschimpft. Können Sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen.
Sie haben auch unser Parteisymbol, den Pfau, benutzt! Aber wir haben den demokratischen Parteien, die im Parlament vertreten sind, gesagt, sie könnten zu uns kommen, wenn sie mit uns zusammenarbeiten wollen.

Im April muss die Europäische Union entscheiden, ob sie die auslaufenden Sanktionen gegen Birma erneuert. Wäre es gut, sie nicht zu erneuern?
Die Sanktionen sollten beibehalten werden. Sie sollten erst aufgehoben werden, nachdem sich hier etwas geändert hat.

Innerhalb der Europäischen Union gibt es eine Diskussion über die Art der Sanktionen. Die deutsche Regierung spricht, man sollte sie gezielter gestalten. Was halten Sie von der Ansicht?
Ich verstehe nicht wirklich, was die Deutschen damit meinen. Soll man die Liste der Unternehmen regelmäßig überprüfen, die von Sanktionen betroffen sind? Das kann man natürlich machen, um zu sehen, ob die richtigen Personen getroffen werden.

Die Aussage der Außenminister der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean muss für Sie doch ein Schock gewesen sein. Die Minister erklärten, Birma sei jetzt nach der Wahl wieder demokratisch.
Was hat sich denn hier geändert in den vergangenen Monaten? Wo ist denn diese Demokratie?

Hintergrund: Aung San Suu Kyi

Nobelpreis
Aung San Suu Kyi (65) gilt auf der ganzen Welt als eine Ikone der Freiheitsbewegungen. Sie setzt sich seit über 20 Jahren für eine gewaltlose Demokratisierung ihres Heimatlandes Birma ein. 1991 erhielt Aung San Suu Kyi für ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte den Friedensnobelpreis.

Gefängnis
Dem Regime in ihrer Heimat ist Aung San Suu Kyi ein Dorn im Auge. Die Politikerin verbrachte 15 der vergangenen 21 Jahre hinter Gittern oder im Hausarrest. Mitte November wurde sie freigelassen. Aber ihre Partei, die National League for Democracy (NLD), mit der sie 1990 einen überwältigenden Wahlsieg errang, existiert formell nicht mehr. Sie nahm nicht an Birmas ersten Wahlen nach 20 Jahren teil, weil die Bedingungen der Militärjunta unannehmbar erschienen.