Christian Gentner vom VfB Stuttgart und Andreas Beck aus Hoffenheim haben sich etwas zu sagen. Am Samstag treffen sie auf dem Spielfeld aufeinander.

Stuttgart - Christian Gentner (26) und Andreas Beck (24) verbindet einiges - ihre fußballerischen Anfänge in Stuttgart zum Beispiel. Heute stehen sie sich aber als Rivalen gegenüber. Gentner trifft mit dem VfB auf Beck und Hoffenheim.

 

Herr Beck, wenn sich zwei junge Profis treffen, liegt das Gesprächsthema nach landläufiger Ansicht auf der Hand.

Beck: Lassen Sie mich mal raten. Sie meinen Frauen und Autos?

Oder Fußball.

Gentner: Ja, ich denke, das wäre uns jetzt lieber. Davon verstehen wir etwas. (lacht)

Sie kennen Andreas Beck schon sehr lange. Gibt es trotzdem noch etwas, das Sie von ihm wissen wollen?

Gentner: Mit dem Ball hat er ganz verrückte Sachen drauf. Wenn ich es versuchen würde, würde ich mir bestimmt sämtliche Knochen brechen. Ich frage mich, wie er das anstellt.

Beck: Üben, üben, üben.

Gentner: Manches, was er so beherrscht, ist Comedy.

Aber die Bühne ist die Bundesliga, in welcher der VfB Stuttgart heute 1899 Hoffenheim empfängt. Zirkustricks bewirken da nichts. Vielmehr könnte es zu einem direkten Duell zwischen Andreas Beck und Christian Gentner kommen.

Beck: Da er mich vorher schon so gelobt hat, gebe ich das Kompliment gerne zurück. Für mich ist es sehr unangenehm, gegen ihn zu spielen. Was ich beeindruckend finde, ist seine Physis. Es gibt nicht viele Spieler, die so schnell sind wie er. Er läuft und läuft und läuft. Wie geht das?

Gentner: Auch mit Üben. Ich finde unsere Duelle übrigens spannend. Er ist einer, der hart zupackt, aber immer fair bleibt. Deshalb können wir uns auch hinterher auf jeden Fall noch in die Augen schauen.

Bei so viel Harmonie werden Sie die Stunden nach der Partie wohl wie früher manchmal gemeinsam in Stuttgart verbringen?

Beck: Eher nicht. Ich wohne inzwischen ja in Heidelberg.

Gentner: Außerdem ist es sicher auch so, dass einer von uns nach dem Schlusspfiff glücklich ist und der andere enttäuscht.

Beck: Aber zuvor auf dem Platz treffen wir uns auf Augenhöhe. Wir treten offensiv und frech auf und sind dabei, den VfB zu attackieren. Aber natürlich sind wir als Club in einigen Dingen zwangsläufig auch noch hinten dran. So kann der VfB auf eine lange Tradition zurückblicken, er ist als Marke etabliert und ein Aushängeschild für die Region und für Baden-Württemberg. Aber wir in Hoffenheim sind auf einem guten Weg.

Hat im Gegenzug 1899 Hoffenheim auch etwas zu bieten, was dem VfB fehlt - außer einem Mäzen wie Dietmar Hopp?

Gentner: Ich bin nicht der Meinung, dass man die Rolle von Herrn Hopp so negativ sehen sollte. In Hoffenheim wurde etwas aufgebaut und entwickelt. Wenn man sich bloß einmal überlegt, dass die Mannschaft seit ihrem Aufstieg in die Bundesliga nie etwas mit dem Abstiegskampf zu tun hatte, ist das schon bemerkenswert genug. Auch für unsere Fans ist es interessant, wenn so ein Produkt in ihrer Nähe entsteht. Bei den Derbys lassen sie sich ja oft etwas Besonderes einfallen. Zudem kennt man viele Spieler noch aus ihrer Zeit beim VfB. Einigen begegnet man übrigens ab und zu sehr wohl noch abends bei uns in der Stadt.

Beck: Stimmt, manchmal bin ich wirklich noch hier in Stuttgart unterwegs. Da habe ich dann ähnliche Anlaufstellen wie einige Spieler des VfB. Trotzdem ist das jetzt ein Derby, das von uns auch entsprechend angegangen wird.

Gentner: Wir wollen zeigen, dass wir die Nummer eins im Land sind. Es ist ein enormer Anreiz, dass uns da keiner überholt.

Beck: Aber wir waren doch schon in der letzten Saison vor euch.

Gentner: Ausnahmen bestätigen die Regel.

Beck und Gentner: Wenn Gegenspieler den Doppelpass üben

Herr Beck, Sie hatten ein besonderes Verhältnis zu dem Trainer Ralf Rangnick, der vor drei Wochen auf Schalke wegen eines Burn-out-Syndroms von seinem Amt zurückgetreten ist. Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie das erfahren haben?

Beck: Ich konnte und wollte das zunächst gar nicht glauben, so betroffen war ich. Ich fühle mit ihm und frage mich: warum, weshalb? Wer ihn kennt, der weiß, was ihn auszeichnet und wovon er zehrt: von seiner Begeisterungsfähigkeit und seinem Enthusiasmus. Hoffentlich kommt das zurück.

Gentner: Vor seiner Entscheidung muss man den größten Respekt haben. Wenn so etwas Krasses passiert, merken viele Leute erst, welcher Druck auf den Akteuren lastet. Ich schätze, auf Schalke ist er noch mal höher als bei manchen anderen Clubs.

Beck: Druck gibt es aber auch bei uns in Hoffenheim. Es ist noch nicht so lange her, da hat ein Teil unserer Fans manchmal schon recht schnell gepfiffen, wenn es auf dem Platz nicht rundgelaufen ist. Dabei helfen Pfiffe keinem - nicht der Mannschaft, aber auch nicht den Fans, weil die Grundstimmung negativer wird und dadurch vielleicht Barrieren entstehen. Die Distanz zu manchen Spielern wird größer.

Gentner: Ich habe mir zuletzt im eigenen Stadion ja auch gelegentlich das ein oder andere anhören müssen. Das ist zwar sicher nicht besonders schön, aber man kann es auch keinem verbieten, sich auf diese Art zu äußern. Man kann nur eines versuchen: damit professionell umgehen.

In diesem Sinne: wie sieht das sportliche Zwischenfazit aus?

Beck: Zurzeit fühlt es sich bei uns gut an - vor allem seit dem Punktgewinn vor zwei Wochen gegen die Bayern. Da haben wir wie auch schon zuvor beim Sieg gegen Dortmund gesehen, dass wir selbst solchen Gegnern weh tun können. Andererseits gab es auch bittere Pillen wie das 0:2 in Köln. Alles ist noch ein bisschen wackelig.

Gentner: Bei uns auch. Die Konstanz fehlt noch. Wir haben Schalke und Hannover deutlich geschlagen, aber dann gab es auch solche Spiele wie gegen Hamburg.

Beck: Dennoch habt ihr nun schon mehr Punkte als nach der letzten Vorrunde.

Gentner: Das darf man auch nicht vergessen. Wir sollten im Kopf haben, wo wir herkommen. Dann relativiert sich manches.

Und wo wollen Sie hin? Schließlich sind Sie einer der wenigen Spieler, die mit zwei verschiedenen Vereinen den Meistertitel gewonnen haben - mit dem VfB Stuttgart und dem VfL Wolfsburg.

Gentner: Ludovic Magnin hat das mit Bremen und dem VfB auch geschafft.

Aber er spielt nicht mehr in der Bundesliga.

Gentner: Natürlich sollte der internationale Wettbewerb unser Anspruch sein, schon wegen des neuen Stadions, das Champions-League-Niveau hat. Aber wir müssen auch vorsichtig sein und dürfen nicht zu weit nach vorne gucken. Meister werden sowieso die Bayern, wenn bei denen nicht alles schiefläuft.

Beck: Das ist eine Parallele zu uns. Demut ist angesagt. Zuletzt sind wir in der Rückserie zweimal nacheinander weggebrochen. Deshalb sind wir ein gebranntes Kind.

Aber nun haben Sie in Holger Stanislawski einen neuen Trainer bekommen.

Beck: Wir profitieren alle davon, dass er uns ganz klar sagt, was er will. Dabei tritt er immer authentisch auf. Ich hatte vor der Saison viele Gespräche mit ihm, wie es mit dem Verein und mit mir weitergeht.

Sie standen im Sommer kurz vor einem Wechsel zu Juventus Turin.

Beck: Mein Vertrag wäre 2012 ausgelaufen, da war es doch völlig legitim, dass sich beide Seiten Gedanken über die Zukunft machen. Denn wohin der Weg von Hoffenheim führen wird, konnte lange keiner vorhersagen. Dann kam Holger Stanislawski. Ich habe schnell gespürt, dass seine Vorstellungen mit meinen übereinstimmen. Alles, was er sagt, hat Hand und Fuß. Das klingt richtig gut und hat mir gefallen.

Gentner: Der Trainer ist für einen Spieler ohnehin immer die wichtigste Bezugsperson. Ich habe beispielsweise Giovanni Trapattoni viel zu verdanken. Vor sechs Jahren hat er mich und Mario Gomez ganz gezielt aufgebaut und gefördert.

Beck: Nicht nur euch. Er hat auch Serdar Tasci, Sami Khedira und mich aus der Jugend zu den VfB-Profis hochgezogen.

Gentner: Die Zusammenarbeit mit Trapattoni war perfekt für die jungen Leute. In den sieben Monaten, in denen er hier war, habe ich eine Menge gelernt. Es war unglaublich, wie viel Zeit er sich für uns noch nach dem Training genommen hat. Da haben wir sogar Einwürfe geübt. Schon damals hat er zu Mario und mir gesagt - passt auf, in zwei Jahren seid ihr Nationalspieler. So ist es dann auch gekommen.

Beck und Gentner: Wenn Gegenspieler den Doppelpass üben

Sie haben schon zusammen für die DFB-Auswahl gespielt. Momentan gehören sie aber nicht zum Kader des Bundestrainers Joachim Löw. Haben Sie noch Hoffnung, bei der EM 2012 dabei zu sein?

Beck: Wenn die Leistung stimmt, warum nicht? Dann steht man automatisch im Fokus. Das sagt auch der Bundestrainer. Ich lauere auf jeden Fall auf meine Chance und will bereit sein, wenn ein Anruf kommt. Vor der WM im vergangenen Jahr bin ich ja im letzten Moment aus dem Aufgebot gestrichen worden. Vielleicht läuft es jetzt anders und ich springe im letzten Moment auf den Zug drauf. Wer weiß das schon.

Gentner: Die Nationalmannschaft könnte schon wieder ein Thema werden. Aber man muss das realistisch betrachten. Meine letzte Saison war nicht gut. Außerdem spielt die Nationalmannschaft im Augenblick überragend. Da ist es schwer, hineinzukommen - und wenn überhaupt, kann es nur über viele gute Auftritte im Verein funktionieren. Das ist die Voraussetzung.

Sie haben beide die Jugendschule beim VfB durchlaufen. Welche Erinnerung haben Sie an diese Zeit?

Beck: Ich bin mit 13 in den Club eingetreten. Christian war schon da. Er ist ja knapp zwei Jahre älter und war ein Großer für mich. Als ich Profi wurde, ging ein Traum in Erfüllung. Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, den VfB zu verlassen. Aber dann waren die Umstände schwierig und Hoffenheim überzeugte mich.

Gentner: Bei mir war es ähnlich. Ich stamme aus Nürtingen. Meine Clique ist samstags ins Stadion gegangen. Für mich war der VfB das Allergrößte. Andreas Hinkel und Kevin Kuranyi prägten die jungen Wilden. Das war als Jugendlicher ein zusätzlicher Ansporn für mich.

Wenn Sie wieder zusammenspielen wollen, müsste einer den Verein wechseln. Würden Sie nach Hoffenheim gehen, Herr Gentner?

Gentner: Aktuell denke ich nur an den VfB. Im Fußball ist zwar immer sehr viel möglich, aber was vielleicht irgendwann sein könnte, darüber spekuliere ich nicht.

Dann wäre es vermutlich einfacher, wenn Sie zum VfB zurückkehren würden, Herr Beck.

Beck: Das ist nicht vorstellbar, aber ausschließen will ich es nicht. Fest steht jedoch, dass ich meinen Vertrag in Hoffenheim ja gerade erst bis 2014 verlängert habe - aus voller Überzeugung.

Entschuldigung, doch Ihr erster Satz hört sich jetzt trotzdem nach einem kleinen Widerspruch an.

Beck: Finden Sie? Ich will damit aber nur sagen, dass das zurzeit kein Thema ist. Ich weiß allerdings auch, dass man nie nie sagen sollte - schon gar nicht im Fußball.

Das Gespräch führte Thomas Haid.