Sie können doch niemanden zwingen, seine Immobilien zu verkaufen oder in Seniorenwohnungen umzuziehen.
Ich will die Senioren nicht zwingen auszuziehen, aber vielleicht überzeugen. Viele wollen nicht mehr auf 120 Quadratmetern in Randlage und mit steilen Treppen wohnen, sondern auf 70 Quadratmetern im Zentrum barrierefrei. Es gibt in Baden-Württemberg im übrigen auch ein Zweckentfremdungsgebot. Und man könnte eine Leertandsabgabe einführen, wenn ein Gebäude mehr als sechs Monate leer steht.
Immobilienexperten erklären: Selbst wenn man alle Baulücken schließen und Leerstände nutzen würde, reicht das nicht, um die riesige Nachfrage zu decken. In Ludwigsburg könnte man 1000 Wohnungen pro Jahr bauen, und es stünden immer noch 2000 Interessenten Schlange.
Das Statistische Landesamt weist für Ludwigsburg aus, dass von 2004 bis 2014 die Bevölkerung um vier Prozent gewachsen ist, die Zahl der Wohneinheiten um acht Prozent. Die Belegungsdichte geht zurück. Wenn wir pro Jahr nur für fünf Prozent der Senioren in zu großen Wohnungen ein preiswertes Angebot schaffen, wäre schon viel gewonnen. Es müssen also mehr Seniorenwohnungen gebaut werden als bisher – aber das macht leider keine Kommune. Wir brauchen ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Erst wenn das umgesetzt ist, kann man das eine oder andere kleine Gebiet ausweisen.
Gibt es nicht durch die großen Arbeitgeber Bosch, Daimler oder Porsche permanent große Zuwanderung in den Ballungsraum?
Viele Arbeitsplätze werden nur innerhalb der Region umverteilt. Die Nachfrage ist nicht höher als früher – nur das Angebot ist zu knapp. Die Kommunen müssen daher kluge Bodenvorratspolitik betreiben und alles aufkaufen, was auf dem Markt ist. Und dann die Grundstücke mit Erbbaurecht an Bauträger vergeben, mit der Vorgabe, dass preiswerte Wohnungen dauerhaft geschaffen werden. Mit teuren Luxuswohnungen oder Einfamilienhäusern lösen wir das Problem nicht – das können sich Durchschnittsverdiener ohnehin nicht leisten.
Sie wohnen selbst in Marbach in einem Reihenhaus – wollen nicht Ihre BUND-Mitglieder oder Parteifreunde bei den Grünen gerne in Einfamilienhäusern im Grünen wohnen?
Natürlich wollen junge Familien gerne in einem Neubaugebiet wohnen. Ich habe das ja selbst so gemacht. Aber ich habe erst später durchschaut, wie der Immobilienmarkt funktioniert. Wir müssen viel stärker in die Zukunft denken, wenn selbst in der Region Stuttgart die demografische Entwicklung zum Tragen kommt. Aller wirtschaftlichen Dynamik zum Trotz. Dann verzeichnen wir 2030 bis zu 15 Prozent Leerstände – das ist dann auch ein großes Problem für die kommunale Infrastruktur und Kasse.