Trotzdem kann man vermuten, dass viele Schauspielerinnen etliche der Szenen im Film nicht hätten drehen wollen. Fiel Ihnen das alles immer leicht?
Hätte ich das, was ich gerade erklärt habe, nicht verstanden, hätte ich diese Figur nicht spielen können. Aber ich habe es verstanden, also war die Sache absolut machbar. Nacktheit und Sex sind in der heutigen Gesellschaft ganz einfach. Oder vielleicht anders gesagt: als Themen sind sie einfach. Andere finde ich viel schwieriger. Einsamkeit zum Beispiel ist etwas, das kaum thematisiert wird.
Das ist natürlich aber eine andere Art der Herausforderung, als sich nackt vor eine Kamera zu stellen.
Stimmt, und ich verstehe natürlich, worauf Sie hinaus wollen. Die Nacktszenen des Films sind alle aus der Figur heraus motiviert, sonst hätte ich das nicht gemacht. Sie sind ja nur angebracht, wenn sie etwas zeigen, das tiefer geht als das, was man auch angezogen hätte spielen können. Nacktheit hat in diesem Film eine emotionale Dimension, sie entspricht dem seelischen Zustand Helens, und damit hat sie eine Bedeutung. Hat Nacktheit keinen Sinn, ist sie voyeuristisch und damit unspielbar.
Tatsächlich ruhen die „Feuchtgebiete“ komplett auf Ihren Schultern. Haben Sie das als Druck empfunden?
Da ist sicherlich ein bisschen Druck da. In einem Fall wie diesem ganz besonders, weil so viele Leute den Roman gelesen und einen ganz persönlichen Bezug zu Helen Memel haben. Jeder hat eine Vorstellung von ihr im Kopf, da ist man ja fast zum Scheitern verdammt. Überhaupt muss man dieser Figur erst einmal gerecht werden, denn die ist ganz schön komplex. Sie verständlich zu machen, war in jedem Fall eine Herausforderung. Aber die hat mich natürlich auch motiviert. Darauf habe ich mich konzentriert, nicht auf den Druck.
Lassen Sie uns nochmal auf Ihren USA-Aufenthalt zurückkommen. Sie haben dort Ihre komplette Schauspielausbildung absolviert?
Genau so ist es. Ich komme aus einem kleinen Dorf in den Bergen in der italienischen Schweiz, wo mein Bezug zu einer Großstadt nicht Berlin oder Rom, sondern New York war. Denn dort war ich als 15-Jährige an der High School. Deswegen war es dann vier Jahre später irgendwie logisch, dass ich wieder nach Amerika gehe und auf Englisch studiere. Meine emotionale Bindung dorthin war viel größer als nach Zürich oder Paris.
Also war von Anfang eine internationale Karriere das Ziel?
Das kann man so nicht sagen. Bislang hat sich das meiste in meiner Arbeit eher zufällig ergeben. Irgendwann fiel mir auf, dass ich die verschiedenen Sprachen, die ich spreche, ja auch mal beruflich nutzen kann. Tatsächlich habe ich dann in Italien gedreht und erst dadurch so richtig realisiert, dass ich gar nicht nur auf die Schweiz festgelegt bin. Nun kamen eben auch Filme in Deutschland dazu – mal gucken, wie es weitergeht.